25.06.2024 09:31 Uhr

Spaniens Armada drückt der EM weiter ihren Stempel auf

Ferran Torres erzielte das Tor des Tages gegen Albanien
Ferran Torres erzielte das Tor des Tages gegen Albanien

Spanien cruist im Schongang zum Gruppensieg und ins Achtelfinale der Fußball-Europameisterschaft: Gegen stark kämpfende Albaner reicht einer "B-Elf" der Seleccion geschäftsmäßiger Fußball, um zu dominieren. Wer soll diesen spanischen Kader nur schlagen?

"Kein Feuerwerk! Bitte zünden Sie kein Feuerwerk." Die zart besaitete Stimme aus dem Lautsprecher, die die albanischen Fans um zwei Minuten nach Neun aufforderte, das Zündeln sein zu lassen, war nicht zu hören. Wie schon bei ihren Spielen gegen Italien ( in Dortmund) und Kroatien (Hamburg) hatten die albanischen Fans auch die Düsseldorfer EM-Arena in eine rot-schwarze Festung verwandelt. Sie fackelten auf den Rängen unter frenetischem Jubel eine Runde Pyro ab. Es sollte das einzige Feuerwerk des Abends bleiben – und es war genauso schnell verraucht wie die ersten Attacken der Albaner im Duell mit dem großen EM-Favoriten Spanien.

Einige wenige Minuten schien es, als hätten die Rot-Schwarze Meute ihre Truppe auf dem Rasen angezündet. Das Team von Trainer Sylvinho rannte an, arbeitete, kam ein paar Mal vors Tor. Bis die Spanier an diesem lauen Sommerabend Betriebstemperatur erreichten, den Ball nahmen und - bis auf ein paar Ausnahmen - nicht mehr hergaben.

Dass auch die Seleccion mitnichten furienrot strahlte, dieses dritte Vorrundenspiel in Gruppe B vielmehr geschäftsmäßig abhandelte, wie einst die Beamtenschar am spanischen Hofe, untermauert eine beängstigende Überlegenheit. Das Achtelfinal-Ticket schon in der Tasche, hatte Nationaltrainer Luis De La Fuente auf zehn Positionen rotiert. Stichwort Belastungssteuerung. Ganz anders als Bundestrainer Julian Nagelsmann, der mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im Viertelfinale auf Spanien treffen könnte.

Nur Laporte blieb in Spaniens Startelf übrig

Von der iberischen Elf, die Titelverteidiger Italien beeindruckend dominant 1:0 schlug, stand in Düsseldorf nur noch Innenverteidiger Aymeric Laporte auf dem Platz. Sogar im Tor wechselte De La Fuente durch, David Raya vom FC Arsenal durfte EM-Luft schnuppern. Stammtorwart Unai Simon (Athletic Bilbao) verfolgte auf der Bank an der Seite von Edeldiamant Lamine Yamal und Größen wie Dani Carvajal, Pedri oder Alvaro Morata, wie die spanische "B-Elf" Albanien laufen ließ.

Aber was heißt schon B-Elf? Jede andere Nation hätte gerne De La Fuentes zweite Garnitur. Mit den Bundesliga-Assen Dani Olmo (RB Leipzig) im Mittelfeld und Alejandro Grimaldo (Bayer Leverkusen) auf dem linken Flügel. Mit Bayern-Schreck Joselu von Real Madrid und Ferran Torres vom FC Barcelona im Angriff. Und. Und. Und. Auch mit dieser Mannschaft war Spanien Klassen besser als Albanien – ohne den aufopferungsvoll kämpfenden Adlern zu nahe zu treten. Das Team, das Italien am ersten Spieltag bei einem knappen 1:2 lange Paroli geboten und Kroatien ein 2:2 abgetrotzt hatte, war gegen Spaniens durchstrukturierte Edelkicker über ganz weite Strecken chancenlos.

