Wer will Grindels Platz? DFB braucht FIFA-"Gesandten"

Nach dem Rücktritt von Reinhard Grindel hat der deutsche Fußball keine Stimme mehr bei der FIFA und der UEFA. Immerhin ist mit Blick auf die Zukunft der Weg für eine Ämterteilung beim DFB frei.
Ein freier Stuhl am FIFA-Konferenztisch, ein unbesetzter Platz in der UEFA-Schaltzentrale. Mit dem Rücktritt von Reinhard Grindel büßt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) voraussichtlich für ein Jahr schwer an Einfluss ein. Zwar hat der krisengeschüttelte Verband nun die große Chance, sich für die Zukunft breiter aufzustellen - bei den Mächtigen nicht mitreden zu können, ging aber schon 2017 schief.
Bereits im Zuge des Sommermärchen-Skandals hatte der DFB seine Stimme im Council des Weltverbands und im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union verloren, damals war Wolfgang Niersbach zur Niederlegung seiner Ämter gezwungen. Tatenlos musste der DFB deshalb zuschauen, als FIFA-Präsident Gianni Infantino lächelnd die Aufstockung der WM auf 48 Mannschaften durchdrückte. Die deutsche Empörung verpuffte.
Kür des neuen DFB-Präsidenten soll im September zuvor erfolgen
Den DFB und die Deutsche Fußball Liga (DFL) "verbindet das gemeinsame Bestreben, dass sich der deutsche Fußball auch in Zukunft in die Arbeit der internationalen Gremien einbringen und als starker und verlässlicher Partner mitgestalten kann", teilte der DFB mit. Turnusmäßig kann Grindels Nachfolger auf internationalem Parkett allerdings erst beim UEFA-Kongress im März 2020 gewählt werden. Die Kür des neuen DFB-Präsidenten soll im September zuvor erfolgen.
Die mit rund einer halben Million Euro dotierten Ämter bei der FIFA und UEFA dürften im Jobprofil einen nicht unwichtigen Platz einnehmen - wenn sie denn weiterhin praktisch automatisch vom DFB-Präsidenten übernommen werden sollen. Grindel hatte immer gerne betont, dass FIFA-Council und UEFA-Exko "Gremien der Präsidenten" seien, allerdings auch, um damals den an der DFB-Spitze abgelösten Niersbach endlich zum Rücktritt zu bewegen.
Da Grindel aber nicht nur an der Uhren-Affäre, die von der DFB-Ethikkommission weiterhin untersucht wird, sondern vor allem auch an der Aufgabenfülle des Präsidentenamtes gescheitert ist, dürfte die Übergangsführung des DFB konkrete Überlegungen anstellen, die Aufgaben künftig auf mehrere Schultern zu verteilen. Einen DFB-Präsidenten "für Deutschland", speziell für den Amateurbereich, und einen internationalen "Gesandten", der in FIFA und UEFA die deutsche Stimme erhebt. Einen Vorzeigekandidaten dafür gäbe es.
"Wir sprechen häufiger miteinander, als es viele vermuten"
DFL-Geschäftsführer Christian Seifert, seit Dezember Vorsitzender des World Leagues Forum, ist international bestens vernetzt. Erst zu Wochenbeginn berichtete der 49-Jährige im Fachmagazin "kicker", "einen persönlichen Draht" zu Infantino und UEFA-Präsident Aleksander Ceferin zu pflegen.
"Wir sprechen häufiger miteinander, als es viele vermuten", sagte Seifert: "Als Geschäftsführer der zweitgrößten Fußball-Profiliga der Welt gehört der intensive Kontakt mit den großen internationalen Sportverbänden, die für zahlreiche für uns relevante Themen verantwortlich zeichnen, zu meinem Job. Es ist andersherum auch im Interesse dieser Verbände, ein intaktes Verhältnis zur Bundesliga zu haben."
Sowohl in der UEFA als auch in der FIFA stehen richtungsweisende Entscheidungen an. In Europa wird in absehbarer Zeit die Reform der Champions League beschlossen. Gestritten wird unter anderem über Champions-League-Spiele am Wochenende. In der FIFA wird Infantino im kommenden Juni wiedergewählt. Zudem könnte beim Kongress in Paris die Aufstockung der WM 2022 in Katar auf 48 Teams beschlossen werden - wieder ohne einen deutschen Vertreter am Tisch.