09.07.2024 13:09 Uhr

Matthäus exklusiv: Darum sollte es Kimmich machen!

Joshua Kimmich wartet mit der Nationalmannschaft noch auf einen Titel
Joshua Kimmich wartet mit der Nationalmannschaft noch auf einen Titel

In der deutschen Fußball-Nationalmannschaft steht nach dem Aus bei der Heim-EM und Toni Kroos' Rücktritt ein Umbruch an. In seiner EM-Kolumne für sport.de erläutert Rekordnationalspieler Lothar Matthäus, warum Bayern-Star Joshua Kimmich der neue Mittelfeld-Chef werden sollte. Den Team-Größen Manuel Neuer, Thomas Müller und Ilkay Gündogan empfiehlt er in Sachen DFB-Zukunft keine Schnellschüsse abzugeben.

Wer soll in der deutschen Nationalmannschaft nach dem Rücktritt von Toni Kroos künftig die Fäden ziehen, die Bälle verteilen, der neue Chef sein? Julian Nagelsmann hat schon Pascal Groß, Aleksandar Pavlovic oder Angelo Stiller ins Spiel gebracht. Ich bin für Joshua Kimmich, er kommt Kroos am nächsten.

Kimmich ist ein erfahrener Spieler, der viele Turniere gespielt hat, der Titel gewonnen hat. Er ist ein Mensch, der den Erfolg sucht und alles dafür gibt. Kimmich kann eine Mannschaft mitreißen, das hat er auch jetzt gegen die Spanier gezeigt, als er als rechter Verteidiger im Strafraum mit der Kopfballvorlage zur Stelle war.

Kimmich übernimmt Verantwortung, hat in den vergangenen Jahren sicher auch viel gelernt, weil er irgendwie immer in der Kritik stand und das nicht nur sportlich. Ich freue mich, dass wir bei der EM den "alten" Kimmich wieder gesehen haben: aggressiv, selbstbewusst, mitreißend.

Von der Mentalität, von der Persönlichkeit her, was Qualität und Erfahrung angeht, ist Joshua Kimmich der Spieler, der in die Fußstapfen von Toni Kroos treten kann. Gerade wenn jetzt vom alten Stamm einige Spieler aufhören sollten, wie Manuel Neuer, Thomas Müller oder womöglich auch Ilkay Gündogan, dann muss einer wie Kimmich noch mehr Verantwortung bekommen. Vielleicht künftig sogar als Kapitän dieser Mannschaft.

"Kroos hat mehr Titel als Pavlovic Bundesliga-Spiele"

Es kommt jetzt darauf an, was Julian Nagelsmann will. Pascal Groß wäre auch noch einer, der die Kroos-Rolle ausfüllen könnte. Groß bringt vom Alter her einiges mit, hat Premier-League-Erfahrung und viele Spiele auf dem Buckel.

Einen Aleksandar Pavlovic jetzt zum Nachfolger von Toni Kroos auszurufen, halte ich für problematisch. Toni Kroos hat mehr Titel gewonnen, als Pavlovic Bundesliga-Spiele bestritten hat. Kroos hat auch mehr Länderspiele gemacht als ein Angelo Stiller Bundesliga-Spiele. Daran sieht man, wie groß und verantwortungsvoll diese Aufgabe ist. Für einen 19-jährigen Pavlovic oder Stiller, der bisher nur eine starke Saison mit dem VfB Stuttgart vorzuweisen hat, kommt sie wahrscheinlich zu früh.

Kimmich hat schon viel miterlebt. Deswegen lautet meine Ansage, ihn bei dieser Diskussion auf jeden Fall auf dem Zettel zu haben!

Was will Julian Nagelsmann?

Ob Neuer, Müller und Gündogan ihre Nationalmannschafts-Karrieren fortsetzen, können sie nur selbst wissen und für sich entscheiden. Körper und Psyche spielen eine Rolle. Sie werden sich fragen: Kann ich das noch, will ich das noch? Habe ich andere Verpflichtungen, der Familie gegenüber, den Kindern oder auch dem Klub?

Generell finde ich, dass jeder so lange für sein Land spielen soll, solang er im Kopf bereit ist, 100 Prozent zu geben. Wenn die Leistung stimmt, entscheidet sowieso der Bundestrainer.

Ich bin zwar Ehrenspielführer, einen Rat kann ich einem aktiven Spieler aber nicht geben, das müssen sie mit sich selbst ausmachen. Nur so viel: Wenn man weitermacht, muss man es aus Überzeugung tun. Das wissen Leute wie Gündogan, Neuer und Müller auch.

Nach dem Turnier-Aus herrscht erst einmal Leere, deshalb sollten sie jetzt nicht schnell entscheiden, sondern Urlaub machen, nachdenken und dann einen klaren Entschluss treffen. Dann ist auch Julian Nagelsmann gefragt: Was will er? Will er einen jüngeren Torwart, ein jüngeres Mittelfeld? Wo will er jungen Spielern eine Chance geben?

Nagelsmann wird sicher ein vertrauensvolles und offenes Gespräch mit den verdienten Spielern suchen und führen, dafür ist er bekannt. 

Lothar Matthäus