11.08.2020 12:20 Uhr

Nagelsmann und das Duell gegen "Vulkan" Simeone

Julian Nagelsmann und die Leipziger bekommen es mit Atlético zu tun
Julian Nagelsmann und die Leipziger bekommen es mit Atlético zu tun

Julian Nagelsmann muss sich fast zwingen, beim bislang wichtigsten Spiel seiner Karriere auf den Rasen zu schauen. Denn direkt neben ihm wird Trainer-Vulkan Diego Simeone wieder alle Register ziehen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Mit wilden Gesten, lauten Rufen und permanenten Diskussionen.

Eigentlich mag Nagelsmann dieses Schauspiel, in gewisser Weise bewundert der Trainer von RB Leipzig seinen argentinischen Kollegen sogar. Doch im Viertelfinale der Champions League am Donnerstag in Lissabon gegen Atlético Madrid wolle er sich "nicht so sehr in seinen Bann ziehen lassen", sagte der 32-Jährige bei "Sky", "sondern auf die Inhalte konzentrieren, auf die Mannschaft. Da ist man besser dran, als wenn man in den Infight geht."

Da das K.o.-Duell beim Finalturnier der Königsklasse im Estadio Jose Alvalade erneut vor einer "Geister"-Kulisse ausgetragen wird, dürfte Simeone (50) noch mehr im Mittelpunkt stehen. "Jetzt ohne Zuschauer hört man das noch mehr, dass er immer am Erzählen ist, viel mit dem Schiedsrichter diskutiert, viele Karten fordert", so Nagelsmann.

Nagelsmann vermutet Kalkül

Auch der RB-Trainer coacht in der Regel mit großer Emotionalität. Deshalb könnte das Duell an der Seitenlinie fast so interessant werden wie das auf dem Platz. "Ich bin gespannt, wie das mit Julian und Diego Simeone klappt", sagte Leipzigs Nationalspieler Marcel Halstenberg dem "Sportbuzzer", beide seien "sehr emotionale Typen".

Doch im Vergleich mit dem heißblütigen Simeone, bei dem nicht mal der Torjubel immer jugendfrei ist, wirkt Nagelsmann fast introvertiert. "Er macht das nicht mit böser Absicht, sondern mit Kalkül", sagt Nagelsmann: "Er möchte erfolgreich sein. Das zeichnet ihn aus." Es ist auch nicht anzunehmen, dass Simeone durch die zwei positiven Coronafälle im Team und die gestörte Vorbereitung an seinen hohen Zielen etwas ändert.

Seit seinem Amtsantritt 2011 arbeitet der frühere Mittelfeldspieler sehr erfolgreich bei den Rojiblancos. Spanischer Meister (2013) und Pokalsieger (2014), zweimaliger Europa-League-Gewinner (2012, 2018), zweimaliger Champions-League-Finalist (2014, 2016) - und das immer mit dem gleichen, für den Gegner so unangenehmen Spielstil.

Simeone "rennt draußen rum wie Dynamit"

"Der Kollege muss eine außergewöhnliche Gabe haben", sagte Nagelsmann dem Portal "Goal.com": "Ich glaube, dass 99 Prozent der Trainer, die immer nur 4-4-2-flach, sehr tief stehen und so fies spielen lassen würden, nach zwei Jahren verbrannt wären. Aber er nicht." Simeone "rennt draußen rum wie Dynamit und kommt trotzdem super an bei seinen Spielern".

Lucas Hernández kann das bestätigen. Der heutige Verteidiger von Bayern München, zuvor fünf Jahre bei Atlético, berichtete, Simeones Mentalität sei "in jeder Minute und bei jedem Training sichtbar".

Für Nagelsmann drückt dies "einen gewissen Grad an Verrücktheit" aus, was ihm durchaus sympathisch sei. Am Donnerstag will er sich vom positiv "verrückten" Simeone aber nicht ablenken lassen.