09.10.2017 07:55 Uhr

Der Abschied des Marcel Koller

Lächeln verboten! ÖFB-Begleitschutz in der Republik Moldau
Lächeln verboten! ÖFB-Begleitschutz in der Republik Moldau

Ein Montagabend (ab 20:45 Uhr im weltfussball-Liveticker) in Chișinău bei einem bedeutungslosen WM-Qualifikationsspiel gegen die Republik Moldau. Es gibt größere Bühnen für den Abschied, aber ÖFB-Teamchef Marcel Koller betätigte sich bis zum bitteren Ende als Vollprofi.

Es wird das letzte Bewerbsspiel für Österreichs Fußball-Nationalteam für längere Zeit. Bis zum Start der UEFA Nations League im kommenden Herbst wird fast ein Jahr vergehen. Die Weltmeisterschaft 2018 in Russland wurde zudem deutlich verpasst. Das Warten auf die globale ballesterische Erlösung geht weiter. Seit dem FIFA World Cup 1998 in Frankreich sind die besten rot-weiß-roten Kicker bei den WM-Endrunden nur TV-Zuschauer.

Neuer ÖFB-Negativrekord

Nach 2002 (Südkorea/Japan), 2006 (Deutschland), 2010 (Südafrika), 2014 (Brasilien) nun auch 2018 lediglich daheim auf der Couch oder im Urlaubs-Domizil ein passiver WM-Konsument. Heimlich, still und leise hat der ÖFB damit seinen eigenen Negativrekord übertroffen.

Die Weltmeisterschaft 1958 in Schweden war der letzte österreichische Auftritt bis zur legendären WM 1978 in Argentinien mit dem sensationellen Gruppensieg gegen Spanien, Brasilien und Schweden sowie dem im heimischen Sportgedächtnis fix verankerten 3:2-Erfolg gegen Titelverteidiger Deutschland.

20 Jahre in der Zuseher-Rolle, die schmerzten, die aktuelle Serie wird mindestens 24 Jahre dauern. Aber dazu muss erst einmal die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2022 in Katar gelingen.

Wenn der Teamchef auf den Tisch haut

Auch Marcel Koller verpasste mit Österreich gleich zwei WM-Qualifikationen. Das aktuelle Scheitern in einer Gruppe mit wirklich nicht übermächtigen Gegnern wurde dem Schweizer zum Verhängnis. In Chișinău sitzt er am Montag zum letzten Mal bei einem Bewerbsspiel als ÖFB-Teamchef auf der Bank. Als er am Sonntag zur Abschluss-Pressekonferenz in der frostigen Tennishalle des Stadionul Zimbru erschien, zog er den Zipp seine Traingsjacke bis oben hoch.

Es fröstelte den Mann, der die rot-weiß-rote Auswahl im Triumphzug zur EM 2016 (eine historische Qualifikation, die sportlich nie zuvor gelungen war) geführt hatte. Wenig später haute er scherzhaft auf den Tisch, um das Zeichen zum Start der TV-Live-Übertragung zu geben.

Verbal hatte er dies bereits zuvor in Schwechat in der Abflughalle getan. Den Vorwurf ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner sei zu nah an der Nationalmannschaft gewesen, bezeichnete Koller als "absoluten Schwachsinn". Eine Wortwahl, die man nie zuvor in den sechs Jahren seiner Tätigkeit in Österreich von ihm gehört hatte.

Teamkapitän Baumgartlinger: "Umbruch steht im Raum"

Schon im November beim geplanten Länderspiel gegen Uruguay in Wien soll ein neuer Teamchef auf der Bank sitzen. Neo-ÖFB-Sportchef Peter Schöttel startet am Dienstag offiziell in seine neue Aufgabe. Eine Liste mit zehn Namen soll er vorlegen, die später zu einer "short list" vor der angestrebten Entscheidungsfindung Ende Oktober wird.

ÖFB-Teamkapitän Julian Baumgartlinger rechnet gegenüber weltfussball mit vielen Änderungen durch den neuen Teamchef. "Ein Umbruch steht definitiv im Raum. Es wird eine gewisse Zeit dauern, wieder so eine Einheit zu formen, aber die Zeit dafür haben wir."

Der Anführer freut sich darauf endlich wieder ohne Fragezeichen im Kopf Fußball spielen zu können. Er ist damit längst nicht der einzige Teamspieler.

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Christian Tragschitz, weltfussball.at aus Chișinău