Pro/Contra: Darum macht's der VfB - darum Arminia

Showdown in Berlin! Am Samstagabend duellieren sich Arminia Bielefeld und der VfB Stuttgart um den legendären DFB-Pokal. Unsere Redakteure erklären, wieso es der Underdog macht - oder eben nicht.
Stuttgart gegen Bielefeld, Bundesligist gegen Drittliga-Meister, zwei große Fanlager. Im DFB-Pokalfinale wartet ein echter Fußball-Leckerbissen mit dem Potenzial zum Spektakel. In unserem Pro/Contra streiten die sport.de-Redakteure darüber, wer den Pott gewinnt. Bühne frei!
Darum schafft Arminia Bielefeld die Sensation
Auf das wohl größte Pfund, den Heimvorteil auf der Alm, wird Arminia Bielefeld im DFB-Pokalfinale am Samstagabend in Berlin nicht zurückgreifen können. Wer allerdings glaubt, dass alleine die besondere Flutlicht-Atmosphäre im "deutschen Anfield" für den Finaleinzug der Ostwestfalen verantwortlich ist, der irrt ...
Vielmehr ist es die besondere Herangehensweise des DSC, gepaart mit einem hart erarbeiteten Selbstverständnis, das aus einem fabelhaften Jahr 2025 resultiert. Die letzte Pflichtspielpleite für den Meister der 3. Liga setzte es Anfang März gegen den SC Verl. Seitdem überrollte die Arminia-Lawine die Liga, auch Spitzenteams wie Hansa Rostock wurden an die Wand gespielt.
Ja, der VfB Stuttgart ist noch einmal ein ganz anderes Kaliber, verstecken muss sich die Arminia aber auch gegen die Schwaben keinesfalls. Bemerkenswert: Bielefeld flüchtet nicht in die Außenseiterrolle, bunkert sich nicht am Sechzehner ein und hofft, dass man sich irgendwie zum Sieg zittert - ganz im Gegenteil. Bayer Leverkusen, immerhin Double-Sieger, wurde im Halbfinale phasenweise an die Wand gespielt.
Schon vor der Partie in der Runde der letzten vier gab Cheftrainer Mitch Kniat mutig die Richtung vor. "Wenn du in so einem Spiel mit Angst reingehst, dann bleib lieber zu Hause und sag Bescheid, dass es kein Spiel für dich ist", so der Drittliga-Chefcoach der Saison: "Ich gehe davon aus, dass wir weiterkommen. Wir wollen nach Berlin fahren."
Eine Ansage, für die Kniat wohl im Voraus nicht nur in Leverkusen belächelt wurde. An der Herangehensweise wird der Bielefelder Aufstiegscoach in Berlin nichts ändern. Die Arminia wird auch das Finale angehen wie ein Ligaspiel: mit offenem Visier und dem Glauben, die Partie für sich entscheiden zu können. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ist da, daran wird auch die ungewohnte Mega-Kulisse in der Hauptstadt nichts ändern.
VIDEO: Das sagt Matthäus zum Finale
Diese Einstellung ist es, die der Arminia schon gegen vier Bundesligisten, weitestgehend souverän und eindrucksvoll, das Weiterkommen bescherte. Gegen die eigentlich hoch überlegenen Teams aus Freiburg, Bremen und Leverkusen wählte Kniat stets einen perfekten Ansatz, überrumpelte die Bundesligisten bereits in der ersten Halbzeit mit der forschen Herangehensweise. Mit Marius Wörl (drei Treffer, drei Vorlagen) verfügt die Arminia zudem über den wohl besten Spieler dieser Pokal-Saison.
Doch nicht nur auf die Leihgabe von Hannover 96 kann sich der perfekt eingespielte Drittligist, der weitestgehend vom Verletzungspech verschont wurde, verlassen. Im Mittelfeld machten Stefano Russo, Mael Corboz und Sam Schreck jedem Gegner das Leben mit aggressiver Zweikampfführung und einer enormen Laufbereitschaft das Leben schwer. Insgesamt war die Arminia das mit Abstand laufstärkste Team in Liga drei.