Olmo erwies sich als neuer Motor des spanischen Ballbesitz-Fußballs. Der 26-Jährige verteilte als Zehner viele Bälle. Grimaldo beackerte fleißig die Außenbahn der Spanier, war ein Aktivposten, wenn auch einige Flanken keinen Abnehmer fanden. Beide setzten mit ihrem Einsatz ein kleines Ausrufezeichen an De La Fuente. "Wir haben ein gutes Team, 26 Spieler. Jeder kann da jedes Spiel spielen. Jetzt müssen wir einfach weitermachen, um auch in der nächsten Runde zu gewinnen", sagte Grimaldo nach dem Spiel bei RTL.

Das Gewinnen jedenfalls ist eingeübt, zum dritten Vorrunden-Sieg segelte die Armada gefühlt im Schongang. Ohne Feuersbrunst und Kanonage. Mit bleiernem Ballbesitzfußball und gnadenloser Effizienz.

Olmo nahm einen Steilpass aus der Innenverteidigung dankend an und steckte wohl temperiert zu Torres durch - Tor (12.). Von da an war die Sache gefühlt durch. Spanien garte Albanien auf kleiner Flamme, wickelte den Außenseiter in seinen Kurzpass-Teig. Dass der Favorit zur Halbzeit nur 1:0 führte, lag vor allem an der Verspieltheit der Furia Roja. Statt direktem Abschluss verlor sich das Team oft im Klein-Klein.

Yamal darf in der Schlussphase mitwirken

Die Spanier spielten so überlegen, dass sie sich auf ihrem Weg zum Gruppensieg ab und an fast selbst ein bisschen einzulullen schienen. Kurz vor der Pause hatte Albanien auf einmal doch Platz: Kristjan Asllani zog aus 25 Metern ab, der halbhohe Schuss war für Raya aber wie gemalt.

Nach gut einer Stunde zeigte der Schlussmann nochmals, warum er ein Guter ist. Im Sechszehner der Seleccion kam der eingewechselte und steil geschickte Armando Broja zum Abschluss. Raya riss seine rechte Pranke hoch und wehrte ab. Auch ein Linksschuss des engagierten Asllani (77.) und ein Spitzler aus kurzer Distanz von Broja in der Nachspielzeit ließen albanische Herzen nochmals höher schlagen.

Die Spanier und ihren Anhang rissen diese Chancen freilich allenfalls kurz aus der eigenen Siegesseligkeit. Spanien umweht bei dieser Euro eine Aura. In Düsseldorf hatte man nie das Gefühl, dass dem dreimaligen Europameister etwas passieren könne. Was auch daran lag, dass De La Fuente 20 Minuten vor Abpfiff das 16-jährige Wunderkind Yamal und den arrivierten Morata noch von der Leine ließ.

Mit so viel Klasse tiki-takate der dreimalige Europameister die Partie nach Hause, wennschon Albanien – das EM-Aus vor Augen – noch einmal alles nach vorne schmiss. Vergebens. Die überzeugende EM-Premiere der Rot-Schwarzen ist zu Ende, wahrlich keine Schande in einer Gruppe mit den Fußball-Giganten Spanien, Italien und Kroatien.

Das Fazit des Abends lautet indes wie schon nach dem rot-gold-roten Einbahnstraßen-Erfolg über Italien: Der EM-Pokal 2024 geht nur über Spanien. "Wir müssen uns auf uns konzentrieren, nicht zu viel vorausschauen und nicht darauf hören, was andere von außerhalb sagen", mahnte Ersatztorwart Raya am RTL-Mikrofon: "Wir wissen, zu was wir in der Lage sind. Aber wir müssen bescheiden bleiben und das nächste Spiel, den nächsten Tag angehen." In der Demut soll nach zwölf titellosen Jahren die spanische Kraft liegen.

Aus Düsseldorf berichten Martin Armbruster und Emmanuel Schneider