14.07.2022 09:16 Uhr

Wie Frankfurt die Dreifachbelastung meistern will

Zwischen Champions League und Liga-Alltag: Eintracht-Coach Oliver Glasner und Mario Götze
Zwischen Champions League und Liga-Alltag: Eintracht-Coach Oliver Glasner und Mario Götze

Für Eintracht Frankfurt steht die wichtigste Saison der jüngeren Vergangenheit vor der Tür. Trotz der riesigen Euphorie nach dem Triumph in der Europa League verschließen die Verantwortlichen nicht die Augen vor dem Tagesgeschäft Bundesliga, denn dieses war in der Vorsaison alles andere als rosig.

Für die Eintracht-Fans reiht sich zu Saisonbeginn ein Highlight an das nächste: Nach dem Pokalspiel in Magdeburg eröffnet die Mannschaft von Oliver Glasner die Saison zu Hause gegen den FC Bayern München, gefolgt vom Endspiel im UEFA Super Cup gegen Real Madrid. Anfang September startet die SGE in das Abenteuer Champions League, der zweiten Saison im höchsten europäischen Vereinswettbewerb nach 1959/60. Da wäre es fast menschlich, wenn die Motivation für den Alltag in der Bundesliga schwerer fällt.

"Im Erfolg macht man bekanntlich die größten Fehler"

Genau das sollte der Eintracht aber nicht passieren: Neben warnenden Beispielen aus der Vergangenheit - der 1. FC Köln 2017/18 oder Freiburg 2001/02 etwa konnten die Dreifachbelastungen nicht stemmen und stiegen ab - soll die kommende Saison deutlich konstanter verlaufen als die vergangene. Die Spielzeit 2021/22 war mit 42 Punkten und Platz elf die schwächste seit fünf Jahren. Die heimischen Fans wurden fast ausnahmslos in der Europa League verwöhnt, mit Platz 16 in der Heimtabelle agierte die SGE zu Hause wie ein Abstiegskandidat. Beinahe unwirklich, dass die Hessen auf europäischer Bühne ungeschlagen zum Titel marschierten. 

Dass trotz des zweiten Europapokaltitels der Vereinsgeschichte viel Arbeit auf Oliver Glasner und seine Schützlinge wartet, weiß auch Sportvorstand Markus Krösche. "Im Erfolg macht man bekanntlich die größten Fehler", das sagte der 41-Jährige nur wenige Tage nach dem sensationellen Europa-League-Triumph im Hinblick auf die kommende Spielzeit. Mit der Bundesliga-Saison sei Krösche "nicht zufrieden" gewesen und fügte hinzu: "Wir wissen, dass wir uns in vielen Bereichen verbessern müssen, viel Arbeit vor uns haben und weit weg sind vom Ideal."

Eintracht Frankfurt laufstark, aber wenig dominant

Damit dürfte Krösche auch die passive Spielweise gemeint haben: Nur 49 Prozent Ballbesitz verzeichnete die Eintracht in der Vorsaison, 2020/21 waren es unter Adi Hütter noch 54 Prozent und Frankfurt gehörte zu den Top 5 der Liga. Im Zusammenhang damit sank die Passquote von zuvor 80 auf magere 76 Prozent. Die Verpflichtung von Mario Götze, der während seiner gesamten Laufbahn Teil von dominant auftretenden Teams war, dürfte als Impuls für eine etwas andere Spielidee gelten.

Die Frankfurter Eintracht gehörte in der Saison 2021/22 laut "bundesliga.de" zu den lauf- und sprintstärksten Mannschaften im Oberhaus, sowohl bei den abgespulten Kilometern als auch bei den Sprints lag Glasners Team unter den Top 3. Diese Intensität liegt in der DNA der Eintracht und macht sie stark.

Dennoch kostet diese Spielweise sehr viel Kraft, gerade wenn man in drei Wettbewerben bestehen möchte. Zudem besteht die Gefahr, dass dieser Erfolgscode weitestgehend geknackt ist. Die Herangehensweise der Gegner könnte eine andere sein. "Da müssen wir Lösungen finden", betonte Krösche. 

Attraktive Eintracht zieht Götze und Alario an Land 

Trainer Oliver Glasner und Sportvorstand Markus Krösche können nach den ersten Eindrücken im Trainingslager in Oberösterreich eine bis dato positive Transferbilanz ziehen. Zunächst überschattet vom umstrittenen Abgang von Abwehrchef und Fan-Liebling Martin Hinteregger dürfte die Stimmung wieder zurückgekippt und in Vorfreude auf das Kommende umgeschwenkt sein. Bis auf den Österreicher wurden alle Leistungsträger gehalten, selbst der Verbleib von Filip Kostic gilt nach einer Gehaltsanpassung als so gut wie sicher. 

Auf der Einkaufsliste tauchen indes illustre Namen auf - insbesondere für die bis dato recht harmlose Offensivabteilung (nur 45 BL-Tore in der Vorsaison): Für wenig Geld lockte man Mario Götze (4 Mio. Euro) und Lucas Alario (6 Mio.) in die Mainmetropole. Man sei "eine deutlich attraktivere Nummer", prognostizierte Krösche bereits vor diesen Transfers. 

Interessant dürfte werden, wie sich die ablösefreien Randal Kolo Muani, in der vergangenen Saison mit 12 Toren für Nantes in der Ligue 1, und Außenstürmer Faride Alidou vom HSV (zwei Tore, sieben Vorlagen) im deutschen Oberhaus schlagen. Sollte Kostic tatsächlich gehalten werden, ist die "Abteilung Attacke" deutlich stärker und breiter aufgestellt. 

Eintracht Frankfurt: Zeit der Glückwünsche ist vorbei

Einen weiteren Gewinner der letzten Saison konnte die Eintracht fest verpflichten: Der zuvor geliehene Mittelfeldabräumer Kristijan Jakic, der sich sofort als Stammspieler etablierte, wurde für nur 3,5 Millionen fest von Dinamo Zagreb verpflichtet.

In der Abwehrzentrale wurde der Verlust von Hinteregger abgefedert. Der Champions-League-erfahrene und ablösefreie Jerome Onguéné von RB Salzburg dürfte sofort weiterhelfen. Zudem wechselte mit dem kroatischen U21-Nationalspieler Hrvoje Smolcic (2,5 Mio.) ein weiterer Innenverteidiger an den Main.

Eine schlagkräftige Truppe, die vom Papier her die hohen Ziele von Sportvorstand Krösche erfüllen könnte. Der sagte: "In der Champions League wollen wir die Gruppenphase überstehen. Und in der Bundesliga dauerhaft um die europäischen Plätze mitspielen."

Ziele, die ein amtierender Europa-League-Champion gefühlt erfüllen muss. Doch die Überflieger vom Main sind wieder auf die Erde zurückgekehrt. Oder wie es Oliver Glasner nach einem müden 1:0 in der Vorbereitung gegen Viertligist Aschaffenburg formulierte: "Sechs Wochen lang gab es nur Glückwünsche und Gratulationen. Aber auf dem Platz ist es damit vorbei."   

Lars Wiedemann