Pavard beim FC Bayern: Baustein oder Baustelle?

Rund um den FC Bayern herrscht seit der Gala-Gruppenphase in der Champions League Euphorie. Dennoch hält eine Personalie die Münchner Bosse derzeit in Atem: Benjamin Pavard, der zwar mal als wichtiger Baustein gilt, aber auch zunehmend eine Baustelle im Kader öffnet.
Besser als Benjamin Pavard kann man Störgeräusche wohl nicht im Keim ersticken: Die Augen auf den von Joshua Kimmich hereingebrachten Eckball gerichtet, ein schneller Sprint in Richtung Elfmeterpunkt, ein Sprung in die Luft, Kopfball, Tor.
Mit jenem Führungstreffer in der Champions League gegen Inter Mailand (2:0) brachte er den FC Bayern auf Siegkurs, zudem überzeugte der Defensivmann in seinem Kerngeschäft (sport.de-Note 1,5).
Seinen Bossen beim FC Bayern lieferte Benjamin Pavard damit die denkbar beste Vorlage, die (zahlreichen) Misstöne verstummen zu lassen. "Benji hat richtig reagiert, hat es als Fehler eingesehen - was einer ist, keine Frage", meinte etwa Cheftrainer Julian Nagelsmann zum Münchner Sorgenkind. Man solle Pavard daher nun, wo alle Strafen ausgesprochen seien, von "Vereins- und Staatsseite" in Ruhe lassen.
Bayern Münchens Sportvorstand Hasan Salihamidzic bekräftigte zudem, man habe die Angelegenheiten "längst geklärt". Die Verfehlungen des Abwehr-Stars - allen voran dessen Alkoholfahrt vor rund sechs Wochen, durch die nach dem Beschluss des Gerichts noch Konsequenzen drohen - seien "nicht der Rede wert". Der FC Bayern hatte Pavard nach "Bild"-Angaben bereits eine Geldstrafe im hohen fünfstelligen Bereich aufgebrummt.
Pavard mit Rolle beim FC Bayern unzufrieden
Überall wieder heile Welt also? Nicht unbedingt, denn Pavards Frust scheint tiefere Wurzeln zu haben. Seit seinem Wechsel im Sommer 2019 vom VfB Stuttgart zum FC Bayern hegt er den Wunsch, eine zentrale Rolle in der Mannschaft einzunehmen. Daher strebt der 26-Jährige schon länger an, von der rechten Abwehrseite in die Innenverteidigung zu rücken.
Das Problem: Im vergangenen Sommer wurde ihm in Matthijs de Ligt erneut ein prominenter Neuzugang vor die Nase gesetzt, nachdem Niklas Süle zum BVB abgewandert war. Offen spielte Pavard daraufhin mit dem Gedanken, den FC Bayern zu verlassen, blieb eigener Aussage zufolge letztlich aber nach einem Gespräch mit Nagelsmann in München.
Pavard darf sauer auf Nagelsmann sein - Wechsel als Chance?
Nachdem er als Stammkraft auf der rechten Seite in die Saison gestartet war, hatte ihm zwischenzeitlich in Noussair Mazraoui ein weiterer Neuzugang seinen Platz im Team streitig gemacht. Der Marokkaner erledigte seine Aufgaben gut und rief anschließend öffentlich den Konkurrenzkampf für den Posten auf der rechten Seite aus. "Aktuell kann man nicht sagen, dass einer von uns diesen Wettkampf gewonnen hat", so Mazraoui gegenüber der "AZ".
Pavards Dilemma, wie Nagelsmann zusammenfasste: "Er deckt gerade zwei Positionen ab." Oder anders ausgedrückt: Weder in der Abwehrmitte, noch auf seiner Stammposition rechts war er zuletzt erste Wahl. "Er war sicher sauer auf mich, auch berechtigt", versuchte der Trainer nach dem Mainz-Spiel die Wogen zu glätten.
Durch den Startelfeinsatz (in der Innenverteidigung!) in der Königsklasse dürfte jener Frust bei Pavard zwar mittlerweile leicht abgeebbt sein. Eine wirkliche Chance, seinen Traum beim FC Bayern vor Ende des 2024 auslaufenden Vertrags zu erfüllen, scheint aber nicht gegeben - vor allem, wenn Lucas Hernández nach seiner Verletzung zurückkehrt.
Anzeichen, dass Gespräche über eine Verlängerung, stattfinden, gibt es aktuell nicht. Im Gegenteil: Wie schon im Sommer mehren sich die Abschiedsgerüchte um Pavard. "Sport Bild" machte ein Interesse des FC Chelsea aus, auch Atlético Madrid soll die Situation des Verteidigers genau beobachten.
Warum Pavard für den FC Bayern so wichtig ist
Einen vorzeitigen Abschied kann sich der deutsche Rekordmeister jedoch nur schwer erlauben, wenn man in diesem Jahr national wie international nach den Sternen greifen will. Mittel- und langfristig dürfte beim FC Bayern ohnehin kein Zweifel daran bestehen, dass der 46-fache Nationalspieler auf der rechten Seite gesetzt und Neuzugang Mazraoui als Ersatz eingeplant ist.
Zahlen aus dem ersten Saisondrittel belegen die klare Rollenverteilung: Pavard hat im Schnitt pro Spiel rund 80 Ballkontakte und reiht sich damit hinter Kimmich, Upamecano und Davies weit vorne ein. Mazraoui hat jene Bindung zum Bayern-Spiel noch nicht, sammelt er im Schnitt bislang nur rund 36 Ballkontakte.
Liegen beide bei einer Passquote von 90 Prozent gleichauf, ist Pavard beim FC Bayern mit einer Quote von rund 65 Prozent der beste Zweikämpfer. In der Offensive bringt er sich zudem mit Blick auf die Torschuss-Statistik deutlich häufiger ein (14:3 Schüsse). Seine drei Saisontore untermauern die Qualitäten im gegnerischen Strafraum.
"Sky"-Experte Dietmar Hamann sieht Pavard daher sogar als einen "der wichtigsten Bausteine dieser Bayern-Mannschaft", da er "uneigennützig", "zuverlässig" und somit "wichtig für die Balance und defensive Stabilität" sei.
Dass er sich durch die Leistung gegen Inter nun weitere Einsätze in der Zentrale verdient hat, bedeute dies aber keineswegs: "Es geht nicht darum, was ein Spieler will, sondern was das Beste für die Mannschaft ist, und rechts hinten hilft Pavard dem Team am meisten."
Bleibt für Benjamin Pavard also nur, sich mit seiner Rolle in München langsam aber sicher abzufinden. Sonst wird der Baustein wieder zur Baustelle.
Gerrit Kleiböhmer