Erik ten Hag: Einer wie Xabi Alonso?

Bayer Leverkusen hat Erik ten Hag als Nachfolger für Erfolgstrainer Xabi Alonso auserkoren. Was kann der Niederländer der Werkself geben? Wie fällt der Vergleich zu seinem Vorgänger aus?
Bayer Leverkusen hat das Erfolgskapitel Xabi Alonso endgültig abgeschlossen. "Wir wollen eine neue Geschichte schreiben", so Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes. Protagonist des neuen Kapitels ist niemand Geringeres als Erik ten Hag.
Der Niederländer ist längst ein großer Name im internationalen Fußball. Immer wieder war ten Hag in den vergangenen Monaten mit europäischen Top-Klubs in Verbindung gebracht worden, Bayer hatte es 2021 schon einmal selbst versucht. Nun muss er sich mit den Erfolgen von Alonso messen. Das schon Mal vorweg: In puncto Erfahrung übertrifft er den Spanier, der im Oktober 2022 in Leverkusen seine ersten Schritte als Profi-Trainer machte, um Längen.
Der neue Trainer bringt Titel-Erfahrung mit
Auch seine Titel-Ausbeute kann sich sehen lassen: Angefangen hat alles 2014 im noch kleineren, aber nicht weniger beachtlichen Rahmen, als er mit der zweiten Mannschaft des FC Bayern die Regionalliga-Meisterschaft gewann (Alonso spielte damals übrigens in München unter Pep Guardiola).

