Eiskalter HSV haut Köln die Euphorie um die Ohren
Neue Saison, alte Probleme. Der 1. FC Köln spielt attraktiver, kämpft aber auch im Auftaktspiel der 2. Bundesliga gegen altbekannte Muster und lässt sich dann von effizienten Hamburgern auskontern. Die neue Nummer eins leistet sich beim 1:2 gegen den Hamburger SV einen folgenschweren Patzer. Ex-Coach Steffen Baumgart erlebt eine emotionale Heimkehr, ein anderer Rückkehrer kassiert ein Pfeifkonzert.
"An Köln kommt keiner vorbei", schrieben die Fans in der Kölner Südkurve auf ein Banner unter die beeindruckende Choreografie zum Auftaktduell der Zweitliga-Giganten zwischen dem 1. FC Köln und dem HSV.
Es dauerte dann aber nur gut fünf Minuten, bis der Hamburger SV zumindest mit dem Ball an der Kölner Torlinie vorbeikam. Vorausgegangen war dem Führungstreffer der Gäste ein dicker Patzer von der neuen Nummer eins der Kölner. Eine eigentlich ungefährliche Flanke von Jean-Luc Dompé über die linke Seite ließ Leih-Rückkehrer Jonas Urbig (Greuther Fürth) unglücklich durchrutschen. Der einzig verbliebene HSV-Mittelstürmer Ransford Königsdörffer stand genau dort, wo ein Angreifer stehen muss und schob lässig zum 1:0. ein. Rund 100 Meter entfernt gingen daraufhin die Leuchtfeuer im HSV-Block an, während bei den Heimfans erste Ernüchterung einsetzte.
Kapitän muntert Keeper auf
Der neu ernannte Köln-Kapitän Timo Hübers munterte Keeper Urbig sofort auf, verriet später, was er dem Schlussmann sagte. "Dass so etwas immer vorkommen kann im Fußball und vollkommen dazugehört und dass er sich keinen Kopf machen soll", berichtete der Innenverteidiger. "Er hat letztes Jahr eine super Saison in Fürth gespielt. Er hat das Selbstvertrauen, nicht zu lange darüber nachzudenken."
Viel Zuspruch gab es für das Torwart-Talent auch von FC-Coach Gerhard Struber, dem Nach-Nachfolger von Baumgart.
Nach einem solchen Patzer sei es immer interessant, wie ein "junger Bursche" darauf reagiert, sagte der Österreicher. Urbig habe anschließend gezeigt, wie reif und talentiert er ist. In der Tat parierte der 20-Jährige den nächsten gefährlichen Dompé-Schuss souverän, blieb weitgehend fehlerfrei.
Überrascht war der Effzeh durchaus von der kompakten und eher tief stehenden HSV-Mannschaft. "Unter Steffen Baumgart standen wir glaube ich nicht einmal so tief wie heute der HSV in der zweiten Halbzeit“, sagte Kaptiän Hübers in der Mixed Zone. Das Ergebnis gebe dem Ex-Coach freilich recht.
Dem Spielverlauf der Partie entsprach das frühe HSV-Tor überhaupt nicht. Der Effzeh startete kraftvoll gemäß dem ausgerufenen Power Play von dem neuen Cheftrainer Struber in die Partie, erspielte sich schnell zwei gute Chancen. Allerdings vergaben erst Dejan Ljubicic (3.) und dann Denis Huseinbasic (4.) aus guter Position. Zunächst blieb der Bundesliga-Absteiger trotz des frühen Gegentreffers in der Spur, zog weiter geduldig sein Offensivspiel auf, mit dem er in dieser Saison die 2. Bundesliga erobern will.
HSV und 1. FC Köln sind Favoriten auf Aufstieg
Sowohl der HSV als auch der 1. FC Köln gelten bei den meisten Experten als Topkandidaten auf den Aufstieg in der wohl klangvollsten 2. Liga aller Zeiten. Der FC drängt nach dem ausgebliebenen Ausverkauf seiner Stars auf eine schnelle Rückkehr binnen zwei Jahren, der HSV probiert es nun zum siebten Mal in Serie. Beide sprechen offen vom Aufstieg. Dass diese beide gefallenen Giganten zum Auftakt und 50. Jubiläum der 2. Bundesliga die Klingen kreuzten, lag ziemlich auf der Hand.
Dazu passte auch die mit Spannung erwartete Rückkehr von Baumgart. Bei der Aufstellung gab es keinerlei Pfiffe, als sein Name vom Stadionsprecher ausgerufen worden. "Ich war angespannt", verriet er auf der Pressekonferenz. Er habe eine gewisse "freudige Aufregung“ an der alten Wirkungsstätte gespürt. "Es war schön, hier sein zu dürfen." Er mache keinen Hehl daraus, dass es ein besonderes Spiel ist.
