28.04.2015 16:51 Uhr

Juve vs. Fiorentina: Mehr als ein Spiel

Viel Abneigung und eine große Rivalität herrschen zwischen Juventus Turin und der Fiorentina
Viel Abneigung und eine große Rivalität herrschen zwischen Juventus Turin und der Fiorentina

Zwei "gestohlene" Titel und eine makabere Botschaft sind der Ursprung für eine der größten Rivalitäten im italienischen Fußball. Ein Weltrekordtransfer brachte das Fass zwischen Juventus Turin und der Fiorentina letztlich zum Überlaufen.

Die fest eingeplante Meisterfeier mussten die Verantwortlichen von Juventus Turin nach der überraschenden 1:2-Niederlage im Derby gegen den Torino FC noch absagen. Am 33. Spieltag bekommt die Alte Dame die nächste Chance, ihren 31. Scudetto zu holen. Sollte dies ausgerechnet im Spiel gegen die Fiorentina (ab 20:45 Uhr im weltfussball-Liveticker) gelingen, wäre es vor allem für die Fans ein besonders süßer Moment.

Denn obwohl mehr als 400 km Luftlinie zwischen den Städten liegen und lokale Rivalität keine Rolle spielt, sind die Duelle zwischen der Fiorentina und Juventus heißer als jedes Derby und geprägt von gegenseitiger Ablehnung, Wut und Hass. Die Chronologie einer 32 Jahre lang währende Fehde.

1. Die gestohlene Meisterschaft

Der Kampf um den Scudetto gipfelt in der Saison 1981/82 in einem ultimativen Showdown am letzten Spieltag. Tabellenführer Juventus (44:14 Punkte) muss in Catanzaro ran. Der AC steht punktgleich auf Rang zwei und reist nach Cagliari. Mit dem Titel vor Augen wirken auf dem Rasen beide zunächst wie gelähmt. Bis die Fiorentina vorlegt.

Francesco Graziani trifft nach einer Ecke zum 1:0. Doch der Jubel hält nicht lange. Schiedsrichter Mattei sieht als einziger im Stadion ein Foul und gibt das Tor nicht. Gleichzeitig bekommt Juventus in Catanzaro einen vermeintlich klaren Elfmeter gegen sich nicht gepfiffen. Statt der Florenzer Führung und dem Rückstand für Juve heißt es auf beiden Plätzen weiterhin 0:0.

"Lieber Zweiter als ein Dieb"

Die Meisterschaft wird eine Viertelstunde vor Schluss endgültig zu Gunsten der Alten Dame entschieden. In der 75. Minute ertönt im Stadio Nicola Ceravolo ein zweifelhafter Elfmeterpfiff. Der Ire Liam Brady nimmt sich das Leder und versenkt es zum 1:0-Endstand. Turin gewinnt seinen 20. Scudetto und sorgt im Lager der Toskaner für Enttäuschung und Wut.

"Sie haben uns die Meisterschaft geklaut", schimpft ACF-Kapitän Giancarlo Antognoni. Er spricht damit aus, was alle Fans der Violetten fühlen. Juventus sei die einzige Mannschaft, die an 30 Spieltagen keinen Strafstoß gegen sich gepfiffen bekommen habe, begründet er seine These. Fortan gehört der Spruch "Meglio secondi che ladri" (Lieber Zweiter als ein Dieb) zum festen Vokabular eines jeden Fiorentina-Supporters. Eine der größten Rivalitäten des Calcio nimmt an jenem 16. Mai im Jahr 1982 ihren Lauf.

2. Verbrüderung mit dem "Feind"

Bis zum 30. Mai 1985 ist der Hass eher einseitiger Natur. Das ändert sich einen Tag nach den schrecklichen Vorfällen im Brüsseler Heyselstadion, bei denen 39 Fans der Bianconeri ihr Leben verlieren. Plakate mit der Aufschrift "39 Bucklige weniger" gehören von nun an zum festen Bestandteil der Florenzer Ultra-Szene, die zudem eine Fan-Freundschaft mit den Liverpooler Hooligans, die für die Katastrophe verantwortlich waren, eingeht. Spätestens jetzt ist die Fehde zwischen den beiden italienischen Traditionsvereinen nicht mehr zu kitten.

3. Der nächste Diebstahl

In den folgenden Jahren versinkt die Fiorentina in der sportlichen Bedeutungslosigkeit. Bis zur Spielzeit 1989/90. Nach einer starken Saison erreicht der AC das UEFA-Cup-Finale. Der Gegner im Endspiel: Juventus Turin. Das mit Hin- und Rückspiel ausgetragene Finale wird bereits im ersten Duell entschieden. Die Alte Dame gewinnt 3:1 – allerdings nicht ohne Nebengeräusche.

So soll dem zwischenzeitlichen 2:1-Führungstreffer ein klares Foul von Angelo Alessio an Celeste Pin vorausgegangen sein. Ein Foul, das für die Vorentscheidung und dicke Luft sorgt. Noch während Juve-Coach Dino Zoff dem TV-Sender "RAI" das Sieger-Interview gibt, schreit Pin für Millionen Zuschauer hörbar "Diebe!" in die Kamera. Angesprochen auf den vermuteten Diebstahl antwortet Torschütze Casiraghi mehrdeutig: "Wir sind Juventus, sie sind Florenz."

4. Der Weltrekordtransfer

Noch schlimmer als die Niederlage im UEFA-Cup-Finale ist für die Fiorentina-Fans die Gewissheit, dass sie mit Roberto Baggio ihren größten Star nach der Saison verlieren werden. Nicht an irgendwen, sondern an Juventus Turin. Ausgerechnet ihr Heilsbringer wird ab sofort für ihren Erzrivalen auflaufen und Tore schießen.

Als der Wechsel bekannt gegeben wird, kommt es in Florenz zu schweren Ausschreitungen, bei denen 50 Menschen verletzt werden. Die damalige Weltrekordablöse von 10 Millionen Euro dient nicht als Trost. Baggio selbst beteuert: "Ich wollte in Florenz bleiben, aber ich wurde zu diesem Transfer gezwungen. Mein Herz wird immer violett bleiben." Diesen Worten lässt er Taten folgen.

Ein Kuss sorgt für Ärger

Bei seiner offiziellen Präsentation versteckt Baggio den Juventus-Schal demonstrativ auf seinem Stuhl. Im ersten Duell mit seinem Ex-Klub weigert sich der Stürmer, einen Strafstoß zu schießen. Nach dem Schlusspfiff küsst er einen Fiorentina-Schal, der ihm zugeworfen wurde. Eine Aktion, die das Verhältnis zwischen den beiden Fan-Lagern weiter auf die Probe stellt.

Mit Gabriel Batistuta findet man in der Toskana zwar schnell einen legitimen Nachfolger für Baggio, doch so nah wie 1982 und 1990 sollte die Mannschaft einem Titel bis heute nicht mehr kommen. Finanzielle Missstände führen Anfang des Jahrtausends gar zur Insolvenz und dem Zwangsabstieg in die Serie C2. Obwohl die Alte Dame in dieser Sache offenkundig unschuldig ist, halten sich unter den eingefleischten Fiorentina-Fans bis heute Theorien, dass irgendwer aus dem Norden auch in dieser Angelegenheit seine Finger im Spiel hatte.

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Christian Schenzel