17.12.2013 22:36 Uhr

Austrias historische Unzufriedenheit

Die Achterbahnfahrt durch Europa und die österreichische Provinz zehrte bei der Austria an Substanz und Nerven
Die Achterbahnfahrt durch Europa und die österreichische Provinz zehrte bei der Austria an Substanz und Nerven

Der erste Sieg in der Champions League mit dem 4:1-Sieg gegen Zenit und das Ende der vermeintlichen Hoffnungen auf eine erfolgreiche Titelverteidigung in Form eines 0:4-Debakels bei Spitzenreiter Salzburg. In den vergangenen Tagen hat die Wiener Austria alle Höhen und Tiefen des Fußballsports ausgelotet. Nach einem intensiven Jahr fehlen nur noch 90 Minuten in die Winterpause. Hoffnungsvoll wurde bei der letzten Pressekonferenz des Jahres der Blick in die Zukunft gerichtet.

"Wir haben mit der Champions League Unglaubliches erreicht", blickte Austria-Trainer Nenad Bjelica zurück. "Unsere Ziele, was das internationale betrifft, haben wir übertroffen." Erstmals hatte sich die Wiener Austria für die Königsklasse qualifiziert und in der Premierensaison auch den ersten Punkt, das erste Tor sowie zum Abschluss den ersten Sieg von der Aufgabenliste streichen können. Das Überwintern im Europacup scheiterte zumindest auf dem Papier nur an der knapp negativen Bilanz gegen den punktegleichen FC Porto.

Dennoch machte sich währenddessen in Wien-Favoriten auch Unzufriedenheit breit. Zumal die Ausbeute in der Meisterschaft nicht berauschend war. Tatsächlich stehen nach 20 Runden nur acht Siege zu Buche. Die Heimbilanz vor dem letzten Spiel vor der Winterpause gegen Ried war ebenfalls schon besser. Vier Siegen und drei Remis stehen drei Niederlagen gegenüber.

"Vom ersten Tag an nicht einfach"

"Das weiß ich vom ersten Tag an, dass es nicht einfach ist bei der Austria zu arbeiten", so Bjelica, der sich beim Klub dennoch wohl fühlt. Einer seiner Vor-Vorgänger, Hermann Stessl, musste im Sommer 1978 sogar gehen, nachdem er mit der Austria Meister wurde und das Finale im Europacup der Cupsieger erreicht hatte. Nirgendwo sind die Ansprüche in Österreich höher als bei der Austria, wo ein Sieg allein nicht reicht, sondern auch ein fußballerischer Gaumenschmaus zu sein hat. Und wenn es dann mit den "Pflichtsiegen" nicht immer klappt, dann beginnt der Zeitzünder am Schleudersitz zu ticken.

Im Sommer wechselte der 42-Jährige vom Wolfsberger AC zur Austria. Im ersten halben Jahr unter seiner Ägide erspielte die Austria 15 Millionen brutto an Prämien – eine Rekordsumme in violett. Trotzdem ist der Coach nicht unumstritten. Die Spielweise habe sich verändert, ebenso Arbeitsweise und der Umgang mit den Spielern. Kurzum Nenad Bjelica ist nicht Peter Stöger. Was der Meistermacher mit den Veilchen in dieser Saison erreicht hätte, darüber lässt sich aber nur spekulieren.

"In der Meisterschaft gibt es Verbesserungsbedarf. Das ist das einzige, wo wir uns mehr erwartet haben", ist sich auch Bjelica bewusst. "Ich bin überzeugt, dass wir bessere Leistungen bringen werden im Frühjahr." Seit Wochen wird der Kroate nicht müde zu betonen, dass die Champions League viel Substanz koste und die Mannschaft daher nicht konstant eine Topleistung bringen könne. Dazu kommt heuer auch Verletzungspech, das der Austria im Meisterjahr glücklicherweise erspart blieb.

"Wir haben viele Höhen und Tiefen gehabt, das war für die Nerven und den Kopf nicht einfach", gestand Bjelica ein. Er selbst weiß das nur zu gut. Nach Niederlagen ging schon mal sein Temperament mit ihm durch. Für die Tobsuchtsanfälle des Trainers in aller Öffentlichkeit hagelte es entsprechend viel Kritik.

Meisterzug abgefahren

Mit dem 4:1 gegen Zenit St. Petersburg in der Champions League und dem 0:4 in Salzburg folgten ausgerechnet Höhe- und Tiefpunkt direkt aufeinander. Die Titelverteidigung ist bei den Wienern abgeschrieben. Der Vorsprung der "Bullen" beträgt – bei einem Spiel weniger – vierzehn Punkte. Sportvorstand Thomas Parits meinte dazu: "Wenn Salzburg diese Konstanz weiter hat, dann werden sie nicht einzuholen sein."

Parits erkannte die kurzfristigen Ziele im Europacup ebenfalls als übertroffen an, ärgerte sich aber über "sehr viele Fehler" in der Meisterschaft. "Wir haben Tore bekommen, die nicht notwendig sind", so der Burgenländer. Dennoch gilt auch für Parits: "Wir sind um den zweiten und dritten Platz trotz aller Belastungen noch dabei."

(Sanfter) Neustart

Für den Winter kündigte Bjelica personelle Änderungen an: "Jetzt kommt die Analyse und es geht es um den Aufbau für die Zukunft." Die soll bereits im Jänner beginnen. "Uns fehlen Kleinigkeiten", war der Trainer überzeugt. Alternativen werden vornehmlich für Mittelfeld und Sturm gesucht.

Abgänge wären ebenfalls nachzubesetzen. Kein Geheimnis ist, dass bei einigen Leistungsträgern der nächste Karriereschritt bevorstehen dürfte. Auch "Transferflop" Dare Vršič und der in Ungnade gefallene Rubin Okotie stehen vor dem Abschied.

Bjelica hofft, dass der eine oder andere Neue schon beim Trainingsstart am 7. Jänner mit von der Partie ist. Er weiß jedoch, dass sich Verhandlungen ziehen können und das Feilschen oft erst kurz vor Transferschluss ein Ende hat. Im Laufe des Frühjahrs ist außerdem mit dem Comeback der Langzeitverletzten Alexander Grünwald und Alexander Gorgon zu rechnen. "Die beiden werden große Verstärkungen sein, egal wer kommt", war sich der Trainer sicher. Und er wagte sogar einen ganz weiten Blick in die Zukunft: "Im Juni dann wieder zwei, drei Neue und dann können wir sehr positiv in die nächste Saison blicken."

>> Austria gegen Ried gefordert

Sebastian Kelterer