25.06.2016 10:50 Uhr

Elfmeterschießen: England zittert schon

Gareth Southgate verschoss 1996 im Halbfinale gegen Deutschland
Gareth Southgate verschoss 1996 im Halbfinale gegen Deutschland

Gareth Southgate machte immerhin noch das Beste aus seinem folgenschweren Fehlschuss. Wenige Monate, nachdem er im Halbfinale der EM 1996 gegen Deutschland den entscheidenden Elfmeter vergeben hatte, versilberte er sein persönliches Pech: als Hauptfigur in einem sicherlich nicht schlecht bezahlten Werbespot. Southgate trägt darin eine Papiertüte über dem Kopf, um nicht erkannt zu werden.

In dem Filmchen wird Southgate ständig gehänselt. Höhepunkt: Als er am Ende aufsteht und gegen einen Pfeiler läuft, feixen seine Sitznachbarn: "Uuuh, diesmal hat er den Pfosten getroffen." Die Spötter: Stuart Pierce und Chris Waddle - mit ihren Fehlschüssen selbst tragische Figuren im WM-Halbfinale gegen Deutschland 1990.

Alle drei beweisen damit: Wäre Selbstironie ein Erfolgsfaktor im Elfmeterschießen - England hätte sicherlich mehr Erfolg in der "Fußball-Lotterie".

Nur eins von sieben Elfmeterschießen bei großen Turnieren gewonnen

Auch vor dem EM-Achtelfinale gegen Island am Montag (21:00 Uhr) in Nizza geht die Angst um bei den Engländern. Die Angst vor der Fortsetzung eines nationalen Traumas. Siebenmal mussten englische Teams bei großen Turnieren im Elfmeterschießen ran, sechsmal verloren sie. Die Ausnahme: Das EM-Viertelfinale 1996 gegen Spanien.

Damals, am 22. Juni 1996, war Wayne Rooney gerade einmal zehn Jahre alt. Selbstverständlich wurde nach dem Achtelfinal-Einzug auch er, der aktuelle englische Kapitän, zum "Elfmeterfluch" befragt. "Wir sind zuversichtlich", sagte Rooney.

Eine Meinung, die in der Heimat nur wenige teilen. "Tränen, Achselzucken, Schrecken: Das englische Elfmeter-Tryptychon ist bald wieder zurück auf dem Platz. Habt Angst", schrieb die Times in ihrem "Shootout-Special". Und zählte dann alle verlorenen Elfmeterschießen mit den Namen der Fehlschützen auf. Der Schluss: "Die einzige Emotion ist Verzweiflung."

Studie beweist: Englische Spieler zeigen Fluchtreflexe beim Elfmeterschießen

Ein Befund, der sogar wissenschaftlich belegt ist. Vor einigen Jahren untersuchte ein Wissenschaftler aus Norwegen alle Elfmeterschießen bei Welt- und Europameisterschaften zwischen 1976 und 2006. Das Ergebnis: Englische Spieler lassen sich nach dem Pfiff des Schiedsrichters im Vergleich zu anderen Nationen weniger Zeit. Und: Die Engländer vermeiden den Augenkontakt mit dem gegnerischen Torhüter. Beides angeblich Anzeichen für einen Fluchtreflex. Und kein gutes Zeichen für Erfolg.

Auch diesmal fragt sich England: Was ist das Geheimnis eines verwandelten Elfmeters? "Keine Angst haben!", sagt beispielsweise der ehemalige englische Nationalstürmer Alan Shearer, der in drei Elfmeterschießen die Nerven behielt und in der Premier League 56-mal vom Punkt traf. Sein Erfolgsgeheimnis: "Ich habe jeden Tag Elfmeter geübt. Tue, was du gelernt hast, bleib dabei - und mache nichts anderes." Denn, so Shearer, der weitverbreitete Glaube, eine solche Drucksituation lasse sich nicht trainieren, sei falsch.

Elferspezi Le Tissier hat einen Trick

Das bestätigte auch Matt Le Tissier. Das Idol des FC Southampton, von den Fans "Le God" gerufen, verwandelte in seiner Karriere 47 von 48 Elfmetern. "Wenn ich ein paar Monate keinen Elfmeter hatte, habe ich im Training mit einem jungen Spieler um Geld gewettet, dass er ihn nicht hält. Damit ging ich sicher, dass wir beide konzentriert waren", erzählt der inzwischen 47-Jährige.

Natürlich wurde im Rummel um das Elfmeterschießen auch eine Anekdote des aktuellen Nationaltorhüters Joe Hart herausgekramt. Der trat als 18-Jähriger für seinen Heimatverein Shrewsbury Town im Carling-Cup gegen Sheffield United selbst als Schütze an - und verschoss. Sein Klub verlor mit 3:4.