21.06.2020 07:13 Uhr

Als Pelé endlich seinen Seelenfrieden fand

Gewann 1970 zum dritten Mal die WM: Pelé
Gewann 1970 zum dritten Mal die WM: Pelé

Am 21. Juni 1970 krönte sich Brasilien in Mexiko-Stadt zum Weltmeister. Es war der dritte WM-Titel für Superstar Pelé, der auch beim 4:1 im Endspiel gegen Italien traf.

Das jubelnde Fußballvolk bemächtigte sich kurzerhand des neuen Königs Kleider, dann krönten sie ihren halbnackten "Rei" mit einem schwarzen Sombrero unter segender Sonne.

Inmitten eines Bienenschwarms ausflippender Fans ließ sich der sterbliche Edson Arantes do Nascimento von den 107.412 Zuschauern im Estadio Azteca von Mexiko-Stadt als "Pelé Eterno", als ewiger Regent, huldigen.

Brasilien hatte gerade Italien im WM-Finale 1970 eindrucksvoll mit 4:1 (1:1) überrannt, Pelé sich an jenem 21. Juni vor 50 Jahren unsterblich gemacht.

Die Brasilianer nahmen, wie vor der WM-Premiere 1930 vom Weltverband FIFA für Titel Nummer drei versprochen, die gegenüber dem heutigen Weltpokal weitaus zierlicher wirkende Coupe Jules Rimet, ein Abbild der griechischen Siegesgöttin Nike, endgültig mit nach Hause.

WM-Triumph als Wiedergutmachung für Niederlage in England

Weil Pelé nach den Triumphen 1958 und 1962 erstmals von der ersten bis letzten Minute Protagonist war. Und der Stachel des Vorrunden-Ausscheidens vier Jahre zuvor in England tief saß.

"Wir haben die WM 1970 gewonnen, weil ich mich als Champion verabschieden wollte, was uns damals (1966) nicht gelang, weil ich mich verletzte", plaudert der heute 79-Jährige vor Jahren aus dem Nähkästchen.

Ein Jahrhundertfußballer ist Talent, Tore, Titel, aber vor allem Taten auf der größten Bühne. Vor 62 Jahren schrieb sich ein Wunderknabe, der damals als Reservist schon die 10 trug (Nummern wurden aleatorisch entsprechend der Kofferaufkleber verteilt), beim 1:0 im Viertelfinale gegen Wales mit 17 Jahren und 239 Tagen als jüngster WM-Torschütze in die Chroniken ein, traf noch dreimal im Halbfinale gegen Frankreich (5:2) und setzte weitere Bestmarken mit zwei weiteren Treffern im Endspiel gegen Gastgeber Schweden (5:2).

"Gott war gutmütig"

Doch dann folgten zwei unvollendete WM-Turniere. Vier Jahre später war bei Brasiliens zweitem Triumph in Chile für Pelé schon nach Spiel zwei wegen einer Muskelzerrung Schluss.

Als 25-Jähriger wollte es der Tausend-Tore-Stürmer in England allen zeigen, wurde aber vom torhungrigen Eusebio und dessen knüppelhart einsteigenden Portugiesen unsanft in der Gruppenphase vom Thron gestoßen.

Den Seelenfrieden fand er erst in Mexiko. "Gott war gutmütig und hat mich als Champion Abschied nehmen lassen", äußerte sich Pelé Jahre später, stolz zurückblickend auf seine vierte WM als Nummer 10 der Selecao, bei der neben vier Treffern und fünf Vorlagen kurioserweise eher seine "Fehlschüsse" in Erinnerung blieben.

Pelés legendäre Fehlschüsse

Zum Gruppenauftakt gegen die damalige Tschechoslowakei (4:1) strich ein von der Mittellinie abgegebenes Geschoss nur Zentimeter am Torkreuz vorbei. Im Spiel zwei gegen England (1:0) setzte sich Englands Goalie Gordon Banks mit einer Glanzparade gegen einen Pelé-Kopfball selber ein ewiges Denkmal. Und im Halbfinale gegen Uruguay (1:0) kreuzten Ball und Pelé zweimal für die "Urus" verwirrend den Weg ohne Happy End.

Brasilien war in Mexiko nicht nur Pelé, besiegte in Italien, Uruguay und England gleich drei Ex-Weltmeister, erzielte 19 Tore in sechs Partien, spielte in der Stammelf mit vier Spielern, die in ihren Klubs die Nummer 10 trugen (Pele, Jairzinho/erzielte als bislang einziger Spieler in allen WM-Spielen Tore, Gerson, Rivelino), agierte ohne echte 9, machte Mario Zagallo zum ersten Fußballer, der als Spieler und Trainer Weltmeister wurde.

WM 1970 sorgt für magische Momente

Viel Magie, die von Physis getragen wurde. Inmitten der seit 1964 herrschenden Militärdiktatur daheim wurde die Selecao im Vorfeld gedrillt, gewann alle sechs Turnierspiele, obwohl es zur Halbzeit gerade zweimal in Führung liegend in die Kabinen ging.

Hitze, Höhe, Anpfiff um die Mittagszeit, die erste WM mit Auswechslungen, mit Gelber Karte, mit zweifarbigen Bällen in Schwarz-Weiß, in vielen Länder als Farb-Premiere übertragen, die bislang einzige mit einem deutschen Schiedsrichter im Endspiel, dem Markranstädter Rudi Glöckner.

In der Nacht des 19. Dezembers 1983 verschwand der Jules-Rimet-Pokal für immer in Diebeshänden und später eingeschmolzen. Da hatte sich Edson Arantes do Nascimento als Pelé längst unsterblich gemacht.