Die Erkenntnisse zum bitteren EM-Aus gegen Spanien

Nach großem Kampf im Viertelfinale gegen Spanien ist die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der Heim-EM ausgeschieden. Das dramatische 1:2 n.V. gegen den Top-Favoriten zeigte noch einmal die positive Entwicklung des DFB-Teams auf - aber auch Baustellen für die Zukunft sowie Fehler von Bundestrainer Julian Nagelsmann.
Es fehlten nur wenige Augenblicke, dann hätte ein Elfmeterschießen über den Halbfinaleinzug der deutschen Mannschaft bei der Fußball-EM 2024 entschieden.
Doch dann flankte der Leipziger Dani Olmo, der früh für den verletzten Pedri eingewechselt worden war und das erste spanische Tor selbst erzielt hatte, ungestört in die Mitte. Antonio Rüdiger stand zu weit entfernt vom ebenfalls eingewechselten Torschützen Mikel Merino. 2:1 für Spanien in der 119. Minute. Aus. Vorbei. Der Traum vom EM-Titel im eigenen Land ist geplatzt.
Doch was gilt es aus dem nicht immer hochklassigen, aber extrem spannenden Gigantenduell gegen Spanien mitzunehmen?
Deutschland mit EM-Favorit Spanien auf Augenhöhe
Nachdem das DFB-Team anfangs scheinbar versuchte, sich Respekt zu verschaffen und häufig zur (zu) harten Gangart in den Zweikämpfen griff, nahmen die Schützlinge von Julian Nagelsmann das Heft immer mehr in die Hand. Am Ende standen 52 Prozent Ballbesitz pro Deutschland, 23:18 Torschüsse und 5:1 Ecken zugunsten des DFB-Teams in der Statistik.
Dass Deutschland auch körperlich dagegen halten und Zeichen setzen kann, zeigte man eindrucksvoll, übertrieb es jedoch etwas: Neun Gelbe Karten (davon zwei für die Ersatzspieler Nico Schlotterbeck und Deniz Undav) hat noch keine DFB-Auswahl zuvor in einem EM-Spiel gesehen.
Zwei Fehler von Julian Nagelsmann
In den Tagen vor dem Viertelfinale wurde weitestgehend über eine Personalie debattiert: Soll Niclas Füllkrug als zweite Spitze neben Kai Havertz beginnen oder sogar als einziger Spieler in vorderster Front?
Nagelsmann blieb bei Havertz, überraschte hingegen mit einem anderen Mann in der Startelf: Emre Can. Der Dortmunder startete aufgrund der höheren Grundschnelligkeit für Robert Andrich.
Doch die Maßnahme ging nicht auf. Das Spiel lief weitestgehend an Can vorbei. Bei seinen 34 Ballkontakten war er offensiv überhaupt kein Faktor - im Vergleich zu Andrich, der ab der zweiten Halbzeit an fünf Torschüssen direkt beteiligt war.
Ein weiterer personeller Fehlgriff Nagelsmanns war das Festhalten an Leroy Sané, der bereits im Spiel gegen Dänemark sehr unscheinbar agierte. Gegen Spanien war Sané an keinem einzigen Torschuss beteiligt, hatte nur 16 Ballkontakte und verlor alle seine drei Zweikämpfe. Nagelsmann korrigierte auch dies und brachte nach dem Seitenwechsel den agilen Torschützen Florian Wirtz.
Fehlende Effektivität
Während das DFB-Team gegen Schottland mit fünf Toren ins Turnier startete (bei einem Expected-Goals-Wert von 2,15) und auch gegen Ungarn aus wenig viel machte, mangelte es Deutschland gegen Spanien an der Chancenverwertung.
23 Schüsse - so viele wie in keinem anderen EM-Spiel - führten nur zu dem einen Treffer von Florian Wirtz in der Schlussminute. Darüber hinaus hatte das DFB-Team fünf Großchancen, von denen nur eine genutzt wurde.
Pech war allerdings beim Pfostenschuss von Füllkrug (77.) im Spiel. Zudem war Spaniens Keeper Unai Simon in einigen Szenen nicht zu überwinden.
Die Iberer zeigten vor dem Tor, wie man es macht und nutzten die wenigen deutschen Fehler aus. 18 Schüsse (sechs davon gingen auf das Tor) führten zu zwei Toren.
Defensive bleibt eine Baustelle
Nur vier Gegentore kassierte die deutsche Elf in fünf Turnierspielen. Doch diese fielen alle auf dieselbe Art und Weise - nach einer Hereingabe von Außen.
Gegen Spanien waren die deutschen Außenverteidiger zu passiv und dies wurde bitter bestraft: Beim 0:1 verhinderte David Raum, beim zweiten Gegentreffer Joshua Kimmich die Hereingabe von Außen nicht. Und in der Mitte wurden die Torschützen Dani Olmo und Mikel Merino jeweils sträflich allein gelassen.
Antonio Rüdiger ist als Abwehrchef ein echter Leader und harmonierte gut mit Jonathan Tah. Fehlerfrei sind seine Auftritte aber zu selten. 25 Prozent Zweikampfquote waren gegen die Spanier ebenfalls wenig überzeugend.
Lars Wiedemann