12.04.2024 13:12 Uhr

Kriselnder Bayer-Star wird zum unerwarteten Euro-Helden

Jonas Hofmann bejubelt seinen Treffer gegen West Ham
Jonas Hofmann bejubelt seinen Treffer gegen West Ham

Bayer Leverkusen rennt im Viertelfinal-Hinspiel der Europa League lange gegen ein extrem defensives West Ham United an. Dann beweist Trainer Xabi Alonso wieder einmal die perfekte Hand und schickt mit Jonas Hofmann den späteren Matchwinner ins Spiel. Der zuletzt formkriselnde Mittelfeldspieler hofft, dass für ihn endlich wieder der Knoten geplatzt ist.

Leverkusens Wundertrainer Xabi Alonso packte sich Jonas Hofmann, redete auf ihn ein, umarmte ihn.

Es läuft die 76. Minute im Europa-League-Viertelfinale zwischen Bayer Leverkusen und West Ham United. Die Werkself ist die deutlich bessere Mannschaft, allein die Tore fehlen noch. Hofmann kommt für Amine Adli in die Partie, an seiner Seite geht auch der wiedergenesene Angreifer Victor Boniface ins Rennen.

Die ersten beiden Szenen laufen noch unglücklich. Erst spielt Hofmann einen einfachen Fehlpass ins Seitenaus, dann verpasste er den steilen Pass von Boniface kurz vor dem herausstürmenden West-Ham-Keeper Lukasz Fabianski.

Hofmann kommt, trifft und legt auf

Doch dann schlägt wieder mal die Stunde der Mentalitätsmonster unterm Bayer-Kreuz – und endlich auch wieder von Hofmann.

Nach einer Ecke (83.) landet der Ball bei dem 31-Jährigen, der im Sechzehner volley abzieht und das West-Ham Bollwerk damit endlich knackt. Es ist schon das siebte Joker-Tor von Leverkusen in dieser Europa-League-Saison.

Nach einer vergebenen Dreifachchance legt Leverkusen in der Nachspielzeit nach. Hofmanns Flanke findet Boniface (90.+1). Der Nigerianer nickt ein. Joker findet Joker.

Mit dem 2:0-Heimerfolg schraubt Leverkusen nicht nur seine Ungeschlagen-Serie auf unfassbare 42 Partien (noch ein Spiel bis zum Rekordteam Juventus Turin), sondern verschaffte sich auch beste Aussichten aufs Halbfinale im Europapokal. Der Triple-Traum lebt weiter.

Alonso konnte oder wollte sich nach der Partie nicht mehr erinnern, was er genau Hofmann und Joker-Partner Boniface für die Schlussphase eingeflüstert hat.

"Ich erinnere mich nicht gerade. Ich war glücklich für ihn", sagte der Baske. Was auch immer es war: Es hat funktioniert. Er sei sehr froh für seinen Spieler, erklärte Alonso. "Heute war wichtiger Moment für ihn. Ein guter Impuls für die letzten sechs Wochen, wir brauchen ihn."

Wie wichtig der Treffer und die Vorlage für Hofmann waren, ließen dessen Aussagen in der Mixed Zone erahnen. Deutlich erleichtert stand der Offensivmann vor den Mikrophonen der Journalisten.

"Es hat sehr, sehr gutgetan, wenn man länger nicht getroffen hat und die Scorer gefehlt haben. Dann ist es schön, wenn der Dosenöffner wieder gekommen ist. Das war er hoffentlich."

Ein Dosenöffner für die Endphase der Saison

Dieser wirke "hoffentlich für wichtige Wochen hinten raus, gerade was die Pokalwettbewerbe betreffen", so Hofmann. "Ich bin froh, dass es heute geklappt hat, in einem extrem wichtigen Spiel. Das gibt Selbstvertrauen."

Ein perfektes Spiel wollte sich Hofmann nicht attestieren – dafür hätte er "von Anfang an gespielt", sagte er und lachte.

Lob gab es auch von Kollege Granit Xhaka. "Mich freut es brutal für Jonas, der momentan nicht eine einfache Situation hat", sagte der Schweizer.

