19.02.2025 14:46 Uhr

"Totale Fehlentscheidung": Babbel rechnet mit BVB ab

Markus Babbel hat den Finger in die Wunde beim BVB gelegt
Markus Babbel hat den Finger in die Wunde beim BVB gelegt

Vor dem Rückspiel in den Champions-League-Playoffs gegen Sporting macht der frühere Bundesliga-Profi Markus Babbel Borussia Dortmund im Gespräch mit sport.de wenig Hoffnungen auf eine erneute Qualifikation für die Königsklasse. Laut dem TV-Experten lag der erste große BVB-Fehler auf dem Weg zu diesem Ziel schon darin, Nuri Sahin im Sommer zum Cheftrainer zu befördern.

Markus Babbel glaubt nicht, dass Borussia Dortmund nach der bisherigen Katastrophen-Saison noch in die Champions League einziehen wird.

Die Schuld dafür sieht der ehemalige Bundesliga-Profi bei der BVB-Chefetage, die sich im letzten Sommer dazu entschied, Nuri Sahin "vom Auszubildenden zum Chef zu machen", wie er im Interview mit sport.de betont. Sahin habe daraufhin einiges vermissen lassen. Nicht die einzige deutliche Kritik, die Babbel am BVB übt.

Herr Babbel, Bayer Leverkusen hat acht Punkte Rückstand auf Spitzenreiter FC Bayern, Borussia Dortmund hat acht Punkte Rückstand auf Champions-League-Rang vier. Wo ist es aus Ihrer Sicht realistischer, dass die Aufholjagd noch gelingt?

Markus Babbel: Bei Dortmund habe ich ganz große Zweifel. Also da glaube ich eher, dass Leverkusen es schafft, weil sie eine brutale Qualität haben. Sie brauchen jetzt aber das Quäntchen Glück. Das fehlte am Wochenende im direkten Vergleich einfach. Es müssten also einige Dinge aus Bayern-Sicht unglücklich laufen, dann ist das für die Werkself noch möglich.

Dass der BVB noch die Königsklasse erreicht, schließen Sie also aus?

Bei Dortmund sehe ich die Qualifikation für die Champions League nicht mehr. Das sind allerdings in meinen Augen total hausgemachte Probleme. Man hat im Sommer - wie ich finde - eine totale Fehlentscheidung getroffen, was den Trainer anbetraf.

Nicht, weil Nuri Sahin ein schlechter Trainer ist, das kann ich gar nicht beurteilen. Aber es war zu früh für ihn. Er ist noch zu jung, um so einen großen Klub wie Borussia Dortmund zu leiten, dazu ein ähnlicher Typ wie Edin Terzic. Das konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen.

Was hat Sahin falsch gemacht?

Als Außenstehender kann ich sagen: Es sind zu viele handwerkliche Fehler unter Sahin passiert. Er hat es nicht geschafft, eine Mannschaft zu formen, in der es Führungsspieler gibt. Und diesen dann auch mal zu verzeihen, wenn sie ein schlechtes Spiel abgeliefert haben. Es gab permanente Wechsel. Sahin hat es nie geschafft, eine Truppe auf den Platz zu bringen, bei der sich Dreiviertel der Mannschaft sicher waren, dass der Trainer ihnen vertraut und die dann auch versucht, dieses Vertrauen mit Leistung zurückzuzahlen. Das ist alles krachend gescheitert beim BVB. Und jetzt hat man eine verunsicherte Truppe. 

Es klingt, als hätten Sie noch mehr zu bemängeln.

Das zweite Problem, das ich sehe: Der BVB macht körperlich einen schlechten Eindruck. Sie schaffen es nicht alle drei Tage 100 Prozent spielen zu können. Sie haben immer wieder diese positiven Ausreißer, wie jetzt in Lissabon, wo sie in der zweiten Halbzeit - die erste war ja auch nicht toll - richtig gut Fußball gespielt haben. Und dann denkt man: Das ist es jetzt.

Und dann verlieren sie in Bochum danach mehr oder weniger sang- und klanglos das Spiel. Dabei wussten sie ja eigentlich, was auf sie zukommt. Aber sie schaffen es nicht, genug abzurufen, weil sie aus meiner Sicht körperlich gar nicht in der Lage sind. Und dann kommt raus, was jetzt rauskommt. Und warum sollte das in der nahen Zukunft besser werden?

Sahins BVB-Nachfolger Niko Kovac sind also quasi die Hände gebunden?

Eines habe ich gelernt als ehemaliger Trainer: Eine Mannschaft während der Saison fit zu bekommen, ist brutal schwer. Das wird auch Niko Kovac nicht schaffen.

