07.06.2017 12:06 Uhr

Die ÖFB-Rückkehr zur Sympathie

Die Fans stehen immer noch auf und hinter dem Nationalteam
Die Fans stehen immer noch auf und hinter dem Nationalteam

Beim österreichischen Nationalteam ist vor dem Schlüsselspiel in der WM-Qualifikation am Sonntag (ab 18:00 Uhr im weltfussball-Liveticker) in Irland vieles anders als in den Monaten zuvor: Eine Rückkehr zur Sympathie und Bodenhaftung dominiert das Geschehen.

Beim weltfussball-Lokalaugenschein am Pfingstmontag in Stegersbach werden bereits die letzten Vorbereitungen für die Übersiedlung vom Südburgenland nach Wien getroffen. Martin Harnik koordiniert telefonisch von der Terrasse seines Hotelzimmers aus die Besuche der Verwandschaft aus der Steiermark, Florian Klein, Kevin Danso und Guido Burgstaller machen sich bereit für den ÖFB-Medientermin. Die restlichen Kaderspieler warten auf das Mittagessen im Balance Resort am Panoramaweg 1.

"Braucht's noch etwas?" ÖFB-Pressechefin Iris Stöckelmayer stellt eine Frage, die bezeichnend ist. Für die neue Arbeitsweise beim österreichischen Fußballbund. Vorgänger Wolfgang Gramann hatte längst jeglichen Draht zu den Journalisten verloren. Das abgehobene Auftreten des ehemaligen Mediendirektors war beispielhaft für das Abschneiden des Nationalteams vor und bei der völlig verpatzten Europameisterschaft 2016 in Frankreich.

Vielleicht gibt es ja auch einen Grund, warum Gramann einst die kürzeste Karriere aller Zeiten bei RB Salzburg hinlegte, mit der Bewerbung Österreichs für die U21-EM scheiterte und selbst bei seinem Schwager Andreas Herzog lange Zeit gern gesehen war, wie ein stundenlanger Aufenthalt im Verkehrsstau auf der Südosttangente. Was der PR-Boss an Verlust der Bodenständigkeit vorlebte, dass nahmen manche Teamspieler nur zu gern an und lebten es rund um France 2016 perfekt nach.

Miami Yacine hat sich mit "Kokaina" musikalisch verewigt: "An alle meine Brüder hinter Gitterstäben, meinen Aufstieg können sie nicht miterleben, fünf Goldketten um den Hals à la Mr. T (Mr., Mr.), fick deine Sympathie!" - der Text klingt nach einer Realitäts-Beschreibung dessen, was sich vor der EM-Endrunde in manchen Wiener Hotelzimmern abgespielt hat. Vielleicht weiß man dort auch, ob David Alaba inzwischen wieder im Besitz seiner Lieblingskette ist.

Positive Einstellung ist zurück

Der Superstar, der sich selbst zu wichtig nahm, und mit Österreich in Bordeaux schon beim Auftaktspiel gegen Ungarn auf die Nase fiel. Der Abwehrchef und "buddy", der Gelb-Rot sah und im letzten Spiel gegen Island einen Elfmeter vergab. Der Krach der "Alaba-Partie" mit Ex-Teamkapitän Christian Fuchs. Vergangenheit.

Teamchef Marcel Koller bemerkte (zu) spät den Realitätsverlust im Umkreis der rot-weiß-roten Auswahl. Inzwischen hat auch der Schweizer daraus gelernt. Stellt seine Schützlinge öffentlich verbal an den Pranger, schenkt ihnen dafür freie Tage und sperrt sie nicht mehr tagelang wie Minderjährige in einem Pensionisten- und Golfer-Paradies ein. Zuckerbrot und Peitsche. In der Schweiz ticken die Uhren eben anders.

Die neue harte Hand vom Chefcoach hat ihre Wirkung nicht verfehlt. "Der Papa kann ja auch schimpfen!" Plötzlich merken die Teamspieler, wie es aussieht wenn ihr Trainer in Rage gerät. Dann ist "Schluss mit lustig". Das "Ende der Wohfühloase" ist eine neue Chance. Alaba stellt sich selbst im zentralen Mittelfeld auf! Geschichte. Schon beim 2:0-Heimsieg gegen Moldau ging es ab auf den linken Flügel, wo er auch hingehört. Marc Janko nicht mehr in der Lage zu sprinten. Ab auf die Ersatzbank.

Plötzlich wurde der Ernst der Lage erkannt. Eine verhaute EM und zwei Niederlagen in der WM-Qualifikation gegen Serbien und Irland zu spät. Aber vielleicht rechtzeitig für eine erfolgreiche Zukunft. Ob mit oder ohne Teamchef Koller weiß man am Sonntag nach Abpfiff in Dublin.

Mehr dazu:
>> Windtner: Irland-Spiel "kein Gottesurteil"

Christian Tragschitz, weltfussball.at aus Stegersbach