05.11.2020 12:19 Uhr

Manuel Baums brisantes Spiel mit dem Feuer

Manuel Baum und der FC Schalke 04 sind am Samstag zum Siegen verdammt
Manuel Baum und der FC Schalke 04 sind am Samstag zum Siegen verdammt

Manuel Baum durfte nach dem ersten Pflichtspielsieg des FC Schalke 04 seit Anfang Februar aufatmen. Der Einzug in die zweite Runde des DFB-Pokals gegen den 1. FC Schweinfurt 05 (4:1) war aber alles andere als ein Selbstläufer. Vielmehr war es ein riskanter Ritt auf der Rasierklinge des neuen S04-Trainers.

War es nun Mut oder Leichtsinn? Selbstvertrauen oder Überheblichkeit? Ein wichtiges Experiment oder ein unnötiges Risiko? Wer die Personal-Entscheidungen von Manuel Baum vor dem, auch finanziell, so wichtigen Nachholspiel im DFB-Pokal gegen den Viertligisten aus Bayern beobachtete, wird sich diese und ähnliche Fragen gestellt haben.

Im Nachhinein betrachtet gibt der Erfolg dem 41-Jährigen recht. Seine Mannschaft hat endlich wieder einmal gewinnen und vor dem Krisen-Gipfel gegen Mainz 05 am Samstag (15:30 Uhr) etwas Selbstvertrauen tanken können.

Kaum auszumalen, wäre Schalke aber in diesem so lukrativen Wettbewerb schon früh ausgeschieden. Immerhin strichen die Teams im letzten Jahr rund 350.000 Euro für einen Erstrundensieg ein. Und schließlich drehen die Knappen dieser Tage jeden Euro um.

Schalke-Elf wird durchgewirbelt

Manuel Baum jedoch ließ sich von der Tragweite der Partie nicht beirren. Anstatt eine eingespielte Formation, schickte Baum gegen die Schweinfurter - die seit Anfang März lediglich ein Pflichtspiel bestritten hatten - eine komplett neu formierte Elf aufs Feld. Gleich auf acht Positionen änderte er die Mannschaft im Vergleich zum 1:1 gegen den VfB Stuttgart am vergangenen Wochenende - Torwart-Rotation inklusive.

So bekam Ralf Fährmann im weiter anhaltenden Kampf um den Stammplatz im S04-Kasten den Vortritt vor Leihspieler Frederik Rönnow. Diese mutige Entscheidung wurde belohnt, avancierte Fährmann doch nicht nur dank seines gehaltenen Elfmeters zu einem der Match-Winner auf Seiten des Bundesligisten.

Auch der Startelfeinsatz von Doppeltorschütze Alessandro Schöpf, dem Baum hinterher ein "richtig gutes" Spiel attestierte, fiel positiv auf. Andere, ebenso mutige Änderungen, erwiesen sich jedoch als Spiel mit dem Feuer. 

Immer wieder neu formiert: Die anfällige S04-Defensive

Da wäre vor allem der Umstand, dass Manuel Baum weiterhin munter an seinem taktischen Gerüst herumexperimentierte. Bei seinem Schalke-Debüt gegen RB Leipzig (0:4) schickte er eine Dreier-Abwehrkette ins Rennen, die durch ein kompaktes Mittelfeld unterstützt werden sollte. Gegen Union Berlin (1:1) wechselte er zu einer offensiven Variante im 4-3-3, für das Revierderby gegen den BVB (0:3) und das Remis gegen den VfB (1:1) kehrte er zu drei Innenverteidigern zurück.

Am Dienstag im Pokal standen dann erneut vier Verteidiger in der letzten Schalker Reihe, darunter erstmals in dieser Saison der eigentlich schon aussortierte linke Abwehrmann Hamza Mendyl. Zudem durfte Vize-Kapitän Benjamin Stambouli erstmals seit drei Spielen wieder ran - jedoch nicht auf seiner gewohnten Position in der Innenverteidigung, sondern neben dem formschwachen Nabil Bentaleb im defensiven Mittelfeld. Kapitän Omar Mascarell saß nur auf der Bank.

Wenig verwunderlich angesichts der zahlreichen Änderungen, dass in der Schalker Hintermannschaft auch gegen den Regionalligisten nur wenig funktionierte. Mal mangelte es an einer ordentlichen Abstimmung, mal an sauberen Zuspielen. Die verdiente Führung durch Martin Thomanns sehenswerten Linksschuss war eine nur logische Konsequenz.

Nach nunmehr etwas mehr als einem Monat im Amt wird deutlich: Manuel Baum hat noch immer kein Rezept gefunden, um die so anfällige Defensive in den Griff zu bekommen. Zehn Gegentore unter seiner Leitung sprechen eine deutliche Sprache. Die Chance, im Pokal ein System zu festigen, ließ er ungenutzt.

Hört Manuel Baum zu sehr auf seine Spieler?

Zudem geht der Coach auch bei wichtigen, aber zuvor verletzten Spielern, gerne ins Risiko. Gegen Schweinfurt stand Mark Uth nach muskulären Problemen erneut im Kader - obgleich er im Anschluss an die Stuttgart-Partie preisgab, sein Arzt habe ihm von einem Einsatz abgeraten.

Baum hob gegenüber dem "kicker" zwar hervor, er wolle die "Empfehlungen aller Abteilungen" berücksichtigen. Entscheidend sei jedoch, "wie sich der Spieler selbst fühlt". Uth verfüge über die nötige Erfahrung und könne die Situation "sehr gut einschätzen".

Der 29-Jährige, um den der neue Trainer künftig die Offensive ausrichten will, wurde im Pokal letztlich doch geschont und blieb auf der Bank. Da auf Schalke beim Thema "muskuläre Verletzungen" seit Monaten aber die Alarmglocken schrillen, darf die Vorgehensweise dennoch kritisch beäugt werden.

Schließlich muss der Klub seit Baums Debüt gegen Leipzig erneut auf Nationalspieler Suat Serdar, den wohl wichtigsten Akteur im Kader, verzichten. Auch hier gab der Spieler grünes Licht, trotz voriger Oberschenkelverletzung und Absage an eine Länderspiel-Teilnahme. Das Ergebnis: Serdar musste nach nur 20 Minuten runter und fehlt seither.

Bleibt auf Schalke vorerst nur die Hoffnung, dass Manuel Baum einige wichtige Erkenntnisse aus seinem Pokal-Experiment gezogen hat. Dass sich das Risiko auszahlt. Und dass er gegen Mainz eine, wohl erneut veränderte, Mannschaft auf den Platz schickt, die ein Spiel gewinnen kann.

Gerrit Kleiböhmer