24.07.2015 14:30 Uhr

Alle wollen, keiner muss

Zuschauermagent auch 2015/2016: Die Drittligaspiele bei der SG Dynamo Dresden
Zuschauermagent auch 2015/2016: Die Drittligaspiele bei der SG Dynamo Dresden

Am Freitagabend startet die 3. Liga mit der Begegnung 1. FC Magdeburg gegen Rot-Weiß Erfurt in die Spielzeit 2015/2016 (im welfussball-Liveticker). Ihren Reiz erfährt die unterste deutsche Profiliga einmal mehr durch ihre hohe Ausgeglichenheit. Mehr als die Hälfte der 20 Mannschaften macht sich Hoffnungen auf den Aufstieg. weltfussball macht den Drittligacheck.

Gebeutelte Absteiger:
Erzgebirge Aue und VfR Aalen kommen von oben aus der zweiten Liga runter. Bei beiden Klubs wurde der Resetknopf gedrückt. Der Kumpelverein aus dem Osten hat sich von gleich 21 Spielern getrennt, zudem wurde Trainer Tommy Stipić durch Pavel Dotchev ersetzt. Es war eine Mammutaufgabe für den neuen Sportdirektor Steffen Ziffert, überhaupt einen Kader mit Drittliganiveau zusammenzustellen. Gleiches gilt für den VfR Aalen, wo nach dem Weggang des Großteils der Mannschaft sogar der Spielbetrieb kurzzeitig in Gefahr war. Mehr als ein gesicherter Mittelfeldplatz scheint für beide Zweitligaabsteiger nicht drin zu sein.

Vergebliche Favoritensuche:
Die kommende Saison lässt ein noch spannenderes Aufstiegsrennen als in den Jahren zuvor vermuten. Grund dafür ist schlichtweg, dass es anders als in den Vorjahren mit dem Karlsruher SC (2013), RB Leipzig (2014) und Arminia Bielefeld (2015) nicht den einen großen Aufstiegsfavoriten gibt. Dynamo Dresden und Holstein Kiel werden von Liga-Insidern am häufigsten als Titelaspiranten genannt, doch danach wird es dünne. Bis auf Aufsteiger Magdeburg werden quasi allen weiteren sechs Ostvereinen Außenseiterchancen auf eine Spitzenplatzierung eingeräumt, am ehesten hierbei noch Rot-Weiß Erfurt, Energie Cottbus und dem Chemnitzer FC.

Aus dem Pulk der fünf süddeutschen Klubs schielen lediglich die Stuttgarter Kickers als letztjähriger Tabellenvierter auf die Aufstiegszone. Bei den konkurrierenden Nordwestvereinen aus Münster und Osnabrück könnte das Pendel in dieser Saison wieder in Richtung der Violetten ausschlagen, nachdem die Preußen viel in der eigenen Mannschaft umgebaut haben.

Acht Mal ostdeutsche Fußballtradition:
Insgesamt stehen in der Saison 56 Ost-Duelle auf dem Plan. Mit Aue und Magdeburg sind noch einmal zwei Vereine in die Liga gekommen, die besonders die Drittliga-Zuschauer in den neuen Bundesländern erfreuen dürfte. Als Aufsteiger freut sich der 1. FC Magdeburg auf zwölf Spiele mit Derbycharakter sowie die beiden Duelle mit Hansa Rostock. Bei den ersten drei Heimspielen heißen die Gegner dann auch gleich mal Erfurt, Halle und Chemnitz. Neben der hauptsächlichen Frage nach den zwei direkten Auf- und drei Absteigern ist für den Fan des Ostdeutschen Fußballs somit auch die Frage nach dem Meister in der Derbytabelle spannend und regional von durchaus relevanter Bedeutung.

3. Liga als Publikumsmagnet:
Zuschauerkrösus der Liga dürfte erneut die Sportgemeinschaft aus Dresden werden. Schon vor dem ersten Spieltag wurden 12.000 Dauerkarten abgesetzt, was einen neuen Vereinsrekord bedeutet. Auch Mannschaften wie Preußen Münster, VfL Osnabrück, Hansa Rostock oder Energie Cottbus hoffen darauf, ihre guten Zahlen in der Zuschauertabelle ausbauen zu können. Mit über 22.000 Besuchern hatte Dynamo hier zuletzt mit Abstand die Nase vor den beiden Aufsteigern Bielefeld und Duisburg vorn. Über eine hohe Stadionauslastung wird sich auch der 1. FC Magdeburg freuen, die nach 25 Jahren wieder in den Profi-Fußball zurückgekehrt sind.

