Hegerberg-Debatte: Das norwegische Idol wankt

Die Norwegerin Ada Hegerberg ist eine der Ikonen im Fußball der Frauen, doch ihr Denkmal bröckelt. Spielt sie im EM-Viertelfinale gegen Italien?
Um die Dramatik der Situation um Ada Hegerberg zu verdeutlichen, bemühte Carl-Erik Torp den großen Albert Einstein. "Die Definition von Wahnsinn ist", habe der Physiker und Welterklärer einmal gesagt, "immer wieder dasselbe zu tun und ein anderes Ergebnis zu erwarten." Was Torp, Fußball-Experte beim norwegischen Rundfunksender NRK, damit sagen wollte: Hegerberg muss weg!
Der frühere Profi steht mit seiner Forderung an der Spitze einer breiten Bewegung, die die Kapitänin des "Landslaget" vor dem EM-Viertelfinale gegen Italien am Mittwoch (21:00 Uhr) gegen Italien aus der Startelf verbannt sehen möchte. "Gemma", schrieb Torp gewandt an Trainerin Grainger, "du hast nur eine Wahl: Ada muss geopfert werden."
In einer Online-Umfrage von NRK schlossen sich drei Viertel der rund 20.000 Abstimmenden dieser Meinung an. Im Boulevardblatt VG votierten Expertinnen und Experten 4:3 gegen Hegerberg, Frida Olsson vom schwedischen "Expressen" nannte sie "eine Belastung" für das Team.
Hegerberg gewann 2018 den Ballon d'Or
Eine Belastung? Hegerberg? Die 30-Jährige, 2018 erste Gewinnerin des Ballon d'Or, ist eine Ikone. Mit 66 Toren Rekordschützin der Champions League, die sie mit Lyon sechsmal gewann. Ihre Strahlkraft weist weit über den Rasen hinaus.
In ihrer Dankesrede 2018 ermutigte sie Mädchen mit dem Schlusssatz "Glaubt an euch!", ihre Ziele zu verfolgen. Sie setzt sich vehement für Gleichberechtigung ein und trat im Kampf um Lohngleichheit zwischenzeitlich aus der Nationalelf zurück. 2023 war sie Teil einer Kampagne von Amnesty, die sich bei der FIFA für eine Entschädigung der Familien der verstorbenen WM-Arbeiter in Katar einsetzte. Und, und, und.
Doch Hegerbergs Denkmal bröckelt schon länger. Seit einer 18-monatigen Zwangspause 2020/21 und erneuten Problemen 2022, sagen Kritiker, sei sie nicht mehr die Alte. Vom "Biest" Hegerberg, kommentierte die Zeitung Nettavisen vor der EM, sei "fast nur noch der Name übrig".
Frauen-EM: Norwegens Alternativen zu Hegerberg
Beim Auftakt gegen Gastgeber Schweiz (2:1) traf sie zum wichtigen 1:1, es war ihr erstes Turniertor seit zehn Jahren und das 50. im 92. Länderspiel. Sie riss mit, doch vergab auch einen Elfmeter. Experten wie Torp monieren die schwache Bindung zu den Nebenleuten und die Mängel im Pressing der Mittelstürmerin.
Alternativen gibt es genügend. Elisabeth Terland von Manchester United, die Ball und Gegner jagt wie "ein hungriger Wolf" (TV2). Oder Ausnahmetalent Signe Gaupset, die zum 4:3 gegen Island, als Hegerberg geschont wurde, zwei Tore und zwei Vorlagen beisteuerte.
Trainerin Grainger stützt Hegerberg. "Sie gibt alles für diese Mannschaft. Ich bin sehr zufrieden mit ihr", sagte sie und würdigte ihre "unschätzbaren" Qualitäten als Anführerin. Maren Mjelde, Hegerbergs Vorgängerin im Kapitänsamt, betonte: "Alle, die Ada kennen, wissen, dass sie höchsten Ansprüchen genügt."
Hegerberg hat sich an die Debatte gewöhnt. "Ich nehme das locker", sagte sie, "ein bisschen Wirbel ist in Ordnung." Alles andere, siehe Einstein, ist relativ.