18.04.2019 07:50 Uhr

Baumgartner: "Ich gehe strategisch vor"

Gerald Baumgartner zeigt die Richtung an, in die es gehen soll
Gerald Baumgartner zeigt die Richtung an, in die es gehen soll

Mit sechs Punkten Rückstand auf Winterkönig WSG Wattens übernahm Gerald Baumgartner die SV Ried zum Jahreswechsel, nun sind die Innviertler mit einem Zähler Vorsprung selbst Leader in der 2. Liga und peilen den Aufstieg in die Bundesliga an. Fünf Siege, zwei Unentschieden. Torverhältnis von 20:3. "Mehr als Erster können wir im Moment nicht sein", lachte der Trainer im Interview mit Weltfussball.

Außerdem verriet er, wie er Ruhe in den bis vor kurzem noch chaotischen Verein brachte, woran man noch arbeiten muss, über seine persönliche Vergangenheit bei Mattersburg - und warum ihn seine Zeit bei der Austria noch immer wurmt. 

Die SV Ried ist plötzlich auf einer Erfolgswelle. Es wirkt es so, als ob der Klub jetzt an einem Strang zieht. Wo haben sie die Hebel angesetzt?

Ab dem ersten Zeitpunkt hatten wir eine Zielvorgabe. Die Spieler, die Trainer, jeder einzelne im Verein. Ich habe versucht, wieder eine Hierarchie zu erstellen. Ein Thomas Reifeltshammer, der schon am Abstellgleis war oder ein Marcel Ziegl. Diese Urgesteine habe ich eingebunden. Auch taktisch haben wir einiges geändert. Wir sind im Offensivspiel flexibler geworden. Wir können als Ried niemals Red Bull 2 sein. Wenn jemand von Red Bull zum Verein kommt, dann versucht er natürlich, das so umzusetzen. Aber zum modernen Fußball gehört natürlich schnelles Umschaltspiel, das haben wir beibehalten und gegen den Ball wollen wir arbeiten. Aber unser Offensivspiel wollten wir anders lösen. Das gelingt uns im Moment gut.

Ein Spieler wie Ante Bajić ist mit fünf Toren aus den letzten vier Spielen auf einmal explodiert, den hatte man vorher nicht auf der Rechnung.

Auch Marco Grüll. Das sind optimale Jungs, sie haben Tempo, sind talentiert. Bei ihnen muss man nur ein paar kleinere Weichen stellen. Dadurch können sie entsprechend performen. Die Mannschaft muss einfach bestmöglich vorbereitet werden. In dieser Liga ist es ein Unterschied, ob man gegen die spielerisch sehr guten Young Violets antritt, oder gegen den FAC, der fast mit Double-Five, also zwei Fünferketten, agiert. Das sind schwierige Aufgaben. Die muss man geduldig so lange bespielen, bis wir sie knacken können. Jetzt müssen wir fokussiert bleiben.

Sie sind im Winter zu einem Verein gekommen, der in den letzten Jahren unter den Möglichkeiten geblieben ist und teilweise chaotisch gewirkt hat. Haben sie da nur durch Siege nun Ruhe reingebracht?

Nein, nicht durch Siege. Ich gehe die Dinge strategisch an. Wir schauen, dass wir die Dinge nicht nur besprechen, sondern auch umsetzen. Wir sind beispielsweise auch auf die Presse und Fans zugegangen. Da war Gerhard Schweitzer ein wichtiger Partner, den hatte ich von Anfang an im Boot. Wir haben versucht, uns zu öffnen. Der Plan A von uns funktioniert im Moment. Aber wir dürfen uns von der Momentaufnahme auch nicht blenden lassen.

Was sind in Ried jetzt noch die größten Herausforderungen?

Dass wir die Nerven bewahren. Vor dem Auswärtssieg in Wattens ist das Team unter enormem Druck gestanden. Wie sie damit umgegangen sind, das war reif für die Champions League. Wir müssen einfach weiter so fokussiert bleiben. Es wäre für unseren Verein und für die Bundesliga gut, wenn wir aufsteigen könnten.

Ihre persönliche Situation ist nun auch nicht ganz unähnlich zu der in Mattersburg, wo sie vor zwei Jahren gelandet sind. Auch damals haben sie einen angeschlagenen Verein binnen kürzester Zeit auf Vordermann gebracht.

Da gibt es natürlich Parallelen. Wir sind damals die zweitbeste Frühjahrsmannschaft geworden. Auch weil wir zwei Spieler dazubekommen haben, die vom Publikum sehr gut aufgenommen wurden. Das eine war der Major (Stefan Maierhofer, Anm.), der andere war der David Atanga. Thorsten Röcher und Markus Pink haben wir auf Kurs gebracht. Auch in der Saison drauf haben wir uns gut geschlagen, unter anderem sind wir im Cup-Halbfinale erst im Elfmeterschießen an Salzburg gescheitert. Im Sommer mussten wir dann gute Spieler abgeben. Dann war es schwierig, das gleiche Niveau zu halten.

Kam der Abgang für sie überraschend?

Nein, das fühlt man schon. Wenn man bei der wichtigsten Person im Verein keine Termine mehr bekommt, obwohl es mitten in der Transferzeit war, dann merkt man, dass der Wurm drinnen ist. Die Spieler, die jetzt die Tore schießen, habe ich zum Verein geholt. Zwei Stürmer sind dann noch dazugekommen. Unter anderem Martin Pušić. Das hätte man bei mir ja auch machen können. Aber ich bin niemandem böse. Jede Station bringt mich selbst ja auch weiter.

Sie haben das Image als Feuerwehrmann. Ärgert sie das, dass sie nicht langfristig arbeiten konnten, weil der Verein vielleicht die Nerven verlor?

Der Klub hätte den nächsten Schritt machen und in die Offensive investieren müssen. Ich sehe mich aber auch nicht als Feuerwehrmann. Es ärgert mich aber noch immer, dass ich die Austria nicht geschafft habe. Wir hatten kurzfristig Omer Damari, der in einem Halbjahr acht Tore geschossen hat. Im Winter wurde er um viel Geld verkauft, das versteh ich auch. Danach hatten wir keinen Torgaranten mehr, so einen muss ein Verein aber immer haben, sonst wird es schwierig. Viele Spieler wollten nach dem Meistertitel und der Champions League auch ins Ausland. Das machte die Situation nicht leichter. Aber es ärgert mich deswegen, weil ich sonst bei jedem anderen Team Erfolg hatte. Aber es war für mich dennoch eine tolle Zeit. Unter mir haben wir in drei Derbys sieben Punkte geholt und wir haben in Salzburg gewonnen.

Johannes Sturm