Wäre es unter Kovac besser gelaufen, hätte er den BVB schon im letzten Sommer übernommen?

Definitiv! Ich sage es mal so: Im Nachhinein ist es immer leicht, zu kritisieren, im Nachhinein weiß ich immer alles besser. Aber: Fußball ist auch ein Stück weit Wahrscheinlichkeitsrechnung. Und die Wahrscheinlichkeit ist einfach größer, wenn die Mannschaft fit ist. Es gab wahnsinnig viele Verletzte. Das kam auch daher, dass sie ein gewisses Level an Fitness nicht haben, das es braucht.

Dann gibt es zu viele Spiele, wo man körperlich an die 100 Prozent ran muss, dann platzt einem der Reifen, das ist der Klassiker. Jens Lehmann hat es ja vor einiger Zeit mal kritisiert: Wenn ich so viele Verletzte habe, muss ich mir auch mal Gedanken über das Training machen.

War der BVB denn unter Terzic zuvor fitter? Auch da gab es ja einige Verletzungen. Lief es da besser?

Sagen wir es mal so: Wenn ich jetzt Edin Terzic dagegen nehme, der ist ja mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt worden. Er wurde Vizemeister und hätte sogar Meister werden können. Im letzten Spiel gegen Mainz waren dann auch einfach mal die Spieler gefragt, die dieses Spiel gegen Mainz gewinnen müssen, dann sind sie Deutscher Meister.

Eine Saison darauf waren sie im Champions-League-Finale und waren dort in der ersten Halbzeit sogar die klar bessere Mannschaft. Da muss ich die Chancen auch mal reinmachen als Spieler, das kann ich auch nicht am Trainer festmachen. Aber: Er war ihnen nicht gut genug.

"Da macht der BVB mit Sahin den Auszubildenden zum Chef"

Ein wiederkehrendes Schema beim BVB ...

So geht es in Dortmund ja gefühlt seit 15 Jahren. Weil angeblich kein Trainer seit Jürgen Klopp gut genug ist. Und es waren ja schon ein paar große Namen dabei: Lucien Favre, Marco Rose, die ja alle ausgewiesene Spezialisten sind. Und Edin Terzic eben auch. Und er war auch nicht gut genug. Und bei Sahin macht man den Auszubildenden zum Chef und der soll auf einmal der große Heilsbringer werden. Da habe ich mich schon im Sommer gefragt: Seid ihr jetzt von allen guten Geistern verlassen? Und dann ist genau das eingetreten, was ich befürchtet habe.

Jetzt ist Kovac gefragt und unter der Lupe ...

Niko Kovac soll nun richten, was in den Brunnen gefallen ist. Und ich frag mich: wie? Es kann gut passieren, dass Niko Kovac am Ende der Saison auch wieder weg ist.


Im Video: BVB-Coach Kovac findet klare Worte:


Es klingt auch Kritik an den Verantwortlichen durch ...

Der Fehler bei Sahin war einfach, dass man das völlig falsch eingeschätzt hat. Wahrscheinlich hat man gedacht, als man nach Leverkusen geguckt hat, dass dort mit Xabi Alonso ein Trainer Erfolg hat, der zuvor nur die Zweitvertretung von San Sebastian, aber keine große Mannschaft trainiert hatte. Oder man hat beim FC Bayern gesehen, dass die einen Vincent Kompany holen, der zuvor beim FC Burnley gearbeitet hat.

Und dann hat man in Dortmund gemeint: Jetzt müssen wir einen blutjungen Trainer nehmen, der keinerlei Erfahrung hat, den schmeißen wir da auch rein. Nochmal: Sahin war vorher Terzics Assistent, das hat ein Geschmäckle. Ich kann die Entscheidung ganz und gar nicht nachvollziehen.

Denken Sie, Europa ist für den BVB dennoch erreichbar, wenn auch nicht unbedingt die große Champions-League-Bühne?

Ganz ausschließen kann man es nicht. Die einzelnen Spieler an sich haben ja Qualität. Aber Fakt ist, jeder, der zu Dortmund gekommen ist, wird schlechter. Das ist auch so ein Bild, an dem man erkennen muss, was schiefläuft. Wenn man die Mannschaft hernimmt, dann sagt man zu Recht: Mit der Truppe musst du unter die ersten vier.

Jetzt ist es aber so, dass man schauen muss, dass man noch in die Conference League kommt - von der Europa League spreche ich gar nicht. Aber selbst da habe ich Befürchtungen, dass es nicht klappt.

Das Gespräch fand in Kooperation mit wette.de statt.