20.04.2017 12:42 Uhr

Weinzierl hat Vertrauensvorschuss aufgebraucht

Markus Weinzierl muss in den nächsten Wochen liefern
Markus Weinzierl muss in den nächsten Wochen liefern

Markus Weinzierl hat als Trainer von Schalke 04 die schlechteste Bundesliga-Bilanz seit 1993. Dennoch schlug ihm lange Zeit weit weniger Kritik entgegen als seinen deutlich erfolgreicheren Vorgängern.

Nein, sagte Markus Weinzierl, Benedikt Höwedes habe ihm persönlich nichts dazu gesagt. Vehement wehrte sich der Trainer von Schalke 04 gegen den Eindruck seines Kapitäns, beim 0:2-Desaster bei Ajax Amsterdam vor einer Woche habe die Körpersprache schon vor dem Anpfiff nicht gestimmt. "Die Mannschaft brennt auf dieses Spiel", betonte der 42-Jährige vor dem Viertelfinal-Rückspiel in der Europa League. Die Aussage des Weltmeisters ist gefährlich für Weinzierl: Sie impliziert, dass der Coach sein Team für eines der wichtigsten Spiele der Saison nicht richtig einzustellen vermochte.

Seit zehn Monaten ist der Niederbayer Trainer bei den Königsblauen, die Ergebnisse sind vor allem in der Bundesliga bescheiden, seine Spielidee ist nur phasenweise zu erkennen, die Saison gleicht einer Achterbahnfahrt, beständig ist nur die Unbeständigkeit. Als Tabellenelfter hinkt Weinzierl mit seinem Team den Ansprüchen weit hinterher, mit 1,28 Punkten pro Spiel hat er die schlechteste Bundesliga-Bilanz aller Schalker Cheftrainer seit 1993 - und dennoch blieb es lange erstaunlich ruhig um ihn.

Keller, Di Matteo, Breitenreiter - allesamt gescheitert

Seine Vorgänger hatten trotz deutlich besserer Ausbeute viel schärferen Gegenwind. Jens Keller führte die Gelsenkirchener 2013 und 2014 in die Champions League, gab zahlreichen Talenten viel Spielpraxis und wurde dennoch fast durchgängig kritisiert - auch vereinsintern, der damalige Sportvorstand Horst Heldt verhandelte mehrmals mit potenziellen Nachfolgern. Roberto Di Matteo und André Breitenreiter erreichten immerhin in den beiden nächsten Jahren noch die Europa League, wurden aber wegen unansehnlichen Fußballs und fehlender Weiterentwicklung der Mannschaft nach ihrer jeweils ersten Saison vom Hof gejagt.

Weinzierl legte mit fünf Auftaktpleiten den schlechtesten Bundesliga-Start in der Vereinsgeschichte hin, dennoch blieb es ruhig. Auch als nach einem Zwischenhoch im Herbst vor und nach der Winterpause neue Tiefpunkte folgten, stand der Trainer nicht zur Debatte. Der neue Sportvorstand Christian Heidel, der seinen Wunschkandidaten für eine Rekord-Ablösesumme vom FC Augsburg verpflichtet hatte, hielt ihm den Rücken frei.

Schonzeit nach Darmstadt-Pleite vorbei

Auch die Erfolge in den Pokalwettbewerben - mit dem Einzug ins Viertelfinale in der Europa League und im DFB-Pokal - bewahrten ihn vor allzu scharfer Kritik. Und weil die Konkurrenz im Schneckenrennen um die Europacupplätze regelmäßig patzte, schien auch in der Bundesliga lange ein Happy End möglich.

Seit dem erschreckend schwachen Auftritt in Amsterdam und der 1:2-Blamage beim Tabellenletzten Darmstadt 98 ist die Schonzeit aber vorbei. Die Kritiker melden sich lauter zu Wort, die Fragen werden unangenehmer. Vor allem die, ob Weinzierl seine Spieler überhaupt erreiche, wirft er immer wieder selbst auf. "Wir müssen das, was wir besprechen, besser umsetzen", sagte er vor dem Rückspiel gegen Ajax - nicht zum ersten Mal. Das Eingeständnis, dass sein Team nicht auf den Platz bringe, was er vorgebe, zieht sich wie ein roter Faden durch die Saison.

Wie er Jungnationalspieler Max Meyer öffentlich kritisierte, oder wie er Torjäger Klaas-Jan Huntelaar wochenlang links liegen ließ, stieß auf Unverständnis. Huntelaars Aussage, er wolle sich nicht "in die Mannschaft schleimen", sprach Bände. Nach dem Desaster in Amsterdam brach auch Klubboss Clemens Tönnies sein Schweigen und forderte "eine klare Struktur und Entwicklung". Allmählich wird es ungemütlich für Weinzierl.