03.07.2016 08:57 Uhr

Löw: Taktische Umstellung lange klar

Joachim Löw und sein Team wollen mehr
Joachim Löw und sein Team wollen mehr

Nach dem Drama vom Punkt folgte die Erleichterung - und der Blick nach vorne. Joachim Löw ist nach dem Einzug in das EM-Halbfinale voll des Lobes für sein Team und sprach im Interview über das wohl aufregendste Spiel des Turniers.

Haben Sie einen solchen Elfmeter-Krimi schon erlebt?

Joachim Löw: Es war ein dramatisches Spiel bis zum letzten Schuss. Ich habe so etwas schon das eine oder andere Mal miterlebt, etwa 2006 bei der WM in Deutschland gegen Argentinien. Es war ein Spiel, das taktisch auf einem unheimlich hohen Niveau war. Ich denke, dass wir feldüberlegen waren. Der Handelfmeter zum 1:1 war eine unglückliche Aktion. Ich hätte mir nicht vorstellen können, dass die Italiener aus dem Spiel heraus ein Tor gegen uns erzielen.

Sie haben das Elfmeterschießen recht ruhig und gelassen verfolgt. Direkt danach waren Sie verschwunden. Was ging in Ihnen vor?

Bei einem Elfmeterschießen kann man als Trainer nicht viel tun. Das ist gerade für die Spieler eine hohe Nervenbelastung. Nach dem Ende habe ich mich gefreut. Ich bin in die Kabine gegangen und wollte ein bisschen Ruhe. Es war ja 120 Minuten lang hektisch genug.

Wieviel Mut hat es Sie gekostet, in der Abwehr auf eine Dreierkette umzustellen? Und welche Rolle hat dabei das ebenfalls nach Umstellungen verlorene EM-Halbfinale 2012 gegen Italien gespielt?

Ich weiß, dass darüber damals diskutiert worden ist. Aber es war dringend notwendig, auch die Mannschaft ein bisschen zu verändern. Die Italiener sind etwas anderes als die Slowaken. Sie spielen mit zwei Mann auf den Seiten ganz hoch und mit zwei zentralen Stürmern. Vier gegen vier zu spielen, ist gegen sie gefährlich. Ihre Automatismen spielen sie super, aber sie sind leicht berechenbar. Deswegen mussten wir das Zentrum zumachen.

Also war es für Sie keine schwierige Entscheidung?

Für mich war das nach dem Spiel Italien gegen Spanien klar. Da war das mein erster Gedanke.

Wie ist die Auswahl der Elfmeterschießen verlaufen? Welchen Anteil hatten Sie daran, gerade auch nach den ersten fünf Schützen?

Da hatte ich keinen Einfluss mehr darauf. Da muss jeder Spieler, der am Mittelkreis steht, dann auch vor marschieren. Mesut Özil hat gleich gesagt, dass er schießt. Thomas Müller auch. Julian Draxler habe ich gefragt. Er hat gesagt, klar, er geht hin. Die Schützen eins, zwei, drei, vier und fünf waren schnell klar. Super war dann, dass gerade die Youngster Kimmich und Hector, die ihr erstes Turnier spielen, vor so einer Kulisse, auf so einer Bühne, die Nerven behalten haben.

Wie bewerten Sie die Leistung von Bastian Schweinsteiger, der ganz früh Khedira ersetzen musste und dem man 105 Spielminuten eigentlich gar nicht zutrauen konnte?

Wenn man schon nach 15 Minuten einen Wechsel machen muss, ist das nicht einfach. Khedira hatte Adduktorenprobleme und konnte nicht mehr sprinten. Ob es bei ihm reicht bis zum Halbfinale, weiß ich nicht. Bei Bastian Schweinsteiger war klar, dass man ihn im Laufe des Turniers braucht und es solche Situationen geben würde. Dass sich bei solchen Schlachten manchmal Spieler verletzen, ist nicht ungewöhnlich. Bastian hat sich sehr gut ins Spiel hineingearbeitet. Es war nicht leicht, so eine lange Zeit zu spielen. Es war sein erstes Spiel über so eine große Distanz. Es war schon wichtig, dass ein so erfahrener Spieler auf dem Platz stand.

War die Dreierkette bei Ihnen schon vor dem Turnier im Kopf für die K.o.-Runden? Und ist sie jetzt die Option für die weiteren engen Spiele?

Es war schon nach der WM vor zwei Jahren klar, dass wir unser Spiel erweitern müssen, dass wir nicht immer gleich spielen können. Die Dreierkette hatten wir ein bisschen trainiert in der Vorbereitung und während des Turniers. Wir hatten sie auch einige Male gespielt, etwa im März gegen Italien. Von daher war es keine große Umstellung für die Mannschaft. Ob es eine weitere Option sein wird, muss man sehen. Frankreich ist ein anderer Gegner. Ich muss mal sehen, wie wir Frankreich jetzt bespielen.

Oder Island?

Ja - oder Island.

Würden Sie nach einer solchen Nervenschlacht sagen, dass das schon ein Meisterstück war? Oder ist es für eine deutsche Mannschaft als Weltmeister noch nicht genug?

Wenn man im Halbfinale steht, heißt das Ziel, auch das Finale zu erreichen. Wir müssen jetzt schauen, dass unsere Spieler gut regenerieren. Das Spiel steckt in den Körpern. Jetzt wollen wir natürlich auch mehr. Wir haben Italien am Ende ein bisschen glücklich niedergerungen, aber wir waren die überlegene Mannschaft. Wir hätten den Sack zumachen können, als Mario Gomez alleine vor Buffon war. Aber der Torwart hat auch glänzend gehalten. Das wäre die Entscheidung gewesen. Was die Mannschaft kämpferisch geleistet hat, war wirklich großartig.