25.05.2016 11:32 Uhr

Eine Handballnation ärgert Fußball-Europa

Die Isländer wollen bei der EM weiterhin aufregen
Die Isländer wollen bei der EM weiterhin aufregen

Der 6. September 2015, der Tag der Qualifikation für Frankreich, ging bereits in die Geschichte Islands ein. Doch die Goldene Generation will bei der EM aufregen, statt nur dabei zu sein.

Dagur Sigurðssons Worte klingen wie eine Drohung. "Wenn ich die Gruppe mit Portugal, Österreich und Ungarn betrachte, sehe ich keinen Grund, warum sie nicht das eine oder andere Spiel gewinnen sollten", sagte der Handball-Bundestrainer mit Blick auf die Aussichten seiner Landsleute bei der Fußball-EM in Frankreich dem Magazin "11Freunde".

Sigurðsson muss es wissen: Der 43-Jährige, früher selbst ein richtig guter Kicker, kennt sich mit Sensationen aus, schaffte mit den deutschen Handballern zu Jahresbeginn mit dem EM-Triumph eine der ganz großen Überraschungen der Sportgeschichte. Von einem solchen Wunder träumen nun auch die isländischen Fußballer.

Spätestens seit jenem denkwürdigen 6. September 2015, als die historische Qualifikation für die EM-Endrunde gelang, befindet sich die ganze Insel im Fußball-Fieber. Die kleinen Isländer freuten sich diebisch, die großen Niederländer in der Quali genervt zu haben. Nun wollen sie auch unbedingt in Frankreich zu Quälgeistern werden.

"Ich denke, die meisten Spieler werden diese Erfahrung einfach in vollen Zügen genießen wollen", sagte der ehemalige Hoffenheim-Profi Gylfi Sigurðsson über das EM-Abenteuer. Doch insgeheim haben die Isländer schon wieder die Rolle der Partycrasher für sich reserviert.

Handballernation feiert Fußballer

"Aber natürlich wollen wir auch versuchen, die Gruppe zu überstehen und den Einzug in die K.O.-Runde zu schaffen", sagte Sigurðsson , der heimliche Star des Teams. Der Mittelfeldspieler von Swansea City gibt die Parole aus, einfach weiter Spaß zu haben und "ganz ohne Druck in das Turnier" zu gehen: "Denn wir haben schon sehr viel erreicht."

Viel mehr, als jeder Isländer für möglich gehalten hätte. Nur 20.000 Fußballer sind überhaupt auf der Vulkaninsel beim nationalen Verband KSI registriert - in Deutschland sind es über 6,8 Millionen. Mit nur etwas über 330.000 Einwohnern ist Island die mit Abstand kleinste Nation, die sich jemals für eine WM oder EM qualifizieren konnte. Die Fußballer haben die traditionell erfolgreichen Handballer als Nationalhelden abgelöst.

Und doch bleibt Trainer Lars Lagerbäck, der Vater des Wunders, bescheiden. "Ich würde nicht sagen, dass ich jetzt ein Nationalheld bin", sagte der Schwede: "Leute wie Nelson Mandela und Martin Luther King sind Helden. Ich bin nur ein Fußballtrainer."

Umstellung nach der Jahrtausendwende

Lagerbäck, seit Oktober 2011 im Amt, verordnete Island ein stabiles 4-4-2, an dem die Niederländer in der Quali zweimal abprallten. Platz zwei in Gruppe A hinter Tschechien, aber vor Oranje und der Türkei, haben die Isländer selbstbewusst gemacht. "Es ist leichter, Dinge umzusetzen, denn die Nation steht immer hinter einem", sagte Lagerbäck: "Wir wollen jedes Spiel gewinnen und sind nicht nervös, wenn wir bei der Endrunde auf die großen Nationen treffen."

Islands Erfolg basiert auf der Umsetzung langer Planungen. Der Verband stellte sich nach der Jahrtausend-Wende neu auf, reformierte die Jugend-Ausbildung und professionalisierte den Trainingsbetrieb. 2011 nahm dann erstmals eine U21-Mannschaft an einer EM teil, Island spricht von einer Goldenen Generation, die jetzt auch das Gerüst für Frankreich bilden soll. "Seitdem wir 16 Jahre alt sind, stehen wir fast immer in der selben Formation auf dem Spielfeld", sagte Rechtsaußen Rúrik Gíslason vom 1. FC Nürnberg.

Und Stürmer Eiður Guðjohnsen, einst beim FC Chelsea sowie dem FC Barcelona unter Vertrag und mit 37 immer noch ein wichtiger Ansprechpartner für Lagerbäck, sagte: "Natürlich denken wir bei dieser Generation an die kleinen Jungs, die zur U21-Endrunde gefahren sind, aber sie sind schon lange zu Männern herangewachsen."