08.06.2019 09:37 Uhr

So groß ist der neue Einfluss des BVB im DFB-Team

Drei BVB-Spieler in der Nationalmannschaft: Nico Schulz, Julian Brandt und Marco Reus
Drei BVB-Spieler in der Nationalmannschaft: Nico Schulz, Julian Brandt und Marco Reus

Nachdem Spieler von Borussia Dortmund in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft jahrelang nur eine Nebenrolle spielten, bewerben sich mit Marco Reus und den Neuzugängen Nico Schulz und Julian Brandt nun gleich drei BVB-Profis bei Joachim Löw um die Stammplätze. Ihre Erfolgsaussichten sind allerdings unterschiedlich groß.

Beim Blick auf die Liste der von Bundestrainer Joachim Löw Ende Mai nominierten Spieler für die Länderspiele in Weißrussland und gegen Estland ist der neue Einfluss von Borussia Dortmund im Nationalteam noch nicht zu sehen.

Der DFB führt Nico Schulz und Julian Brandt dort noch bei ihren alten Vereinen 1899 Hoffenheim beziehungsweise Bayer Leverkusen. Marco Reus ist wieder einmal als einziger Abgesandter des BVB kenntlich gemacht.

Was den Statuten gemäß völlig korrekt ist, offiziell beginnt die neue Saison schließlich erst am 1. Juli, ist eigentlich längst Makulatur. Denn ab der kommenden Spielzeit werden Schulz und Brandt zusammen mit Reus in Dortmund kicken.

Rund 50 Millionen Euro ließ sich der BVB das Duo kosten. Die Vereinsführung setzte mit den beiden Transfers ihr Vorhaben um, ihrem Aufgebot mehr deutsche (und im Idealfall National-)Spieler zuzuführen.

Neue Zeitrechnung für BVB-Spieler in der Nationalmannschaft

Im DFB-Team beginnt mit diesem Dortmunder Doppel-Coup eine neue Zeitrechnung. Seit der WM 2014, als mit Roman Weidenfeller, Erik Durm und Kevin Großkreutz immerhin drei Borussen zumindest als Garanten des guten Mannschaftsgeistes mit nach Brasilien fuhren, ging der BVB-Einfluss im Flagschiff des deutschen Fußballs immer weiter zurück.

Aufgrund der häufigen und teils langwierigen Verletzungen von Reus fand häufig sogar gar kein Akteur des achtfachen deutschen Meisters den Weg in Löws Aufgebot.

Um Schulz, Brandt und Reus wird der Bundestrainer bei der Benennung seiner Auswahl aber auf auf dem Weg zur EM 2020 nicht herumkommen. Insbesondere der Noch-Hoffenheimer spielt in den Überlegungen Löws eine zentrale Rolle, besetzt er doch die langjährige "Problemposition" des Linksverteidigers.

Joachim Löw schwärmt von Nico Schulz

Schulz komme "mit seiner Dynamik und seinem Tempo hinter die Abwehr", der 26-Jährige könne "auf der anderen Seite aber auch konzentriert verteidigen", schwärmte Löw unlängst im "kicker".

Im zuletzt mehrfach erprobten System mit einer Dreier-/Fünferkette in der Defensive ist Schulz vor allem aufgrund seiner herausragenden Schnelligkeit die Idealbesetzung als linker Schienenspieler. Diese Rolle perfektionierte der frühere Gladbacher zuletzt auch unter Julian Nagelsmann in Hoffenheim.

Beleg dafür: Von allen Außenverteidigern der Bundesliga gaben in der abgelaufenen Saison nur Joshua Kimmich (16) und der Freiburger Christian Günter (7) mehr Torvorlagen als Schulz (6).

Keine Position im DFB-Team für Marco Reus

Brandt und Reus werden es hingegen deutlich schwerer haben als ihr Vereinskamerad in spe, sich nach dem Umbruch des Nationalteams einen festen Platz in der Startformation zu sichern.

Reus' Idealposition als Zehner gibt es im DFB-Team so nicht. Im Dreier-Angriff setzte Löw zuletzt auf Leroy Sané, Serge Gnabry und Timo Werner, allesamt deutlich jünger als der Dortmunder Kapitän und mit (noch) mehr Geschwindigkeit gesegnet.

Auch wenn Reus zuletzt bekräftigte, es sei nicht "mein Anspruch, von der Bank zu kommen", könnte ihm vor allem in Spielen gegen starke Gegner die undankbare Rolle als Edeljoker blühen.

Julian Brandt für die Flügel zu langsam

Diese kennt Brandt spätestens seit der WM-Endrunde im letzten Jahr aus leidvoller Erfahrung. Drei Spiele absolvierte der gebürtige Bremer in Russland, dreimal kam er als Einwechselspieler zum Zuge. Auch bei seinen beiden Einsätzen in der Nations League wurde Brandt lediglich eingewechselt.

Sein Problem: Jahrelang war er in Leverkusen überwiegend auf die Rolle als Flügelstürmer festgelegt, auch Löw sieht ihn bislang dort. Diese kommt Brandts Fähigkeiten jedoch weit weniger entgegen als die zwischen Acht und Zehn changierende Position, auf der er bei Bayer zuletzt die beste Halbserie seiner Profi-Karriere spielte. Im Zentrum sind unter Löw allerdings Toni Kroos und Joshua Kimmich ohne Wenn und Aber gesetzt. Und außen ist Brandt für den neuen deutschen Tempo-Fußball schlicht zu langsam.

Dass es im DFB-Kader zukünftig wieder einen Dortmunder Block geben wird, auch Julian Weigl und vor allem Mario Götze könnten kurz- oder mittelfristig wieder ans Tor zur Nationalmannschaft klopfen, ist also nicht gleichbedeutend damit, dass auch tatsächlich eine Dortmunder Achse auf dem Platz steht.

Tobias Knoop