Darum ist Bayerns Knallhart-Kurs bei Kimmich (k)ein Fehler

Endet die Ära Joshua Kimmich beim FC Bayern im Sommer? Berichten zufolge hat der Rekordmeister sein Vertragsangebot an den DFB-Kapitän zurückgezogen, es droht ein ablösefreier Abgang. Liegt der FC Bayern mit seiner Knallhart-Strategie in der Causa Kimmich richtig? Oder ist das Vorgehen der Münchner ein Fehler? Ein Pro und Contra.
Pro: Der FC Bayern muss immer das letzte Wort haben
Joshua Kimmich ist in vielerlei Hinsicht etwas ganz Besonderes: Seinen sportlichen Wert stellt er in der laufenden Saison permanent unter Beweis, auch seine Führungsrolle als dienstältester Stammspieler nach Manuel Neuer und Kapitän der deutschen Nationalmannschaft sind echte Pfunde.
Trotzdem ist das Signal richtig und wichtig, welches der FC Bayern an seinen Alles-Spieler und Mittelfeld-Motor Kimmich sendet: Kein Spieler ist unersetzbar, der Verein muss in Vertragsverhandlungen immer das letzte Wort haben!
Joshua Kimmich hatte monatelang Zeit, alle Unklarheiten über seine sportliche Zukunft aus dem Weg zu räumen und mit seiner Unterschrift unter das Vertragsangebot ein großes Zeichen des Committments mit dem Klub zu setzen.
Stattdessen wurde der Klub mit Sportvorstand Max Eberl als Chef-Kaderplaner im Unklaren gelassen. Bleibt der konstanteste Spieler des aktuellen Kaders auch über den Sommer hinaus? Oder stürzt er sich als vierfacher Familienvater im gereiften Fußballeralter von 30 Jahren doch noch einmal in ein großes Auslandsabenteuer beim FC Barcelona, Real Madrid oder dem FC Liverpool?
Der FC Bayern weiß genau, wie stark ein Angebot wirklich ist. Noch einmal einen Mehrjahresvertrag beim größten Sportverein der Welt zu erhalten, der europäisch auch in den kommenden Jahren stets nach maximalem Erfolg strebt, dabei mit geschätzten 22 Millionen Euro Jahresgehalt weiter zu den Top-Verdienern der Mannschaft zu zählen, sind glänzende Perspektiven für Kimmich. Die meisten seiner Kollegen hätten sich das vorgelegte Arbeitspapier wohl längst gesichert und unterzeichnet.
Der einzige Vorwurf, den sich der FC Bayern gefallen lassen muss, unabhängig davon, wie sich Kimmich nun entscheidet: Diese Knallhart-Strategie hätte der Klub schon viel häufiger anwenden sollen, sei doch kurz an die Vertragspossen mit Alphonso Davies oder Jamal Musiala erinnert.
Zumindest dürfte es jetzt aber Vorbild für die kommenden geben: 2026 laufen unter anderem die Verträge von Dayot Upamecano, Serge Gnabry oder Leon Goretzka aus.
Mats-Yannick Roth
Contra: Das Vorgehen des FC Bayern ist respektlos
Man sehe in Joshua Kimmich den zukünftigen Kapitän des FC Bayern. Das hatte Sportvorstand Max Eberl zuletzt bei jeder Gelegenheit betont. Der Umgang der Münchner mit dem Nationalspieler ist diesen Aussagen allerdings keinesfalls angemessen. Mehr noch: das Vorgehen lässt darauf schließen, das Kapitänsversprechen war nur heiße Luft.
Bereits in der Vergangenheit hatte Kimmich immer wieder die mangelnde Wertschätzung seines Arbeitsgebers an seinen Verdiensten kritisiert. Zuletzt schien sich die Situation gebessert zu haben, dass der DFB-Kapitän sein neues Standing auch finanziell im neuen Arbeitspapier berücksichtigt wissen möchte, ist nur allzu verständlich.
Mit 30 Jahren steht Kimmich vor einer wegweisenden Karriereentscheidung, sein neuer Vertrag könnte der letzte große seiner Laufbahn sein. Dass er sich für diese extra viel Zeit nimmt, sollte man auch an der Säbener Straße nachvollziehen können.
Mit dem Zurückziehen des Vertrages wäre es nur logisch, wenn das Tischtuch nun komplett zerschnitten ist.
Zumal es dem gebürtigen Rottweiler nicht an Alternativen mangeln dürfte. Der FC Bayern stärkt somit im Fall der Fälle sogar einen direkten Konkurrenten um den Triumph in der Champions League - ohne einen einzigen Cent dafür zu sehen. Wahnsinn, wie man ein solches Desaster, sportlich wie finanziell, in Kauf nehmen kann.
Zumal der FC Bayern den Mega-Hickhack bei Alphonso Davies und dessen Berater, der öffentlich mit der Klubführung spielte, mitmachte. Am Ende bekam der Kanadier seinen XXL-Vertrag. Die Münchner machten alle Spielchen mit, welche die Seite des Außenverteidiger in vielen Monaten mit ihnen spielte.
Dabei hat der Linksfuß, bei allem Respekt, längst nicht die Bedeutung für den Bundesliga-Tabellenführer, wie sie Kimmich hat. Der deutsche Nationalspieler ist eine Führungspersönlichkeit, verhandelt seinen Vertrag, ohne geldgierige Berater, selbst aus. All das muss mit einem besseren Umgang belohnt werden!
Jannis Bartling