Für den 23-maligen Nationalspieler ist nach dem erfolgreichen Abend gegen den Premier-League-Klub so etwas wie eine Leidenszeit zu Ende gegangen, wenn man das bei einer solch erfolgreichen Fußball-Maschinerie wie Leverkusen überhaupt schreiben kann. In der Hinrunde bestimmte er als wichtiger Teil der Werkself und allein in der Liga mit fünf Toren und sieben Assists die Schlagzeilen mit.

Doch dann folgte eine Formkrise. Im neuen Jahr stand er bis zu diesem Donnerstag bei insgesamt nur einem Assist. Hofmann verlor seinen Stammplatz, bekam zuletzt von Alonso immer weniger Spielzeit. Auch in die Nationalelf wurde er zu den Testspielen gegen Frankreich und Niederlande nicht mehr berufen. 

"Es war nicht so, dass ich vorher deprimiert gewesen bin. Ich hatte nur nicht so die Scorer wie in der Hinrunde", erzählte Hofmann. Alles andere sei "okay" gewesen. Noch okayer ist es allerdings mit gleich zwei Scorerpunkten in einem Spiel. Mit dem Tor und der Vorlage meldete er sich nun pünktlich zum Saisonendspurt eindrucksvoll zurück.

Die Aufgabe West Ham entpuppte sich allerdings als zähe Geduldsprobe. "Das kennen wir ja so ein bisschen", sagte Hofmann, der sich über die tief stehenden Gäste wunderte. "In der krassen Form, dass sich eine Mannschaft hinten reinstellt, haben wir das nicht so oft gehabt." 33 zu eins lautete am Ende die Torschuss-Bilanz.

Das Mindset von jedem Spieler auf dem Platz sei es aber, Geduld zu bewahren, weiter anzulaufen und dann hinten raus die Spiele zu entscheiden, erklärte Hofmann.

Bei Bayer geht der Blick jetzt nach vorne. Unisono warnten Alonso, Hofmann und auch Mittelfeld-Stratege Xhaka vor West Ham im Rückspiel. Insbesondere vor einem anderen Auftreten des Teams und der speziellen Atmosphäre im Londoner Stadion vor dann über 60.000 Zuschauern.

"Nächte Woche wird etwas ganz anderes – eine andere Atmosphäre", sagte Hofmann über die Arena der standardstarken Briten. Vor solch einer Kulisse müsse man dann erst mal bestehen.

Hofmann drückt Stuttgart und Bayern die Daumen

Davor allerdings kann Bayer 04 nicht weniger, als Historisches schaffen und die erste Meisterschaft perfekt machen. Thema vor dem Europapokal-Spiel sei dies aber noch keines gewesen. Dafür aber danach.

"Die Fans haben es schon angestimmt. Ich habe Gänsehaut gekriegt", sagte Hofmann zur Feierstimmung vor der Nordkurve. "Allen ist klar, was am Sonntag passieren kann."

"Wir wissen, dass wir am Sonntag Geschichte schreiben können. Wir dürfen nicht übermotiviert auftreten", warnte Xhaka seine Kollegen schon mal vorab. Coach Alonso scherzte auf diese Aussage angesprochen: "Ich werde morgen nochmal mit ihm sprechen" und sorgte damit für einen Lacher auf der PK.

Eine klare Meinung zur anstehenden Meisterschafts-Entscheidung hat Hofmann. Durch mögliche Patzer der Konkurrenz könnte Leverkusen schon am Samstag Meister werden – auf der Couch.

"Ich hoffe, wir können es selber entscheiden", sagte er sofort. "Ich glaube, wir alle würde das erste Mal Deutcher Meister werden. Das willst du nicht irgendwie auf der Couch mit einem Glas Wasser am Mittag, bevor du selber spielst." Da könne man die Emotionen gar nicht so rauslassen, wenn man nicht mit der Gruppe zusammen im Stadion sei.

Seine Ansage für Samstag lautet: "Deshalb drücke ich Bayern und Stuttgart die Daumen."

Die rauschende Party soll dann am Sonntag in Leverkusen steigen. Vielleicht auch nur die erste von dreien.

 

Emmanuel Schneider, Leverkusen