18.01.2022 12:35 Uhr

Causa Haaland: So kämpft der BVB gegen den Kontrollverlust

Der Poker um Erling Haaland wühlt den BVB auf
Der Poker um Erling Haaland wühlt den BVB auf

Vor dem DFB-Pokal-Achtelfinale beim FC St. Pauli (ab 20:45 Uhr im LIVE-Ticker) könnte beim BVB angesichts des gelungenen Rückrunden-Starts mit zwei Siegen eigentlich Aufbruchstimmung herrschen. Die öffentliche Kritik von Torjäger Erling Haaland nach dem Freiburg-Spiel hallt jedoch nach und bringt unliebsame Unruhe in den Verein. Zumindest öffentlich versuchen die Verantwortlichen von Borussia Dortmund, das Thema herunterzuspielen. Nur: Wie lange kann das gutgehen?

Selbst sein Doppelpack beim 5:1 (3:0)-Erfolg gegen den SC Freiburg konnte Erling Haaland nicht besänftigen. Noch während sich seine freudestrahlenden Mitspieler von den 750 Fans feiern ließen, gab der Norweger seinem Heimat-Sender "Viaplay" ein Interview - mit grimmiger Miene und deutlichen Worten.

"Die letzten sechs Monate habe ich beschlossen, aus Respekt vor Dortmund nichts zu sagen. Nun hat der Klub begonnen, mich zu drängen, eine Entscheidung zu treffen. Aber alles was ich will, ist Fußball spielen", verschaffte Haaland seinem Unmut über die Forderung der Klubspitze, bis März seine Zukunft zu klären, Luft: "Sie wollen eine Antwort. Es ist also an der Zeit, die Dinge in Angriff zu nehmen. Es bedeutet, dass nun etwas passieren wird."

Spontan dürfte das "Wut-Interview" ("Bild") mit Ex-Profi Jan Age Fjortoft, der Landsmann und Freund der Familie Haaland ist, allerdings nicht geführt worden sein. Wahrscheinlicher ist, dass der 21-Jährige damit bei seinem Arbeitgeber und anderen interessierten Klubs die ultimative Entscheidungsphase einleiten wollte - womöglich auch auf Anraten seines findigen Beraters Mino Raiola hin. Der italienische Strippenzieher ist für seine listigen Winkelzüge bekannt.

BVB drohen unentspannte Gespräche mit Haaland

Aufgrund einer Ausstiegsklausel kann Haaland den Bundesliga-Zweiten trotz eines bis 2024 datierten Vertrags in diesem Sommer für 75 Millionen Euro verlassen. Kaum vorstellbar, dass die angeblich noch für Januar vorgesehenen ersten Gespräche zwischen dem umworbenen Star, Raiola und dem BVB nun noch in entspannter Atmosphäre stattfinden.

Auf die Frage, wann der ideale Zeitpunkt für eine Entscheidung gekommen sei, antwortete Haaland: "Jetzt nicht, weil wir mitten in einer schwierigen Phase mit vielen Spielen sind. Ich will mich auf Fußball konzentrieren. Denn dann bin ich am besten. Nicht, wenn mir andere Dinge durch den Kopf gehen."

Die Kritik des von vielen europäischen Top-Klubs - darunter Real Madrid, Manchester City und der FC Barcelona - umworbenen norwegischen Nationalspielers dürfte die Chance auf seinen Verbleib in Dortmund weiter schmälern.

Dortmund-Bosse dementieren Deadline vehement

In einer ersten Reaktion auf die brisanten Aussagen versuchte Hans-Joachim Watzke die Wogen zu glätten: "Es gibt keine Probleme mit ihm. Er ist jung, er darf das." Noch hat der BVB-Geschäftsführer die Hoffnung auf eine Einigung nicht aufgegeben: "Wenn es so kommt, dass er bleibt, freuen wir uns sehr."

Gleichwohl hält Watzke den Vorwurf Haalands, unter Druck gesetzt zu werden, für übertrieben: "Es gibt aktuell weder Gespräche noch Termine, daher kann ich das nicht nachvollziehen." Der Verein könne nicht bis Mai warten, "das wird ihm auch einleuchten. Dass man irgendwann mal über die Zukunft spricht, muss er als Profi auch verstehen."

Die BVB-Führung wünscht sich von Erling Haaland Klarheit
Die BVB-Führung wünscht sich von Erling Haaland Klarheit

Ähnlich wie Watzke reagierte auch Michael Zorc mit Befremden auf die Vorwürfe. "Es gibt keinen Druck, keine Gespräche, keine Fristen oder Deadlines. Klar ist aber auch, dass wir nicht erst im Sommer wissen wollen, wie seine Entscheidung ausfällt, das wird er auch verstehen, das ist im Fußball völlig normal", erläuterte der Dortmunder Sportdirektor in der "Bild".

Druck von BVB-Seite "einfach legitim"

Nicht minder verwundert reagierte Sebastian Kehl. "In den nächsten Tagen werde ich mit ihm darüber sprechen, was ihn gerade bewegt und wieso er nach einem 5:1-Sieg darauf kommt, dieses Thema so zu platzieren und so stark von Druck zu sprechen," sagte der Lizenzspielerchef im "Doppelpass" bei "Sport1".

Auch der künftige Sportdirektor warb bei Haaland um Verständnis für den Wunsch des Vereins nach Klarheit. "Weil er so wichtig für uns ist, muss ab einem gewissen Punkt für uns Planungssicherheit herrschen. Wie soll ich denn bitte schön meine Kaderplanung vorantreiben, wie wir einen Erling Haaland ersetzen können, wenn wir nicht zu einem gewissen Zeitpunkt eine Tendenz mitbekommen, möchte der Spieler noch bei Borussia Dortmund bleiben oder nicht? Das ist einfach legitim", betonte Kehl.

Trainer Marco Rose ergänzte im Vorfeld des Pokalspiels: "Dass das Thema jetzt so groß gemacht wird, hat vor allem etwas mit der medialen Berichterstattung zu tun. Für uns ist es kein großes Thema. Ich habe gestern mit Erling gesprochen, viel über Fußball. Das ist das einzige, was mich auch interessiert."

Wie der BVB gegen den Kontrollverlust ankämpft

Dem Coach dürfte indes ebenso wie seinen Vorgesetzten bewusst sein, dass dieser Nebenkriegsschauplatz zur dauerhaften Belastung für das Betriebsklima werden könnte. Bislang schaffen Kehl und Co. es gerade noch so, die Causa nicht eskalieren zu lassen. Ewig wird dieser Drahtseilakt aber nicht gelingen.

Für die Außenwirkung der Schwarz-Gelben ist ein Burgfrieden wichtig, für den kurzfristigen sportlichen Erfolg ein bei Laune gehaltener Haaland. Promi-Allüren und manipulativ anmutende Interview-Positionierungen darf der BVB seinen Spielern jedoch nicht zu lange durchgehen lassen, andernfalls droht ein Kontrollverlust.

Das Credo der Borussen lautet schließlich, dass kein Profi wichtiger ist als der Verein. Haaland scheint diesen Leitsatz derzeit allerdings in Frage zu stellen.

Heiko Lütkehus (mit "dpa"-Material)