01.02.2022 22:25 Uhr

Gewagte Experimente oder kluge Strategie?

Der FC Bayern hat sich auf dem Winter-Transfermarkt zurückgehalten
Der FC Bayern hat sich auf dem Winter-Transfermarkt zurückgehalten

Der Deadline Day ist Geschichte und wie so oft in den letzten Jahren ist beim FC Bayern im Wintertransfer-Fenster bei einem ersten flüchtigen Blick nicht allzu viel passiert. Schaut man allerdings genauer hin, dann hat der deutsche Rekordmeister wichtige Weichen gestellt. Eine Schwachstelle wurde allerdings nicht behoben.

Am letzten Tag der Januar-Transferperiode war es am Ende doch noch ein wenig wuselig an der Säbener Straße. Der Grund war allerdings nicht der Transfer eines namhaften Spielers, sondern die symbolträchtige Vertragsverlängerung mit Paul Wanner, jenem 16-jährigen Juwel, das in den vergangenen Wochen so sehr auf sich aufmerksam gemacht hatte und vielfach umworben war. 

"Paul ist ein besonderes Talent, das wir fördern wollen", freute sich Trainer Julian Nagelsmann über den Vollzug. Wanner ist nicht das erste Teilstück im großen Kader-Puzzle des FC Bayern für die kommenden Saisons, das immer mehr Form annimmt.

Gut zwei Wochen zuvor verlängerten die Münchner bereits mit Kingsley Coman. Der 25-jährige Franzose wurde bis 2027 gebunden. Auch die Verträge von Joshua Kimmich (2025) und Leon Goretzka (2026) wurden in der ersten Saisonhälfte deutlich angepasst und ausgedehnt. Weitere Verlängerungen sollen folgen: Manuel Neuer, Serge Gnabry und nicht zuletzt Thomas Müller und Robert Lewandowski dürften die nächsten großen Baustellen der Bosse sein.

Warum der FC Bayern sich derzeit auf die eigenen Spieler fokussiert

Der Gedanke an externe Verstärkungen spielt derzeit kaum eine Rolle. Geld fließt nicht in Transfers, sondern in die Verlängerungen mit den Leistungsträgern. Das ist allerdings auch wenig verwunderlich, hat sich der FC Bayern doch eine der besten Mannschaft Europas zusammengestellt und gleichzeitig massiv an der Ausbildung und Integration der Jugend geschraubt. 

Eine Schlüsselrolle spielte hier zuletzt auch Nagelsmann. "Durch Julian ist eine zusätzliche Dynamik reingekommen. Er hat Spaß daran, Talente zu entwickeln", lobte Holger Seitz, der sportliche Leiter des Bayern-Campus den neuen Trainer bei "Bild".

Schafft ein Talent nicht auf Anhieb den Sprung, darf es sich auf Leihbasis beweisen. So wie bei U23-Spieler Bright Akwo Arrey-Mbi. Der 18-jährige Innenverteidiger schloss sich am Deadline Day für anderthalb Jahre dem 1. FC Köln an. 2023 könnte er gestärkt zurückkehren, genau zu jenem Zeitpunkt, wenn Benjamin Pavard, Lucas Hernández und Co. in ihr letztes Vertragsjahr gehen.

FC Bayern gibt zahlreiche Talente ab

An anderer Stelle wurde mächtig aufgeräumt: Spieler, denen man den Durchbruch nicht mehr zutraut, wurden abgegeben oder könnten sogar noch gehen. U23-Linksaußen Nemanja Motika soll nach "Sky"-Infos noch für zwei Millionen Euro an Roter Stern Belgrad verkauft werden, das unglückliche Intermezzo von Michael Cuisance wurde bereits Anfang Januar beendet und der Mittelfeldspieler, der 2019 für acht Millionen Euro aus Gladbach kam, für immerhin noch vier Millionen Euro an den FC Venedig verkauft. 

Oliver Batista Meyer, wie Motika aus der U23 und lange Zeit am Profi-Team schnuppernd, verließ die Münchner und wechselte zu Beginn des Jahres fix zu Dynamo Dresden. Das ewige Talent Adrian Fein schloss sich ebenfalls den Sachsen an, allerdings nur bis zum Sommer, nachdem Fein seine vorherige und unglückliche Leihe zur SpVgg Greuther Fürth abgebrochen hatte. Denkbar, dass Hasan Salihamidzic und Co. im Sommer einen Schlussstrich unter das Kapitel ziehen. 

Das gleiche Schicksal ereilte auch Taylor Booth, der zwar im DFB-Pokal gegen den Bremer SV im August sein Profi-Debüt feierte, nach Saisonende aber ablösefrei in Richtung Utrecht weiterziehen wird.

Etwas unter dem Radar lief auch die Leihe von Liu Shaoziyang. Das vielversprechende Torhüter-Talent wurde erst Anfang Dezember bis 2025 verpflichtet, soll nun aber in den kommenden anderthalb Jahren bei Austria Klagenfurt "den nächsten Schritt in seiner Entwicklung nehmen", wie Campus-Leiter Sauer erklärte.

Braucht der FC Bayern Ersatz für Niklas Süle?

Gemunkelt wurde zuletzt auch, die Münchner könnten sich den abwanderungswilligen Matthias Ginter als Ersatz für Niklas Süle schnappen, der den Serienmeister im Sommer verlassen wird. Doch Ginter blieb (vorerst) in Gladbach und ist laut "Sport 1" auch kein heißes Thema mehr beim FC Bayern. 

Ob überhaupt Ersatz für Süle nötig ist, bleibt zudem fraglich. Zuletzt erklärte der frühere Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge bei "Sky": "Man muss schon sagen, dass der FC Bayern in der Abwehr auch ohne Niklas Süle gut besetzt ist." 

Einen Ersatz für Süle brauche es nicht, so Rummenigge weiter. "Man hat Dayot Upamecano geholt, den ich gut finde. Man hat Lucas Hernández vor einigen Jahren verpflichtet, der sich jetzt auch etabliert hat. Man hat den jungen Tanguy Nianzou dazu und man hat Benjamin Pavard theoretisch noch in der Innenverteidigung", führte der ehemalige FCB-Boss aus. "Es gibt keine Not, jemanden zu holen."

Außenverteidiger-Problem ohne externe Lösung

Mit Blick auf die Außenverteidiger-Positionen hätte der FC Bayern im Winter jedoch möglicherweise nachlegen müssen. Denn nicht nur Süle spielte zeitweise aufgrund des engen Kaders hinten rechts in der Abwehr. Auch die Linksverteidiger-Position ist nach der Hiobsbotschaft rund um Alphonso Davies und seiner Herzmuskelentzündung eine Problemstelle. 

In den letzten Wochen und Monaten gab es immer wieder Gerüchte um einen Transfer von Sergino Dest. Der Rechtsverteidiger, der auch auf links eingesetzt werden kann, klagte zuletzt über zu wenig Spielzeit beim FC Barcelona und wurde laut "ESPN" schon bei den Münchnern gehandelt. Doch ein Transfer kam nicht zustande.

Gut möglich, dass die Verantwortlichen auch hier eher auf die interne Lösung setzen wollen: Josip Stanisic. Auf dem jungen kroatischen Nationalspieler ruhen die Hoffnungen für die Zukunft. Nicht ganz zufällig wurde auch mit ihm Mitte Oktober bis 2025 verlängert.

Chris Rohdenburg