25.06.2024 07:17 Uhr

Das muss Deutschland bei der EM (noch) besser machen

Deutschlands Nationalmannschaft steht im Achtelfinale der Fußball-EM
Deutschlands Nationalmannschaft steht im Achtelfinale der Fußball-EM

Nach den beiden überzeugenden Siegen gegen Schottland und Ungarn tat sich die deutsche Nationalmannschaft im dritten Vorrundenspiel der Fußball-EM gegen die Schweiz lange schwer. Erst Niclas Füllkrug sicherte der DFB-Elf mit seinem Last-Minute-Kopfballtor den Gruppensieg. Mit Blick auf die Statistiken zieht sport.de ein erstes Zwischenfazit und erklärt, was Deutschland im Achtelfinale am Samstag (21 Uhr) noch besser machen muss.

Sieben Punkte aus drei Spielen und ein Torverhältnis von 8:2: So lautet die Bilanz der deutschen Nationalmannschaft nach der EM-Vorrunde.

Mit Platz eins in der Gruppe wurde die DFB-Auswahl ihrer Favoritenrolle bei der Heim-EM bisher gerecht. Was zeichnet das Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann aus? In welchen Bereichen gibt es noch Luft nach oben?

Fußball-EM 2024: Deutschland dominiert im eigenen Ballbesitz

Bei der deutschen Mannschaft ist eines ganz klar: Sie will den Ball haben.

72 Prozent Ballbesitz gegen Schottland, 69 Prozent gegen Ungarn und 65 Prozent gegen die Schweiz sind einsame Spitze. Dazu baut die deutsche Mannschaft das Spiel sehr tief auf. Manuel Neuer spielte bislang kaum einen Ball lang nach vorne. Von hinten heraus werden die Torchancen mit langen Ballbesitzphasen und viel Ruhe vorbereitet Gegen dezimierten Schotten wurde nur einer von drei Bällen in Richtung Tor gespielt. Dreh- und Angelpunkt ist Toni Kroos: 328 von 362 Pässen brachte er bisher an den Mann.

Ein Grund für die hohen Ballbesitzwerte ist jedoch auch die gegnerische Taktik. Die Vorrundengegner standen meistens sehr tief in der eigenen Hälfte und gingen erst kurz vor dem eigenen Tor ins Pressing über. Hier zeigten sich Musiala, Wirtz und Co. aber sehr ballsicher und hatten insgesamt über 49 Ballkontakte pro gegnerischen Tackling. So fand die deutsche Mannschaft trotz vieler Beine immer wieder Lücken in der Abwehr. 94 mal kontrollierten sie den Ball im gegnerischen Sechzehner - deutlich häufiger als ihre Gegner im deutschen Strafraum (27). 

Im letzten Drittel zeigten sich die Deutschen jedoch ungeduldiger. Nur 7,2 Pässe dauerte es im Schnitt, bis der Abschluss gesucht wurde.

Hier ist in der K.o.-Runde mehr Ruhe gefragt, denn die Abschlusspositionen waren meistens nicht sehr vielversprechend: 0,08 expected Goals (xG) pro Schuss bedeutet Rang 18 in Sachen Torschussgefahr im Ranking der 24 EM-Teilnehmer.

Doch die Deutschen zeigten sich bisher sehr effizient und abschlussstark: Nach der Schussabgabe stieg die erwartete Torwahrscheinlichkeit von 5 auf insgesamt 7 xG, am Ende waren es bekanntlich sogar acht Treffer in den drei Spielen. 

Im letzten Gruppenspiel gegen die Schweiz fiel der deutschen Mannschaft das Kombinieren in Strafraumnähe deutlich schwerer. Daher versuchte sie es immer häufiger mit einer Flanke.

Nachdem Havertz zweimal per Kopf das Tor verfehlte, wechselte Nagelsmann David Raum und Niclas Füllkrug ein. Die beiden sorgten mit ihrer Flankenpräzison und Kopfballstärke schließlich für den späten Ausgleich. Gerade Füllkrug sammelt als "echter" Neuner immer mehr Argumente für einen Startelfeinsatz.

Defensiv stabil, aber Nagelsmann muss umbauen

Doch nicht nur offensiv wusste die deutsche Mannschaft bisher zu überzeugen. Auch das Gegenpressing funktionierte bisher prima. Die Gegner waren zwar technisch limitierter, doch die Deutschen legten auch die nötige Intensität auf den Platz. 3,5 Tacklings pro 100 gegnerischer Ballkontakte sind aktueller Spitzenwert bei der EM.

So kamen die deutschen Gegner nur zu wenigen Chancen. Schottland, Ungarn und die Schweiz hatten zusammen einen xG-Wert von 1,8. Kurioserweise spielte Deutschland gegen Ungarn zu Null, obwohl diese die dicksten Chancen hatten (1,18 xG). Schottland (0,02 xG) profitierte hingegen von Antonio Rüdigers unglücklichem Eigentor.  

Doch vor allem im letzten Spiel funktionierte die defensive Tiefenabsicherung nicht so gut: Vier Steckpässe spielten die Schweizer zwischen die deutschen Verteidiger. Zweimal standen die Eidgenossen im Abseits, doch in der 28. Minute leitete Rieders Pass auf Freuler den Gegentreffer ein. Gegen noch spielstärkere Mannschaften muss diese Schwäche auf jeden Fall behoben werden.

Im Achtelfinale wird Nagelsmann die Viererkette gezwungenermaßen umbauen müssen. Im ersten K.o.-Spiel wird wohl Nico Schlotterbeck den gelb-gesperrten Jonathan Tah ersetzen. Der Dortmunder bringt vor allem die nötige Kopfballstärke mit, doch er muss seine individuellen Fehler abstellen. Ob Rüdiger rechtzeitig fit wird, ist noch offen. Mit Waldemar Anton stünde aber ein weiterer zweikampfstarker Innenverteidiger bereit.

Wer und was erwartet Deutschland im EM-Achtelfinale?

Als Gruppensieger trifft die DFB-Elf nun auf den Tabellenzweiten aus der Gruppe C. Hier ist bislang noch nichts entschieden.

Aktuell steht Dänemark - punktgleich mit der Slowakei - auf dem zweiten Rang. Auf Platz eins rangieren trotz bislang eher enttäuschender Auftritte die favorisierten Engländer. Serbien belegt nach der knappen Auftaktniederlage gegen England sowie dem Unentschieden gegen die Slowenen den letzten Platz und braucht gegen Dänemark unbedingt einen Sieg zum Weiterkommen.

Offensiv lief bei den Engländern bisher wenig zusammen. Sie entwickelten bisher wenig Zug zum Tor und erspielten sich nur wenige Chancen und gute Abschlusspositionen. Im Spielaufbau kommt es häufig zu Missverständnissen zwischen den kombinationsstarken Aufbauspielern und Keeper Pickford, der den Ball meistens lieber weit nach vorne schlägt. Defensiv wurden sie allerdings erst einmal per Fernschuss bestraft.

Die Dänen sind vor allem im eigenen Ballbesitz stark. Allen voran Christian Eriksen, der bisher die meisten Schlüsselpässe im Turnier gespielt hat (11). Die Serben probieren es hingegen lieber mit Flanken, während die Slowenen mit viel Zug zum Tor direkt den Abschluss suchen. 

Doch der Blick auf die Statistiken zeigt auch: Stand jetzt geht Deutschland als Favorit ins Achtelfinale.

Leonard W. Brockes