20.03.2025 09:51 Uhr

Wie Italien den EM-Frust abgelegt hat

Luciano Spalletti (M.) bereitet seine Italiener auf die Duelle gegen Deutschland vor
Luciano Spalletti (M.) bereitet seine Italiener auf die Duelle gegen Deutschland vor

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft trifft im Viertelfinale der Nations League auf Italien. Im Hinspiel am Donnerstag sowie im Rückspiel am Sonntag (ab 20:15 Uhr live bei RTL) geht es unter anderem um einen Platz im Finalturnier im Juni. sport.de schaut vorab beim langjährigen deutschen Angstgegner genau hin: Welche Stars sind dabei? Wer stellt die größte Gefahr dar? Und wie gut ist Italien drauf? 

  • Italien-Aufgebot: Spalletti gönnt sich Luxus

Während Bundestrainer Julian Nagelsmann mit reichlich Personalsorgen im Gepäck nach Mailand zum Viertelfinal-Hinspiel in der Nations League am Donnerstag (ab 20:45 Uhr im Live-Ticker auf sport.de) reist, kann sein Gegenüber Luciano Spalletti auf italienischer Seite beinahe aus dem Vollen schöpfen.

Fehlen der DFB-Auswahl potenzielle Stammspieler wie Marc-André ter Stegen, Florian Wirtz oder Kai Havertz, um nur einige zu nennen, müssen die Italiener aus dem Kreis ihrer arrivierten Kräfte lediglich auf Inter Mailands Abwehrstar Federico Dimarco (Oberschenkelverletzung) verzichten.

Der Commissario Tecnico gönnte sich sogar den Luxus, für die Kracher gegen die "Teutonen" 25 statt der letztlich einsetzbaren 23 Spieler zu nominieren. Neapels Meister-Trainer von 2023 setzt auf Kaderbreite, um sich zusätzliche Optionen zu verschaffen. Zugleich sorgte er für die ein oder andere Überraschung.

Da wäre vor allem die Berufung von Matteo Politano von der SSC Neapel. Die formstarken Himmelblauen stellen mit fünf Nominierten ohnehin den größten Block in der Squadra Azzurra.

Der Angreifer, 31 Jahre alt, zwölf Länderspiele (drei Tore), stand zuletzt im November 2023 für sein Land auf dem Rasen.

Wirklich herausstehen kann der Rechtsaußen in Neapel in dieser Saison zwar nicht (2 Tore in 28 Spielen). Da er den Flügel aber gerne in Richtung Zentrum verlässt, passt er aber gut zum neuen 3-5-2-System von Spalletti, das seit dem frühen EM-Aus im Sommer praktiziert wird.

Zudem wirft der Coach erstmals den 22 Jahre alten Matteo Ruggeri (Atalanta Bergamo) ins kalte Wasser, wohl auch als Reaktion auf den Ausfall von Dimarco. Gleiches gilt für Cesare Casadei, einst als Teenager von Inter zum FC Chelsea gewechselt und seit diesem Winter in Diensten des FC Turin.

Dass derweil Daniel Maldini, Sohn von Milan-Legende Paolo, im Team bleiben darf, wurde nach der offiziellen Bekanntgabe von den Tifosi im Netz kontrovers diskutiert.

Nicht mit dabei ist etwa Ricardo Orsolini vom FC Bologna (14 Torbeteiligungen in der Saison 2024/25). Ähnlich wie Nagelsmann geht es Spalletti aber wohl auch darum, ein festes Gerüst zu etablieren.

Auch die formstarken Davide Zappacosta, Raoul Bellanova (beide Atalanta) und Gianluca Mancini (AS Rom) stehen überraschend nicht im Kader. Dass Sechser Manuel Locatelli angesichts der schweren Juventus-Krise keine Berufung erhielt, scheint derweil nachvollziehbar.

  • Das sind die größten Stars bei Italien

Einen alles überragenden Spieler, einen Weltfußballer-Kandidaten, haben die Italiener nicht in ihren Reihen. Gleichwohl sind die Azzurri in jedem Mannschaftsteil topbesetzt.

Das Tor wird von Gianluigi Donnarumma gehütet. In jungen Jahren ablösefrei von Milan zu PSG gewechselt, hat der inzwischen 70-fache Nationalspieler in seiner Heimat einen schweren Stand.