Spielerkarussell kräftig in Schwung:
Nicht nur die beiden Zweitligaabsteiger Aue und Aalen haben einen personellen Aderlass mit jeweils über 20 Abgängen erfahren. Auch Teams wie Hansa Rostock, Rot-Weiß Erfurt, die Bundesliga-Reserven aus Mainz und Stuttgart und sogar Holstein Kiel mussten einige wichtige Abgänge ersetzen und werden sich folglich in den ersten Monaten im Ligabetrieb erst finden müssen. Hier liegt der Vorteil eindeutig bei den Liganeulingen Würzburger Kickers und 1. FC Magdeburg, die in ihrer Stammformation relativ unverändert in die Spielzeit gehen.

Platz 17 als Minimalziel:
Beim Blick auf die Kader, die Etats und die eigene sportliche Erwartungshaltung lassen sich die Abstiegskandidaten einigermaßen einschränken. Zuallererst haben sich die Aufsteiger aus Magdeburg, Bremen und Würzburg den Klassenerhalt als Saisonziel auf die Fahnen geschrieben. Gleiches gilt auch für die Teams FSV Mainz II, Fortuna Köln und SG Sonnenhof Großaspach, die sich über jedes weitere Jahr 3. Liga riesig freuen. 17. und damit erster Nicht-Absteiger wurde 2014/2015 Hansa Rostock, die eine ähnliche Platzierung im anstehenden Spieljahr unbedingt vermeiden wollen. Runde zehn Plätze nach oben in der Tabelle sollen es schon sein.

3. Liga als Talentschmiede:
Vor allem für den U23-Unterbau der drei Bundesligisten aus Stuttgart, Mainz und Bremen gilt die 3. Liga als Sprungbrett für die vereinseigenen Talente. Entsprechend ist das Durchschnittsalter in diesen Teams am niedrigsten mit jeweils knapp unter 22 Jahren. Den höchsten Altersdurchschnitt weist mit etwas über 26 Jahren der VfL Osnabrück vor dem SC Fortuna Köln mit knapp unter 26 Jahren auf.

Zitate zur Einstimmung:
"Ich habe die Tage gelesen, ich hätte das 'A'-Wort verboten und würde jeden einnorden, der es verwendet. Also, das hab ich nicht." (Uwe Neuhaus, Trainer Dynamo Dresden)

"Es kann sein, dass wir Anlaufschwierigkeiten überwinden müssen. Ich weiß aber auch, dass das Potenzial unserer Neuzugänge so gut ist, dass wir im vorderen Mittelfeld mitspielen können.“ (Martin Männel, Kapitän Erzgebirge Aue)

"So lange wir in dieser Liga spielen, ist die fußballerische Qualität Jahr für Jahr besser geworden." (Sven Köhler, Trainer Hallescher FC)

"Es geht im neuen Spieljahr zunächst einmal nur darum, die Klasse zu halten." (Mario Kallnik, Vize-Präsident 1. FC Magdeburg)

"Wir wollen in die 2. Bundesliga aufsteigen. Das ist mein Anspruch, das ist der Anspruch der Verantwortlichen hier." (Kevin Pezzoni, Neuzugang SV Wehen-Wiesbaden)

"Wir wollen wie zehn oder zwölf andere Mannschaften oben mitspielen. Ich sehe uns aber keineswegs als Aufstiegsfavorit." (Karsten Heine, Trainer Chemnitzer FC)

"Es hat in den letzten drei Jahren immer ein Überraschungsteam gegeben. Daran glaube ich auch in dieser Saison." (Christian Preußer, Trainer Rot-Weiß Erfurt)

"Wir gehen mit dem Anspruch in die Saison, möglichst viele Spiele zu gewinnen und erfolgreichen Angriffsfußball zu spielen." (Maik Walpurgis, Trainer VfL Osnabrück)

Die weltfussball-Prognose:
Das Aufstiegsrennen wird genau so spannend, wie es im Vorfeld beschrieben und Querbeet von allen Trainern der Top-Vereine vorausgesagt wurde. Beste Chancen hat Dynamo Dresden, die Rückkehr in die zweite Bundesliga zu schaffen – und dieser Bürde wird die SGD auch gerecht. Den zweiten Aufstiegsplatz werden Wehen Wiesbaden, Holstein Kiel und die Stuttgarter Kickers ausspielen. Außenseiterchancen auf den zweiten oder dritten Tabellenplatz hat das Ost-Trio aus Erfurt, Chemnitz und Cottbus.

Unten wird es wohl ebenso hart zur Sache gehen. Am schwächsten sind die Bundesliga-Reserveteams vom FSV Mainz 05 und Werder Bremen einzuschätzen. Auch Aufsteiger Würzburger Kickers wird es sehr schwer haben. Eine enge Nummer wird es außerdem für Fortuna Köln werden, getreu der Fußballerweisheit: Das zweite Jahr ist immer das schwierigste.

Mehr dazu:
>> 3. Liga: Sprungbrett in die Bundesliga
>> 3. Liga: Ergebnisse und Tabellen

>> 3. Liga: Transfers

Mats-Yannick Roth