02.10.2024 20:54 Uhr

VfB-Star hämmert mächtig an Deschamps' Tür

Enzo Millot bejubelt seinen Treffer gegen Prag
Enzo Millot bejubelt seinen Treffer gegen Prag

Für TV-Experte Didi Hamann ist er momentan der "wahrscheinlich beste" Bundesliga-Spieler: Enzo Millot stehen beim VfB Stuttgart und in Europa die Türen offen. Auch bald in der Nationalmannschaft Frankreichs?

Alles andere als eine Übertreibung: Enzo Millot ist in der Form seines Lebens.

Dafür braucht's nur einen kleinen Blick in die vergangenen zwei Fußball-Wochen. Im Bernabeu trieb er den VfB Stuttgart zu einer fulminanten ersten Halbzeit, brachte die Real-Stars ins Schwitzen.

Fünf Tage später gegen Borussia Dortmund ließ er in gleich zwei Szenen fintenreich mehrere BVB-Verteidiger stehen. Vor allem vor dem 4:1 tänzelte der Franzose Nico Schlotterbeck und Co. an der Kante der Auslinie derart aus, dass er damit eigentlich eine Bewerbung für "Let's Dance" abschickte. One-Two-Step, zwei Assists, ein Tor. Verbeugung. Abgang.

Eine Woche später gegen Wolfsburg versemmelte er zwar zunächst einen Elfmeter, legte aber den Nachschuss rein. Treffer Nummer drei in der noch jungen Saison, dazu steht er bei zwei Assists.

Jetzt trifft er auch noch mit dem Kopf

Und auch an diesem Dienstagabend gegen Sparta Prag war der 22-Jährige einer der besten, vielleicht der beste Stuttgarter auf dem Platz. Beim ersten Champions-League-Heimspiel seit 14 Jahren versenkte er eine Flanke von Maximilian Mittelstädt in der 7. Minute mit dem Kopf. Sogar mit diesem Körperteil trifft der Franzose jetzt schon.

Nach der Partie gegen den BVB hatte Deniz Undav in der Mixed Zone gescherzt, dass dies absolut nicht die Stärke seines Teamkollegen sei. Sportvorstand Fabian Wohlgemuth lobte nach dem Remis gegen Prag: "Er macht ein Kopfballtor, das macht er nicht so oft und ist außergewöhnlich." Neben einem Traumpass auf Undav hatte Millot zudem das 2:1 auf dem Fuß, wurde als Spieler des Spiels ausgezeichnet. 

Für "Sky"-Experten Didi Hamann zählt Millot schon jetzt zu den besten Spielern der Liga. Der Offensivspieler sei zurzeit sogar ganz vorne mit dabei. "Der Junge ist wahrscheinlich der beste Spieler der Bundesliga im Moment. Der hatte keinen Urlaub, der war bei Olympia. Er hat eine super Saison letztes Jahr gespielt und jetzt spielt er hier diesen Fußball, den er spielt", schwärmte der Ex-Bayern-Profi in der vergangenen Woche.

Angesprochen auf diesen Superlativ, sagte Sportvorstand Fabian Wohlgemuth am Dienstag: "Er macht's aktuell sehr, sehr gut. Auch heute wieder, er war Spieler des Spiels. Er ist ein sehr guter Bundesligaspieler."

Tatsächlich ist die Entwicklung des Franzosen beim VfB beeindruckend. Sie war in diesem Ausmaß nicht unbedingt vorherzusehen.

Seine ersten Schritte machte Millot bei AS Monaco, feierte dort auch das Debüt als Profi in der Ligue 1. Den richtigen Durchbruch schaffte er aber erst beim VfB Stuttgart. Im Sommer 2021 wechselte er von der Cote d'Azur an den Neckar.

Unter Labbadia ausgemustert, dann folgte der Durchbruch

Die Entwicklung im Schwabenland verlief keineswegs geradlinig. Unter Feuerwehrmann Bruno Labbadia war er Ende 2022 und Anfang 2023 sogar ganz außen vor. Die Welten des manchmal eigenwilligen Franzosen und dem harten Trainer-Hund Labbadia kollidierten im Abstiegskampf kolossal, beide rasselten aneinander.

Labbadia ordnete früh am Morgen erste Laufeinheiten an, das stieß auf eher wenig Amour. Millot sah kaum Spielzeit, landete teilweise auf der Tribüne. Fast schon legendär das Zitat von Labbadia: "Da passen momentan die Trainingsleistungen nicht zu dem, was wir brauchen." Aus heutiger Sicht kurios.

Der Rest ist Geschichte: Das Projekt Labbadia scheiterte und unter dessen Nachfolger Sebastian Hoeneß ging Millots Stern so richtig auf. Bezeichnend: Schon beim Debüt von Hoeneß machte Millot das entscheidende Tor (im Pokal gegen Nürnberg). Die Gründe für die rasante Entwicklung? Das offensiv ausgelegte Spielsystem von Hoeneß bringt die Anlagen des Mittelfelsspieles zur Geltung.

"Dass Sebastian Hoeneß mit seiner Spielphilosophie beim VfB als Cheftrainer übernahm, kam mir sicherlich entgegen. Ich konnte mehr und mehr Spielzeit sammeln sowie viele Partien hintereinander absolvieren. Das hat mir für meine Entwicklung geholfen", sagte Millot dem Stadionmagazin des VfB.