Mit dieser Intensität ist Bielefeld auch für den VfB Stuttgart alles andere als ein Selbstläufer - egal ob auf der Alm oder im Berliner Olympiastadion.
Jannis Bartling
Warum der VfB Stuttgart den Titel holt
Zunächst einmal muss ich meinem Vorredner recht geben.
Arminia birgt enorme Stolpergefahr. Der Drittligameister ist schlichtweg die Pokal-Sensation des Jahres. Es ist überhaupt nicht ausgeschlossen oder sehr unwahrscheinlich, dass Bielefeld sogar als erster Drittligist den Pott in die Berliner Luft stemmt.
Trotzdem spricht für mich deutlich mehr für den VfB Stuttgart.
Da ist zum einen das Offensichtliche: Zum ersten Mal in dieser Pokalsaison spielt Arminia nicht auf der heimischen, engen und hitzigen Alm. Der wichtige Heimvorteil fällt weg, das Olympiastadion ist deutlich größer und weitläufiger.
Nun kann man auch sagen: Bielefeld habe als Underdog eigentlich nichts zu verlieren. Das ist richtig. Dennoch wird auch bei den Arminen das Nervositätslevel vor Anpfiff deutlich nach oben schießen. Berlin und Olympiastadion ist nochmal ein andere Hausnummer. Hier sind die Schwaben im Vorteil. In dieser Saison haben sie sich auf der größten Bühne Champions League mit Topteams gemessen, zuhause gegen PSG und auswärts in Belgrad Lehrgeld bezahlt, aber auch bei Juventus und in Bratislava umjubelte Siege gefeiert. Die Mannschaft hat viel an Erfahrung gewonnen, ist eine solche Kulisse eher gewöhnt.
Überhaupt die Pokalsaison. Der Vizemeister überstand die bisherigen Runden mit maximaler Ruhe und Souveränität, musste nicht ein einziges Mal nachsitzen.
Nübel im VIDEO: "Es wird Geschichte geschrieben"
In der Liga hat das Team auch nach Rückschlägen gezeigt, dass es zurückkommen kann und lag zusammen mit drei weiteren Klubs an der Spitze der Statistik "Punkte nach Rückstand". Zudem zeigte die Formkurve in den vergangenen Wochen wieder deutlich nach oben. Nach einer historischen Pleiteserie im eigenen Stadion beendete der VfB die Saison mit drei Siegen in Serie, zeigte wie zuletzt gegen Leipzig, dass die Spielfreude da ist.
Auch die Neuauflage des "magischen Dreiecks" um Nick Woltemade, Deniz Undav und Ermedin Demirovic hat rechtzeitig zum Finale die Ladehemmung abgelegt. Viel hängt davon ab, ob die immer wieder wackelnde Defensive gegen Arminia besteht oder erneut Geschenke verteilt. Dass Arminia eher mitspielen will und nicht den bildlichen Bus parkt, sollte dem VfB mit seiner offensiven Spielweise sogar entgegenkommen.
Die Euphorie rund ums Team ist spürbar. Kein Spieler der Mannschaft ist bisher mit Titeln überhäuft. Die vielen jungen Spieler sind gierig auf den ersten großen Titel, wie der gesamte Klub. Seit 2007 gab es keinen mehr zu bejubeln. Spieler wie Maxi Mittelstädt verkörpern diesen unbändigen Willen.
Dass der VfB Finalgegner Arminia Bielefeld unterschätzen wird, ist nicht zu erwarten. Ein historisches Vorbild hilft dabei. Auch 1997 traf der "große" VfB auf einen bissigen, euphorisierten Drittliga-Meister (damals noch Regionalliga) von Energie Cottbus. Wie Bielefeld heute galt das Team von Eduard Geyer als Stolperstein. Doch die Elf von Joachim Löw zeigte eine absolute seriöse Vorstellung und meisterte die Aufgabe dank zweier Treffer von Giovane Elber. Der Brasilianer jubelte emotional, auch weil er den Klub anschließend verließ. Vielleicht bringt das eine weitere Analogie. Enzo Millot steht womöglich vor seinem letzten VfB-Spiel, könnte den Klub zum Abschied zum ersehnten Titel schießen.
Emmanuel Schneider