06.07.2016 11:49 Uhr

Die Partycrasher in Weiß und Schwarz

Ein unzufriedener brasilianischer Fan nach dem 1:7 im WM-Halbfinale 2014 gegen Deutschland
Ein unzufriedener brasilianischer Fan nach dem 1:7 im WM-Halbfinale 2014 gegen Deutschland

Ganz Frankreich träumt in diesen Tagen vom Gewinn des Europameistertitels im eigenen Land. Doch daraus wird wohl nichts – denn die Franzosen haben sich die falschen Gäste eingeladen.

"If you want to have a great party – don't invite the Germans": Diese Aussage Alan Shearers sollte den Franzosen Warnung genug sein. Englands Toptorjäger der 1990er Jahre tätigte sie direkt nach der Niederlage der "Three Lions" im Halbfinale der Europameisterschaft 1996 gegen Deutschland. Nicht zum ersten Mal war die deutsche Elf in die Rolle des Partycrashers geschlüpft - wie eine Horde ungebetener Gäste, die sich kurz vor dem Höhepunkt der Sause am Gastgeber vorbeidrängt, sich der Musik sowie der Theke bemächtigt und die Kontrolle über die Party übernimmt.

Bei Welt- und Europameisterschaften nimmt die deutsche Nationalmannschaft diese Rolle mit allergrößtem Vergnügen ein. Schon sechs Mal setzte "die Mannschaft" bei großen Turnieren den Hoffnungen der Gastgeber im Halbfinale ein Ende. Die Bilanz der profiliertesten Spielverderber der Fußballgeschichte sollte der "Equipe Tricolore" ein warnendes Beispiel sein:

WM 2014 in Brasilien (Brasilien – Deutschland 1:7):
Der vorerst letzte Auftritt der Partycrasher im Adlertrikot war der spektakulärste: Mit sieben Toren stürzten Toni Kroos & Co. das Land am Zuckerhut in eine tiefe Depression. Das 7:1 ist der höchste Sieg aller Zeiten im Halbfinale einer Weltmeisterschaft.

WM 2002 in Japan/Südkorea (Deutschland – Südkorea 1:0):
Mit Siegen über Italien und Spanien hatte sich der Co-Gastgeber Südkorea sensationell bis in die Vorschlussrunde vorgekämpft. Den großen Traum vom Finale zerstörte Michael Ballack mit seinem Tor zum 1:0-Endstand eine Viertelstunde vor dem Abpfiff.

EM 1996 in England (Deutschland – England 6:5 i.E.):
Das Halbfinale Deutschland gegen England im altehrwürdigen Wembley-Stadion war an Spannung nicht zu überbieten. In der Verlängerung wird den Deutschen ein Tor von Stefan Kuntz zu Unrecht aberkannt, während Sekunden später Paul Gascoigne den Ball und damit das leere Tor um Millimeter verpasst. Im vielleicht hochklassigsten Elfmeterschießen aller Zeiten bleibt Gareth Southgate die Rolle des entscheidenden Fehlschützen.

EM 1992 in Schweden (Deutschland – Schweden 3:2):
In der Gruppenphase hatte das Team von Franz Beckenbauer nicht überzeugen können, gegen den Gastgeber führte die beste Turnierleistung aber zu einem verdienten 3:2-Erfolg. Thomas Häßler und Karl-Heinz Riedle hatten das DFB-Team mit 2:0 in Führung gebracht, bevor Tomas Brolin per Elfmeter die Schweden wieder in Schlagdistanz brachte. Erneut Riedle und Kennet Andersson sorgten in den Schlussminuten für das Endergebnis.

EM 1976 in Jugoslawien (Deuschland – Jugoslawien 4:2 n.V.):
Der amtierende Weltmeister tat sich gegen die Außenseiter vom Balkan lange Zeit äußerst schwer. Bis zur 65. Minute führten die Gastgeber durch Tore von Danilo Popivoda und Dragan Džajić mit 2:0, bevor Heinz Flohe und Dieter Müller Deutschland in die Verlängerung retteten. Dort machte wiederum Dieter Müller mit zwei späten Toren den Finaleinzug klar.

EM 1972 in Belgien (Belgien – Deutschland 1:2):
Auf dem Weg zum ersten EM-Titel legte die DFB-Elf den Grundstein für seinen Ruf als Gastgeber-Schreck. In Antwerpen sorgten zwei Tore von Gerd Müller für den Finaleinzug der vielleicht besten deutschen Nationalmannschaft aller Zeiten. Für die Belgier reichte es kurz vor Schluss nur noch für den Anschlusstreffer durch Odilon Polleunis.

Es soll an dieser Stelle jedoch nicht verschwiegen werden, dass es in weiter Vergangenheit auch einen fehlgeschlagenen Versuch gegeben hat, die Party des Gastgeberlandes zu entern: 1958 scheiterte die Herberger-Elf im Halbfinale der WM mit 1:3 am schwedischen Heimteam. Nur wenige Tage später gab es übrigens im Spiel um Platz drei mit 3:6 die bislang letzte und einzige Niederlage gegen Frankreich in einem großen Turnier.

Ralf Amshove