Entscheidend sei auch die erfolgreiche Relegation 2023 gegen den HSV gewesen. "Als Mannschaft haben wir eine große Drucksituation gemeistert und den Klassenerhalt geschafft. Das hat uns allen und auch mir persönlich viel Kraft gegeben."

Millot ist ein echter Zocker

Die neuen Freiheiten, das Vertrauen zahlte Millot oft (nicht immer) zurück. Zudem kümmerten sich Dan-Axel Zagadou und Serhou Guirassy als große Brüder um ihren jungen Kollegen. Das Ego sollte etwas gezähmt werden.

Seither glänzt der Mittelfeldspieler mit Technik und Ballbehandlung. Er ist ein echter Zocker. So sieht das auch Teamkollege Deniz Undav.

"Er ist einer unserer besten Spieler, technisch sehr, sehr gut. Er ist ein überragender Kicker", sagte der Doppel-Torschütze nach der 5:1-Gala gegen den BVB unter anderem zu sport.de. "Ich glaube, er hat nochmal einen Schritt nach vorne gemacht im Vergleich zur Vorsaison. Das zeigt er seit dem ersten Spieltag. Er ist mit der beste Spieler, was die Leistung angeht, vom ersten bis zum jetzigen Spieltag. Ich hoffe, er kann das weitermachen." Millot sei "sicher am Ball, hat immer eine gute Idee, will immer zocken."

Trainer Hoeneß stellte aber auch heraus, wie wichtig Millot in der Arbeit gegen den Ball sei. Neben der offensiven Halbspur und dem Zentrum kann er auch auf der Sechs dahinter spielen.

"Der Junge ist gesegnet mit außergewöhnlichen Qualitäten, wirklich unglaublich", sagte Hoeneß über den entfesselten Millot.

Millot entfesselt - und von Henry schon befördert

In dieser Saison scheint Millot noch stabiler als zuvor. Es wirkt so, als habe er den nächsten Schritt gemacht. "Ich habe zuletzt etwas offensiver gespielt, das kann ein Grund sein. Zudem sind wir in unserem Angriffsspiel relativ variabel und mutig unterwegs, die Abläufe werden immer besser", schätzte Millot im Vereinsmagazin seine Entwicklung in der neuen Spielzeit ein.

Das wird auch in seiner Heimat wahrgenommen.

Schon im Sommer durfte er für das französische Nachwuchsteam bei Olympia ran. Zwar leistete er sich dort im Viertelfinale eine unnötige Rote Karte im Heckmeck mit den Argentiniern nach Schlusspfiff. Der Anpfiff von Trainer und Idol Thierry Henry wirkte.

Im Finale gegen Spanien durfte Millot ran – und traf. Für den Sieg reichte es nicht. Trotzdem: Der Youngster brachte stolz seine Silbermedaille an die Mercedesstraße, stieg sofort wieder ins Training ein und stand schon im Supercup gegen Bayer Leverkusen in der Startelf, erzielte sehenswert den 1:1-Ausgleich. Jüngst wurde er vom Ex-Welt- und Europameister Henry sogar zum Kapitän der U21 ernannt.

Und wer weiß: Wenn Millot in der Liga und der Champions League, die auch in Frankreich genau verfolgt wird, weiter performt, wäre der nächste Schritt ins A-Team eigentlich folgerichtig.

Der nächste Millionentransfer des VfB Stuttgart?

Dort wartet bei Didier Deschamps zwar eine unfassbare Prominenz und Qualität als Konkurrenz. Die PSG-Stars Ousmane Dembélé und Bradley Barcola sowie Bayern-Zugang Michael Olise sind nur einige davon. Allerdings: Atletico-Star Antoine Griezmann kündigte jüngst seinen Abschied aus dem Nationalteam an, auch um der neuen Generation Platz zu machen. Zu der darf sich Millot getrost zählen.

Ob er dann zur WM 2026 beim Titelanwärter einen Platz im Kader oder gar Startelf finden wird, ist schwer abzusehen. Überrascht sollte aber keiner sein, wenn Millot seine Chance bekommen wird.

Der VfB überwies 2021 knapp zwei Millionen Euro nach Monaco. Inzwischen hat er seinen Marktwert auf über 30 Millionen Euro katapultiert. In den kommenden Jahren wird Millot wohl der nächste Multimillionen-Transfer des VfB Stuttgart. Anfang des Jahres hatte er seinen Vertrag bis 2028 verlängert. Allerdings: Medienberichten zufolge gibt es eine Ausstiegsklausel, die bei 25 bis 30 Millionen Euro liegen soll. Für deutsche oder europäische Topklubs könnte Millot so fast schon zum Schnäppchen werden.

In der Gegenwart aber will er mit dem VfB in der Liga und der Champions League weiter für Furore sorgen und in der Königsklasse den ersten Sieg holen.

Vor allem ein Spiel hat er fest im Visier. Nach der Auslosung der Ligaphase jubelte Millot bei einem Team am lauteste: Paris Saint-Germain. Das Team mit der größten Strahlkraft in seiner Heimat. Im Januar reist PSG nach Stuttgart. Vor Millot werden sie gewarnt sein. Viele französischen Fans werden zuschauen. Beste Bühne für Eigenwerbung an Nationalcoach Didier Deschamps.