19.03.2022 08:12 Uhr

Magath bei Hertha BSC: Retter oder "Regent des Wahnsinns"?

Felix Magath soll die Hertha vor dem Abstieg retten
Felix Magath soll die Hertha vor dem Abstieg retten

Felix Magath soll Hertha BSC vor dem Abstieg retten. Nach dem krachend gescheiterten Tayfun Korkut erneut eine Personalie, die polarisiert. Doch seine Retter-Mission verzögert sich, zwei Tage vor dem Spiel gegen 1899 Hoffenheim wurde Magath positiv auf Corona getestet. 

Am 13. März dachten viele an einen verfrühten April-Scherz, als Hertha BSC Felix Magath die Mission Klassenerhalt anvertraute. Doch weit gefehlt. Es gehe nicht um Magath und auch nicht um Fredi Bobic, stellte Herthas Feuerwehrmann auf seiner ersten Pressekonferenz klar. "Es geht darum, dass der Klub, in der Situation ist, in der er breite Unterstützung braucht, die Spieler Unterstützung brauchen." Unterstützung von einem "Schleifer" wie Magath.

Die ersten Trainingstage liefen vielversprechend, am Donnerstag dann der Rückschlag: Magath wurde positiv auf Corona getestet und wird damit gegen die TSG Hoffenheim am kommenden Samstag nicht auf der Bank sitzen. Dann ist Länderspielpause. Das Bundesliga-Wiedersehen mit dem 68-Jährigen wird es damit erst am 2. April geben.

Viele Baustellen: Harmlose Offensive, desolate Abwehr

Viel Zeit für Magath, die vielen Baustellen in Berlin in Angriff zu nehmen. Sollte die Partie ohne ihn gegen die formstarken Sinsheimer allerdings verloren gehen, wäre es die sechste Niederlage in Serie. Der letzte Sieg ist lange her, eine knappe Woche vor Weihnachten schlug Hertha den BVB mit 3:2. Die Alte Dame ist mit zwei Punkten die schwächste Rückrundenmannschaft, erzielte lediglich sechs Tore in neun Spielen 2022. Das klingt nach einem klaren Offensivproblem, was es angesichts von 26 Toren und nur 289 Schüssen (jeweils Platz 16 ligaweit) auch ist.

Doch nur hier anzusetzen, wäre viel zu kurz gegriffen. 60 Gegentreffer kassierte Hertha bislang, die Tordifferenz von -34 ist eine echte Hypothek im Abstiegskampf! Als größte Schwäche erscheint das Verteidigen von Standardsituationen - satte 21 Gegentreffer kassierten die Berliner nach ruhenden Bällen. Sicherlich ein Punkt, den Magath im Training auf die Agenda setzen wird.

Herthas Kader: Viele Individualisten, keine Mannschaft

Was Magath nicht trainieren kann, ist die schlechte Zusammenstellung des Kaders. Das zeigte sich nicht erst in den vergangenen Wochen: Es gibt keinen Leader, keiner der in diesen stürmischen Zeiten Stärke zeigt. Aus vielen Individualisten muss Magath schnellstmöglich eine Mannschaft formen. Kevin-Prince Boateng ist definitiv über seinen Zenit, Lucas Tousart ein Millionen-Flop - andere schlichtweg mit der Situation überfordert. Marc-Oliver Kempf, ein eigentlich sinnvoller Wintertransfer, hatte erst mit Corona zu kämpfen, dann sah er einen Platzverweis. Vom norwegischen Klub FK Bodø/Glimt kam in der Winterpause Linksverteidiger Fredrik André Björkan ablösefrei. Mit den Norwegern spielte er eine höchst erfolgreiche Saison, verlor kaum ein Spiel. Nun steckt er tief im Abstiegskampf.

Das Label "Big City Club" blättert immer mehr ab, Hertha BSC ist in dieser Form auf dem Weg in die zweite Liga. 

Magath einst erfolgreicher Feuerwehrmann

Kann der "Big Trainer" Magath, wie ihn Augsburg-Coach Markus Weinzierl bezeichnete, der Alten Dame auf die Beine helfen und den Klassenerhalt schaffen? 

Was für Magath spricht? Als erfolgreicher "Feuerwehrmann", u.a. bei Eintracht Frankfurt und dem VfB Stuttgart, erarbeitete er sich einst einen beachtlichen Ruf.

Allerdings liegen die Rettungstaten bereits über 20 Jahre zurück. Der inzwischen 68-Jährige war und ist eine Autoritätsperson und verlangt Disziplin: "Disziplin gehört nun mal zum Sport. Das habe ich nicht erfunden", so Magath bei seiner ersten Pressekonferenz.

Dass die Berliner mit ihren vielen guten Einzelspielern nicht im Abstiegskampf stecken sollten, ist nicht nur Magath klar. Vielmehr liegen die Probleme innerhalb der Mannschaft und in der fehlenden Struktur. Magath wird eine Achse an Spielern finden müssen, die alles dem Ziel Klassenerhalt unterordnet. 

Ist der Trainer mit dem Beinamen "Quälix" in seinem Fach aber wirklich noch gut genug? Die jüngere Vergangenheit des Trainers Magath lässt daran zweifeln. Seine letzte Trainerstation bei Shandong Taishan in der chinesischen Super League ist über vier Jahre her. Die kurze Amtszeit beim FC Fulham im Jahr 2014 war ein einziges Missverständnis: Magath stieg mit den Londonern ab, in der Presse war von einer "Regentschaft des Wahnsinns" die Rede.  

Und auch die letzte Bundesligastation verlief wenig erfolgreich. In seiner zweiten Ära beim VfL Wolfsburg (März 2011 bis November 2012) erinnerte kaum noch etwas an den einstigen Meistermacher. Was natürlich nicht nur am Trainer lag. Nach acht Spieltagen der Saison 2012/13 wurde Magath bei den Wölfen als Tabellenletzter mit fünf Punkten und lediglich zwei Toren (!) entlassen. Genauso viele Spieltage hat er nun Zeit, mit der Hertha die Mission Klassenerhalt zu schaffen.

Lars Wiedemann