01.04.2025 07:35 Uhr

Sorgenkind beim BVB: Der Gittens-Absturz

Jamie Gittens spielt beim BVB derzeit nur eine Nebenrolle
Jamie Gittens spielt beim BVB derzeit nur eine Nebenrolle

In der Hinserie war Jamie Gittens in einer ansonsten maßlos enttäuschenden BVB-Mannschaft noch der große Lichtblick, seit dem Trainerwechsel läuft bei dem Engländer jedoch gar nichts mehr zusammen. Zuletzt war der Offensivmann abseits des Rasens auffälliger als darauf, seine Missstimmung spiegelt sich Woche für Woche in glücklosen Darbietungen wider. Für Borussia Dortmund eine ernüchternde Entwicklung - auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Als Jamie Gittens am Sonntagabend das Spielfeld im Signal Iduna Park betrat, war die Partie bereits entschieden. Beim Stand von 3:1 wurde der 20-Jährige im Heimspiel von Borussia Dortmund gegen Mainz 05 für Karim Adeyemi eingewechselt, als die Nachspielzeit anbrach.

In der sport.de-Einzelkritik wurde Gittens' Kurzeinsatz wie folgt zusammengefasst: "Hatte keine Ballaktion mehr. Bitter für ihn, wie wenig seine Qualitäten aktuell gefragt sind."

Tatsächlich ist der sportliche Absturz des englischen U21-Nationalspielers, der von nahezu allen Premier-League-Spitzenteams gejagt werden soll, in der Rückrunde ebenso bemerkenswert wie alarmierend.

Jamie Gittens beim BVB unter Kovac kein Faktor mehr

Unter Nuri Sahin hatte Gittens in 27 Pflichtspielen noch elf Tore erzielt, vier Vorlagen gesammelt und auch sonst immer wieder das Angriffsspiel der Borussen angekurbelt. Mit gerade einmal 20 Jahren avancierte er zum Alleinunterhalter.

Wenige Monate später wirkt er allein und unterhält sich mit fast niemandem mehr. Seine persönliche Krise hat ihm spürbar zugesetzt, das ist auch Sebastian Kehl nicht entgangen. "Man merkt ihm an, dass er gerade frustriert ist", wurde der Sportdirektor kürzlich von "Bild" zitiert.

Ein Blick in die Statistik verrät: Seit Niko Kovac im Amt ist, hat Gittens in elf Einsätzen keinen einzigen Scorerpunkt mehr gesammelt. Dabei durfte er immerhin sechs Mal von Beginn an ran, wirkte bei seinen Bewährungschancen in der Startelf aber völlig indisponiert.

Gittens' Leistungsdaten seit dem Trainerwechsel
WettbewerbEinsätzeStartelfToreVorlagenSpielminuten
Bundesliga7300252
Champions League4300188

Oder um es mit den Worten von BVB-Legende Kevin Großkreutz in dessen Podcast zu sagen: "Wenn er einen guten Tag hat, ist er ein Weltklassespieler, wenn nicht, dann kann er bei uns in der Westfalenliga spielen."

Scharmützel auf und neben dem Platz

Bezeichnend: Statt sich auf dem Rasen in die Zweikämpfe zu stürzen, verhedderte sich der gebürtige Londoner, der 2020 aus dem Nachwuchs von Manchester City nach Dortmund gewechselt war, zuletzt mehrfach in Scharmützeln.

Bei der peinlichen 0:2-Pleite im Revierduell gegen den VfL Bochum legte sich Gittens mit den eigenen Fans an, rief ihnen "Shut up" (zu Deutsch: "Halt's Maul") zu.

Nach dem 0:0 gegen Sporting CP im Zwischenrunden-Rückspiel der Champions League, bei dem der Youngster schon zur Pause ausgewechselt wurde (Kovac: "Er hat unglücklich gespielt"), verschwand er rund zehn Minuten nach dem Schlusspfiff mit finsterer Miene aus den Stadion-Katakomben.

Und zu allem Überfluss lieferte sich Gittens beim 0:1 gegen den FC Augsburg auch noch einen kleinen Disput mit seinem früheren Mitspieler Marius Wolf. Solche Momente mag es freilich an jedem Spieltag geben, die Szene spricht dennoch für sich und passt ins Bild der letzten Wochen.

Jamie Gittens schubst seinen Ex-Kollegen Marius Wolf weg
Jamie Gittens schubst seinen Ex-Kollegen Marius Wolf weg

Dreistellige Millionen-Ablöse erhofft

In der Chefetage von Borussia Dortmund dürfte Gittens' Tiefflug die eine oder andere neue Sorgenfalte gebracht haben. Schließlich zählt der Engländer zum nicht mehr allzu üppigen Tafelsilber der Schwarz-Gelben, die sich im Falle eines Transfers angeblich eine Ablöse jenseits der 100-Millionen-Euro-Schallmauer versprochen haben.

Da beim BVB nach derzeitigem Stand für die kommende Saison nicht mit den gewohnten Königsklassen-Millionen gerechnet werden kann, rücken Verkäufe automatisch in den Fokus. In der Hinrunde galt Gittens dabei noch als das wohl heißeste Eisen, sein Marktwert explodierte parallel zu seiner Form.

Doch der Hype ist abgeflaut, und aktuell scheint nur schwer vorstellbar, dass ein Interessent (gehandelt wurde u.a. auch der FC Bayern) im Sommer bereit sein könnte, im dreistelligen Millionenbereich für den bis 2028 gebundenen Linksaußen zu investieren.

Gittens "einer der Verlierer des Trainerwechsels"

Womöglich hat Gittens im vergangenen Herbst auch einfach "overperformed", wie Kovac zu Monatsanfang noch selbst mutmaßte (Video öffnet sich unten). Bisher hat es der Sahin-Nachfolger nicht geschafft, das Sorgenkind wieder in die Spur zu bringen. Dessen Hang zu waghalsigen Eins-gegen-Eins-Duellen passt nicht zum neuen taktischen Ansatz, der auf Sicherheit durch möglichst wenige Ballverluste ausgelegt ist.

René Langhoff, BVB-Experte bei RTL, sieht Gittens in einer schwierigen Position. "Er ist einer der Verlierer des Trainerwechsels. Im Moment ist es ganz, ganz wenig", fasste er seine jüngsten Eindrücke vom Flügeldribbler zusammen.

Zwar müssten dem 20-Jährigen Schwankungen auch aufgrund seines Alters zugestanden werden, der Traum von einer dreistelligen Millionen-Ablöse sei ob seiner Formkrise gegenwärtig allerdings "utopisch". Zudem glaube er nicht, dass Gittens im Saison-Endspurt noch einmal als Startelfspieler zum "Faktor" werde.

Bislang erlebe der Rechtsfuß, dem sichtlich das Selbstvertrauen fehle, schlicht und ergreifend eine "Rückrunde zum Vergessen". Eine Einschätzung, die in Dortmund viele teilen dürften. Gittens' Absturz ist real - und Besserung vorerst nicht in Sicht.