Ihm wird noch heute von den AC-Anhängern vorgeworfen, nur wegen des Geldes nach Paris gezogen zu sein. Vor einem Jahr bewarfen Fans den als "Dollarumma" verunglimpften Torwart sogar mit Spielgeld - nun kehrt er erneut nach Mailand zurück. Und zwar in Top-Form.

Dass PSG jüngst im Champions-League-Achtelfinale den FC Liverpool nach Elfmeterschießen rausgekegelt hat, lag nämlich vor allem an Donnarumma.


Das Viertelfinal-Rückspiel zwischen Deutschland und Italien (23.03.) überträgt RTL am Super-Sonntag ab 20:15 Uhr. Am Morgen zeigt RTL zunächst den Großen Preis der Formel 1 von China (8:00 Uhr) live ab 7:00 Uhr im Free-TV. 


In der Innenverteidigung führt derweil kein Weg an Alessandro Bastoni von Inter Mailand vorbei. Der 25-Jährige (33 Länderspiele) ist sowohl im Klub als auch unter Spalletti gesetzt.

Im Länderspieljahr 2024 stand er in zwölf von 14 Partien über 90 Minuten auf dem Platz, nur in zwei Freundschaftsspielen wurde er geschont.

Wichtigster Eckpfeiler für Spalletti im Dreieraufbau ist aber ein anderer: Giovanni Di Lorenzo, mit dem er schon in Neapel erfolgreich zusammengearbeitet hat.

Im Klub eigentlich Dauerbrenner und -läufer auf der rechten Seite, agiert er in der Squadra Azzurra seit Sommer als rechter Part in der Innenverteidigung.

Es ist auch Di Lorenzos Spielintelligenz zu verdanken, dass der Wechsel vom 4-3-3 zum 3-5-2 gelungen ist. Auf dem Platz gilt der 31-jährige Routinier als verlängerter Arm des Trainers. Den vermeintlichen Größennachteil macht der nur 1,83 Meter große Profi in der Innenverteidigung mit seiner Schnelligkeit und Ballsicherheit wett.

Dreh- und Angelpunkt weiter vorne ist Nicolò Barella von Inter, der ebenfalls eine besondere Rolle einnimmt.

Der 28-Jährige ist eigentlich ein klassischer Achter, der sich durchaus nicht für Defensiv-Arbeiten zu schade ist. Unter Spalletti rückte der ballsichere Akteur aber nicht selten mit nach vorne, um den in Italien beliebten Trequartista, also offensiven Spielmacher, zu geben und mit ins Angriffszentrum vorzustoßen.

Dort sollte eigentlich Serie-A-Toptorschütze Mateo Retegui den Vorzug gegenüber Florenz-Stürmer Moise Kean und Udines großgewachsenem Angreifer Lorenzo Lucca bekommen. Der Stürmer verpasst die Spiele gegen Deutschland aber wegen einer Oberschenkelblessur.

Gut möglich ist aber auch, dass Barella gegen die offensivstarke DFB-Auswahl neben Sandro Tonali auf der Sechs agiert und ein Offensivspieler wie Giacomo Raspadori die Trequartista-Rolle übernimmt. 

  • Wie gut ist Italien drauf?

In den vergangenen Jahren haben die Italiener wahre Achterbahnfahrten durchlebt. Nach dem EM-Coup von 2021 folgte sogleich die große Katastrophe, als man die WM 2022 in Katar und somit die zweite globale Endrunde in Folge verpasste.

2023 gelang mit Ach und Krach die Qualifikation für die EM in Deutschland, wo schon im Achtelfinale gegen die Schweiz Endstation war. Der Frust hinterher war groß.

In der Nations League schaffte es Italien bereits in den vergangenen zwei Ausgaben ins Final Four, wo jeweils gegen Spanien Schluss war. Nun winkt immerhin der Hattrick.

Wo genau das Team steht, weiß man in seiner Heimat selbst nicht so genau. "Ist das wahre Italien wieder da? Deutschland wird es zeigen", titelte die "Gazzetta dello Sport".

Seit der EM kassierte die Spalletti-Elf nur eine Niederlage, und zwar im letzten Nations-League-Duell gegen Frankreich (1:3). Das Hinspiel hatten die Italiener noch mit 3:1 für sich entschieden.

Gegen Belgien war die Bilanz mit einem Remis (2:2) und einem Sieg (1:0) positiv, gegen Underdog Israel sprangen zwei Siege heraus (2:1, 4:1).

Phasenweise spielten die Blauen mutig und erfrischend, wenngleich noch nicht den "offenen, freien, totalen Fußball", den sich Spalletti eigentlich wünscht.