In der Coaching Zone rumpelstielzelte der 52-Jährige gewohnt, pfiff und kommandierte die Rothosen, die an diesem Freitag in blauen Auswärtshosen spielten. Das Spiel machte aber weiter der Effzeh. Immer wieder blitze das große Potential des Kaders auf. Zum Beispiel als Tim Lemperle (kam wie Urbig aus Fürth zurück) mit einer feinen Körpertäuschung seinen Gegenspieler stehen ließ und dann Huseinbasic bediente. Allein: Die Probleme aus der Abstiegssaison hat das Team ganz offenbar noch nicht abgeschüttelt. Im Abschluss blieben die Gastgeber mehr als unglücklich. Sie hauten den Ball drüber, seitlich daneben oder gleich ganz an ihm vorbei.
"Wir haben Effizienz vermissen lassen. In den Pässen in der letzten Linie", kritisierte Hübers. "Nach dem Spiel weiß ich immer noch nicht, wo wir stehen", gestand der Abwehrchef.
Königsdörffer ist am Freitag der Tor-König des HSV
Ganz anders die Zweitliga-Dinos vom HSV. Die Hamburger verteidigten leidenschaftlich und schlugen dann erneut eiskalt zu. Wieder stand Königsdörffer goldrichtig. Seinen Kopfball nach Karabec-Flanke lenkte FC-Keeper Urbig erst noch an die Latte, im Nachsetzen knallte der HSV-Stürmer den Ball über die Linie. Ernüchterung im Stadion. Kurios: Königsdörffer erzielte damit im ersten Spiel der neuen Saison so viele Tore wie in der vergangenen Spielzeit insgesamt in 30 Partien.
Die FC-Drangphase ließ nach dem zweiten HSV-Punch merklich nach. In gewisser Weise hatte der HSV die neue FC-Euphorie rund um den Saisonstart erstickt. "Wir hätten, glaube ich, 100.000 Tickets für das Spiel verkaufen können“, hatte Kölns Lizenz-Chef Thomas Kessler vor der Partie gesagt. So sorgten "nur" 50.000 für beste Stimmung bei feinstem Fußball-Wetter.
Und die brutale Abschlussschwäche folgte dem FC auch in die Nachspielzeit der ersten Halbzeit, als Lemperle die beste der Partie Chance liegenließ. Der Angreifer leitete die Aktion mit einem Doppelpass zu Huseinbasisc selbst ein, scheiterte dann aus wenigen Metern freistehend an HSV-Torhüter Daniel Heuer Fernandes, der für die verletzte Nummer eins Matheo Raab (Lungenentzündung) einsprang.
In der zweiten Halbzeit gab es zunächst wieder die alte Leier. Köln hatte mehr Ballbesitz, mehr Chancen, zog das Spiel auf, spätestens im Strafraum dann versagten aber die Nerven. Am Ende standen 26 zu 9 Torschüsse für den Effzeh. "Ein Spiel auf ein Tor", empfand Hübers. "Es ist frustrierend". Dem HSV fehlten nun aber auch oft die effizienten Befreiungsschläge. Baumgart räumte ein, dass die zweite Halbzeit schlechter gewesen sei.
Rückkehrer Selke mit Pfeifkonzert begrüßt
Die Fans im Müngersdorfer pushten ihr Team nochmal nach vorne. Zwischendurch wurde das Spiel dann den hohen Erwartungen nicht immer gerecht und begann, als Sommerkick so dahinzuplätschern.
Dann kam die 78. Minute. Ein wuchtiger Kopfballtreffer vom eingewechselten Linton Maina nach Flanke von Huseinbasic brachte einen neuen Funken ins Stadion. Jetzt zeigte der FC plötzlich wieder Powerplay. Der HSV wartete weiter auf Konter und rutschte knapp an der Entscheidung vorbei (88.). Auch Maina drehte nochmal auf. Vergeblich. Den Gastgebern fehlte auch in der sechsminütigen Nachspielzeit der letzte, der entscheidende Punch.
Da geriet die Rückkehr von Davie Selke fast zur Nebensache. Der Ex-Stürmer, der mit einigen Nebengeräuschen im Sommer vom Rhein and die Elbe gewechselt war, wurde in der Nachspielzeit doch noch eingewechselt. Empfangen wurde er anders als Baumgart mit einem Pfeifkonzert und Schubsern im Zweikampfgedränge von Ex-Kollege Eric Martel. "Einen verdienten Sieg", sah der Angreifer und freute sich über die ersten HSV-Minuten.
Der FC aber taumelt aus dem ersten Giganten-Clash in der neuen Liga hinein in den Zweitliga-Alltag. Nächste Woche geht es nach Elversberg. Da half auch der Dudelsack-Einlage vor dem Stadion zu später Stunde wenig weiter. Eine Reminiszenz an die schottischen EM-Feiertage in der Stadt. Auch schon wieder eine gefühlte Ewigkeit her.
Emmanuel Schneider, Köln