Der geniale Schachzug von Edin Terzic

Im Dezember 2020 trennte sich Borussia Dortmund von Lucien Favre und beförderte Edin Terzic zum Interimstrainer. Ein Engagement, das den Wunsch des BVB nach Emotionen und Stallgeruch erfüllte, aber nur auf Zeit angelegt war. Nun bekommt der 39-Jährige eine neue Chance - wohl auch, da er meisterhaft taktierte.
Als Edin Terzic den BVB bei seinem ersten Engagement so richtig auf Kurs gebracht hatte, hatte man in Dortmund gerade tief in die Tasche gegriffen, Marco Rose aus Gladbach losgeeist und damit vermeintlich den Trainer nach Dortmund gelotst, der die Schwarz-Gelben endlich wieder zu einem echten Herausforderer für Serienmeister FC Bayern formen sollte.
Keine zwölf Monate später ist diese Hoffnung wie eine Seifenblase geplatzt, Rose musste seinen Platz räumen. Dass der Schatten von Edin Terzic eigentlich von Beginn an wie ein Damoklesschwert über Rose schwebte, dürfte eine erhebliche Rolle gespielt haben.
Von der Südtribüne auf die BVB-Bank
Als feststand, dass Rose den BVB nach der Saison übernimmt, hatte Terzic gerade seine ersten zwölf Spiele als Trainer absolviert und die nicht wirklich überzeugende Ausbeute von sechs Siegen, vier Niederlagen und zwei Remis vorzuweisen. Am 17. Februar berief Gladbach eine Pressekonferenz ein, um Stellung zum Abschied Roses zu nehmen, zeitgleich setzte beim BVB unter Terzic eine Wende ein.
Wenige Stunden nach der Gladbach-Gesprächsrunde coachte Terzic seine Schützling im Achtelfinale der Champions League zu einem Sieg beim FC Sevilla, Pleiten setzte es nur noch beim übermächtigen FC Bayern (2:4), im überzeugenden Viertelfinale der Königsklasse gegen Manchester City (1:2 und 1:2) sowie gegen Eintracht Frankfurt (1:2). Ansonsten lief es unter Terzic, der den BVB einst auf der Südtribüne anfeuerte und sich in der Folge als Jugendtrainer im Verein einen klanghaften Namen erarbeitete, plötzlich richtig rund.
Unter anderem wurde Erzrivale FC Schalke 04 in Gelsenkirchen mit 4:0 vom Platz gefegt, Gladbach und Rose im Viertelfinale des DFB-Pokals 1:0 bezwungen, RB Leipzig im Endspiel des Wettbewerbs mit 4:1 vorgeführt und die Saison mit acht Siegen am Stück beendet.
Terzic hatte "nullkommanull Lust" den BVB zu verlassen
Rufe nach einem Verbleib Terzics hallten längst nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand durchs Ruhrgebiet. Zeitweise wurde in den Medien sogar über eine Doppelspitze Terzic/Rose auf der BVB-Bank diskutiert, zumindest als Assistent wurde der 39-jährige Mendener allerdings überall weiterhin gehandelt und auch andere Bundesligisten, darunter der VfL Wolfsburg und Hertha BSC, sollen ein Auge auf Terzic geworfen haben.
Der Deutsch-Kroate überraschte allerdings alle: Statt einen Platz im Trainerteam des BVB einzunehmen oder die Früchte seines Pokalerfolgs mit den Dortmundern anderswo zu ernten, machte Terzic einen Schritt zurück, übernahm bei den Borussen die für ihn neugeschaffene Stellung des Technischen Direktors und verschwand weitestgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung.
Nicht allerdings ohne zuvor noch einmal die Fan-Seele zu streicheln und zu betonen, er habe viele Gespräche geführt, hatte aber "nullkommanull Lust, Borussia Dortmund zu verlassen". Dass Terzic auch bei den BVB-Bossen einen Stein im Brett hat, zeichnete sich ebenfalls mehrfach ab. Watzke betonte sogar, Terzic sei für ihn eine "BVB-Legende".
Dass Marco Rose nach der abgelaufenen Saison seinen Hut nehmen musste, war dennoch nicht abzusehen. Zumal Watzke noch im März gegenüber der "Sport Bild" tönte, "Rose steht bei Borussia Dortmund in keinster Weise zur Disposition".
Nach einer intensiven gemeinsamen Analyse der ernüchternden Saison wendete sich das Blatt: Rose war raus, die Rückkehr von Terzic die logische Konsequenz.
Emotionaler Appell an die BVB-Anhänger
Wie sehr der neue alte Mann an der Seitenlinie dieser Chance entgegenfieberte, wurde unmittelbar nach der Bekanntgabe noch einmal untermauert.
"Heute ist es ähnlich besonders für mich, deshalb eine kleine Bitte: Lasst uns so hungrig sein, wie noch nie. Lasst uns so hart arbeiten, wie noch nie. Lasst uns aber auch so positiv sein, wie noch nie. Aber am allerwichtigsten: Lasst uns so laut sein, wie noch nie. Dann bin ich mir sicher, dass wir die große Chance haben, eines Tages zu feiern wie noch nie. Darauf hätte ich mega Bock. In diesem Sinne: Wir sehen uns bald im schönsten Stadion der Welt", wandte sich Terzic an die BVB-Fans.
Worte die offenbaren, dass sich der Coach eigentlich doch mehr als nur die Arbeit im Hintergrund wünscht. Das Warten auf die zweite Chance scheint zudem einen weiteren netten Nebeneffekt zu haben: Der Druck liegt nach der teuren Enttäuschung Rose nun auch bei den BVB-Bossen. "Das Mindeste ist die Champions-League-Qualifikation. Aber wir müssen so einer Mannschaft jetzt auch mal die Zeit geben. Wenn sechs, sieben neue Spieler kommen, das braucht dann seine Zeit", deutete Watzke gegenüber "Sky" an, dass man Terzic durchaus etwas Zeit einräumt.
Marc Affeldt