24.03.2024 09:47 Uhr

MAtS statt Neuer! Jetzt ist ter Stegens Zeit

Marc-André ter Stegen bewahrte Deutschland gegen Kylian Mbappé und Frankreich mit einer starken Parade vor dem Ausgleich
Marc-André ter Stegen bewahrte Deutschland gegen Kylian Mbappé und Frankreich mit einer starken Parade vor dem Ausgleich

Julian Nagelsmann hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft umgekrempelt. Beim 2:0 in Frankreich steht eine Elf auf dem Platz, die plötzlich wieder wie ein EM-Anwärter spielt. Bloß nix mehr groß ändern, will man dem Bundestrainer zurufen. Das gilt auch fürs Tor: Es ist endgültig Zeit für Marc-André ter Stegen. Ein Kommentar.

Toni Kroos ist zurück. Und wie! Die Nummer 8 hat ein fulminantes DFB-Comeback hingelegt, die Fäden im deutschen Spiel gezogen, den Takt vorgegeben, den Rhythmus auf dem Rasen gesteuert. 

Anders gesagt: Kroos hat getan, was er bei Real Madrid seit Jahren tut (und einst auch in der Nationalelf lange tat). 124 Pässe, Passquote 95 Prozent, Vorarbeit zum 1:0 durch Florian Wirtz - und schon wird der in Deutschland oft als "Querpass-Toni" verhöhnte Mittelfeld-Regisseur gefeiert (sport.de-Note: 1,0). Das zeigt, wie groß der Durst nach einem Heilsbringer im EM-Jahr ist.

Bei all dem Hype sollte man nicht vergessen: Nagelsmann hat Kroos zurückgeholt, weil er im Mittelfeld auf seiner Position der zurzeit beste deutsche Spieler ist. Nicht weil er besonders erfahren ist (was er natürlich ist), nicht weil er große Erfolge vorzuweisen hat (was er natürlich hat) - nein, weil er in Form ist und Leistung bringt. Seit Jahren. Beständig. Auf höchstem Niveau.

Ter Stegen pinkelt Eiskristalle

Auch Marc-André ter Stegen hat in Lyon getan, was er seit Jahren beim FC Barcelona tut. Hat Ruhe ausgestrahlt, unter dem Druck anrennender Franzosen sichere Bälle verteilt - und einmal, als es im deutschen Strafraum dann doch lichterloh brannte, glänzend gerettet (sport.de-Note: 2,0).

Im 1-gegen-1 mit Superstar Kylian Mbappé blieb der Torwart in aller Seelenruhe lange stehen, wehrte den Chip des Stürmers mit seiner rechten Pranke souverän ab. Ter Stegen bewahrte die DFB-Elf in einer kritischen Phase (Minute 25) vor dem Ausgleich (Seine Rettungstat gibt es im Video zu sehen. Öffnet sich oben im Artikelfenster!).

Wenn Kroos "Eiswürfel pinkelt" (so Rudi Völler), dann sind es bei "MAtS" mindestens Eiskristalle. Überhaupt strahlte der 31-Jährige gegen den Vize-Weltmeister eine (kalte) Bierruhe aus. Ein Torwart, wie man ihn sich bei der EM hinten drin wünscht.

Das "Problem": In drei Monaten wird Manuel Neuer im deutschen Kasten stehen. Nagelsmann hat sich festgelegt. Die Frage ist nur: Warum? 

Gewiss: Neuer hat nach seiner langen Verletzungspause ein beachtliches Comeback beim FC Bayern hingelegt. Aber: Der Rio-Weltmeister präsentierte sich schon bei den Turnieren 2018, 2021 und 2022 nicht mehr als der gefeierte "Game Changer". Ter Stegen dagegen war im historisch schlechten Länderspieljahr 2023 der wohl einzige Nationalspieler, der tadellose Leistungen zeigte. Über die Performance des Gladbachers im Barca-Tor muss man ohnehin nicht reden. 

Nagelsmann muss seiner Linie treu bleiben

Anders als Neuer (oder auch Thomas Müller) sind die La-Liga-Legionäre ter Stegen und Kroos keine Nationalheiligen in Fußball-Deutschland. Den Barca-Tormann auf die Bank zu setzen, nur weil Neuer eben Neuer ist, der Weltmeister und Super-Manu, wäre falsch. 

Der Bundestrainer sollte nicht die Fehler seiner Vorgänger machen. Berti Vogts stellte 1994 aus Nibelungentreue Bodo Illgner (statt den formstärkeren Andreas Köpke), 1998 Köpke (statt Oliver Kahn) ins Tor. Und Joachim Löw setzte 2018 in Russland auf den erst kurz zuvor genesenen Neuer - statt auf, na klar, ter Stegen. 

Neuer hat seit dem WM-Debakel in Katar kein Länderspiel mehr bestritten, ter Stegen seither in der Nationalmannschaft wie auch im Verein absolut überzeugt.

Bleibt Nagelsmann bei seiner Linie, nur die formstärksten Spieler aufzustellen, führt an ter Stegen kein Weg vorbei. Jetzt ist seine Zeit, die EM 2024 sein Turnier.

Martin Armbruster