06.06.2019 13:00 Uhr

Das ÖFB-Nationalteam spielt. Na und?

"Aso, ja, die Nationalmannschaft spielt ja noch...Na ich weiß nicht, vielleicht schau ich's mir an. Gegen wen eigentlich?" So eine Aussage hört man, wenn man österreichische Fußballfans auf das Länderspiel gegen Slowenien am Freitag anspricht. Das wieder einmal wichtigste Quali-Match verkommt zu einer Nebensächlichkeit. Das Euphorie-Feuer, das vor drei Jahren noch die Ausmaße eines Infernos hatte, ist erloschen. Die Überreste schwelen nicht einmal mehr. Warum eigentlich?

Nominell ist der Kader so stark wie schon lange nicht. Am Papier dürfte man bei Österreich keine Zweifel an einem Ticket zur EURO 2020 haben. Okay, die zwei Auftaktspiele hat die ÖFB-Elf verloren, das ist aber doch noch kein Grund, die ganze Quali abzuschreiben. Dennoch hat man das Gefühl, dass das typisch rot-weiß-rote Wurschtigkeitsprinzip einkehrt. Die Aufbruchstimmung sucht man mit dem Elektronenmikroskop.

Der Hauptgrund dafür ist natürlich, dass seit bald vier Jahren nicht ein einziges Entscheidungs-Pflichtspiel gewonnen wurde. Aber die Leistungen sind nicht alles. Klare Ideen, wie man den Karren aus dem Dreck ziehen kann, fehlen. Nicht nur im technisch-taktischen Bereich.

Wenn der Verband trotz des Feststeckens im Erdgeschoss der Euphorie 56 Euro für ein Haupttribünen-Ticket im Wörthersee-Stadion verlangt, darf man sich nicht wundern, wenn die Hütte nicht ausverkauft sein wird. Die, die doch kommen und dann womöglich einen lustlosen Kick sehen, werden sich ein zweites Mal gut überlegen.

Wenn man Heimspiele zu Auswärtsspielen verkommen lässt - die gut besuchten Pflichtspiele der letzten Jahre waren gegen Serbien, Polen oder Bosnien - dann darf man sich nicht wundern, wenn kein Funkenschlag entsteht. Stiegl-Fahnen und Radetzkymarsch sind da auch kein Starterkabel für die Inbrunst der Anhänger.

Generell ist die Stadionpolitik des ÖFB zu hinterfragen. Beim Neubau einer Arena in Wien (oder nun offenbar auch Niederösterreich, bzw. Burgenland. Hauptsache Flughafen. Hauptsache viele Gästefans) versteckt man sich hinter den Behörden. Ein Kompetenzzentrum wie es andere Verbände haben, liegt bestenfalls auch nur als lose Idee in der Schublade.

Ewig wird über solche Themen, aber auch Topics wie Einbürgerungen (siehe Ashley Barnes), gesprochen, Vollzüge gibt es keine. Auch bei Sasa Kalajdzic werden keine Nägel mit Köpfen gemacht. Bei Mert Müldür hat man es bereits verschlafen.
>> Müldür: ÖFB hat sich nicht mehr gemeldet

Die Zeiten, in denen der ÖFB aus der Not heraus einfach klüger und innovativer als die Konkurrenz war, scheinen vorbei. Die anfänglichen Ideen und Visionen eines Marcel Koller oder Willi Ruttensteiner sucht man vergebens. Durch das Zuschieben des schwarzen Peters entsteht zwangsweise das Gefühl des Zauderns. Ewig wird über Themen geredet, Vollzüge gibt es kaum.

Auch im sportlichen Bereich. Die Entschlusskraft vor dem Tor wird vermisst, auf taktische und strategische Kritik wird an dieser Stelle aus Platzgründen verzichtet. Marko Arnautović muss stets beide Backen hinhalten, eine am und eine abseits des Platzes. Wenn es läuft und wenn es nicht läuft, wird der West-Ham-Legionär zur One-Man-Show-Verantwortung gezogen. In Interviews und im Strafraum. Dass David Alaba, eigentlich ja der beste Spieler, im Nationalteam schon seit gefühlten Ewigkeiten im Mittelmaß versinkt, ist kein Thema mehr.

Die wilde, ungestüme Truppe, die vor ein paar Jahren noch für das Smalltalk-Gesprächsthema #1 sorgte, hat die Leichtigkeit verloren. Sie brennt nicht mehr. Die gute Nachricht ist aber, dass das abermalige Feuer jederzeit entfacht werden kann. Sechs Punkte und schon kokelt es wieder.

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