Nach zwei Jahren in Utrecht folgte dann seine bislang erfolgreichste Zeit. Bei Ajax Amsterdam sprangen in viereinhalb Jahren nicht weniger als drei Meistertitel und zwei Pokalsiege heraus - was ihm 2022 den Sprung zu einem der größten Klubs der Welt ermöglichte: Manchester United.
Im Haifischbecken Premier League hielt sich der 55-Jährige bis Oktober 2024, nur wenige Monate nach dem viel umjubelten FA-Cup-Sieg mit den Red Devils wurde er vor die Tür gesetzt. Kurzum: ten Hag hat, wie Rolfes gerne unterstreicht, "bewiesen, Titel zu gewinnen".
Was Bayer Leverkusen von ten Hag erwarten kann
Die Mischung aus Erfahrung, Titel-Fähigkeit und sofortiger Verfügbarkeit sind für Bayer Leverkusen sicherlich die Grundzutaten gewesen, um sich mit ten Hag zu beschäftigen. Das allein reicht aber noch nicht. Der Xabi-Erbe muss schließlich auch zu den sportlichen Ideen des Vizemeisters und den Qualitäten der Spieler passen, die zweieinhalb Jahre lang Power-Ballbesitzfußball gewöhnt waren.
Ein Blick in die Zahlen von COACHINSIDE, der weltweit stärksten Scouting-Datenbank über Profi-Trainer, zeigt eindeutig, dass Bayer mit dem Niederländer durchaus auf Kontinuität in der spielerischen Ausrichtung setzt.
Vergleicht man die Statistiken ihrer bisherigen Stationen - bei ten Hag liegt der Zeitraum von Juli 2015 bis Oktober 2024 zugrunde, bei Alonso von Juli 2019 bis Mai 2025 -, so kommen durchaus interessante Werte heraus: In den insgesamt 321 von COACHINSIDE analysierten Spielen holte ten Hag 2,04 Punkte pro Spiel (Alonso kommt in 136 Spielen auf 1,79 Punkte/Spiel), seine Mannschaften erzielten im Schnitt 2,2 Tore und kassierten 1,1 Tore.
Klingt verdächtig nach Xabi Alonso
Alonsos Schützlinge trafen durchschnittlich 1,9 Mal und fingen sich 1,2 Gegentore. Beide bewegen sich also auf vergleichbarem Niveau, mit minimalen Vorteilen für ten Hag.
Für die Bayer-Bosse wohl entscheidend: Der neue Coach setzt ebenso wie der Vorgänger auf Ballbesitzfußball. In der Scouting-Datenbank heißt es zur taktischen Ausrichtung, ten Hag bevorzuge "eine Spielidee, die auf Ballbesitz, Kontrolle und Dominanz beruht". Mehr als ein Drittel der erzielten Tore (seit 2021) resultierten aus Ballbesitzphasen, fast genau so viele wurden nach Umschalten nach Balleroberung erzielt.
Durch "variables Stellungsspiel" sollen seine Spieler Überzahlmomente schaffen "und mit tiefem Pass- und Kombinationsspiel ins letzte Drittel" vordringen. Nach Ballverlusten setzt der Fußballlehrer auf das "sofortige Gegenpressing" - klingt verdächtig nach Bayer Leverkusen unter Xabi Alonso.
Unterschiede gibt es dennoch: Der Spanier setzte in Leverkusen in der Regel auf eine 3-2-4-1-Grundformation, in denen die Außenverteidiger eine wichtige Rolle spielten. Nicht umsonst galten Jeremy Frimpong und Alejandro Grimaldo in den letzten Jahren zu den Schlüsselspielern am Bayer-Kreuz. Doch beide - Frimpong zieht es nach Liverpool, Grimaldo zurück nach Spanien - könnten in der nächsten Saison nicht mehr da sein. Ten Hags bevorzugt ein 4-2-3-1-System, auch im 4-3-3 ließ er gerne spielen.
Was Bayer Leverkusen von ten Hag nicht erwarten kann
Ob auch Erik ten Hag am Rhein zur Erfolgsstory wird, dahinter steht allerdings angesichts seines letztlich enttäuschenden Kapitels bei Manchester United zumindest ein Fragezeichen. Die bewegte Zeit bei den Red Devils hinterließ beim Niederländer durchaus Kratzer, auch sein Standing musste darunter leiden. Er blieb hinter den Erwartungen zurück - sportlich wie taktisch.
Immerhin 850 Tage lang hielt er sich dort auf dem Trainerstuhl. Unterstützt von wahnwitzigen Millionen-Investitionen in neue Spieler - in allen drei Sommer-Transferphasen wurde für jeweils (!) über 200 Millionen Euro eingekauft, darunter Stars wie Antony, Casemiro, Höjlund oder de Ligt -, sollte ten Hag im Nordwesten Englands nicht weniger als eine neue Ära einleiten.
In seiner Debütsaison konnte er United noch auf Platz drei und somit nach einem Jahr Abstinenz in die Champions League zurückführen - wohl aber auch dank guter Leistungen einzelner Spieler. Gemäß der Berechnungen vom Datendienstleister Opta holte Manchester zehn Punkte mehr als erwartet (expected points).
"Ich kann nicht wie Ajax spielen lassen, weil ich hier andere Spieler habe"
Seinen Ajax-Fußball konnte der nur phasenweise in die Mannschaft injizieren. "Ich bin mit meiner Philosophie, basierend auf Ballbesitz, hierher gekommen, aber ich wollte es mit der DNA von Manchester United, den Spielern und ihren Eigenschaften kombinieren", sagte er im Mai 2023: "Ich kann nicht wie Ajax spielen lassen, weil ich hier andere Spieler habe." Doch das allein war nicht das Problem.
Im zweiten Jahr setzte ten Hag also auf schnellen und direkten Fußball nach vorne, gelingen sollte dies etwa mit Pressingspielern wie Mason Mount oder Rasmus Höjlund. Doch mit den Vorgaben war die Mannschaft sichtbar überfordert, vor allem im Mittelfeld klafften zeitweise eklatante Lücken.
Die Folge: Am Ende der Saison war die ten-Hag-Truppe, die allerdings auch zahlreiche verletzungsbedingte Ausfälle zu bewältigen hatte, die mit den am zweitmeisten zugelassenen Schüssen. Im Ranking der zu erwartenden Gegentore lag man laut COACHINSIDE auf dem 18. Platz. Auch in der Offensive hakte es gewaltig, nach 38 Spielen schoss man ein Tor weniger als man kassierte. Über den enttäuschenden achten Rang in der Liga konnte selbst der Derbysieg im Pokalfinale nicht hinwegtäuschen.

Nach nur elf Punkten in neun Partien in der Saison 2023/24 zog der Klub schließlich die Reißleine und stellte ten Hag frei.
Wird das Kapitel bei Bayer Leverkusen erfolgreich?
Bei Bayer Leverkusen wird man wissen, was man vom neuen Cheftrainer erwarten darf - und was nicht. Ein großer Vorteil: Beim Vizemeister rückt ten Hag nun in ein weitaus ruhigeres Umfeld. Am Rhein droht gefühlt nicht nach jeder Niederlage der Rauswurf, ten Hag wird also versuchen können, seine Ideen mit der angemessenen Ruhe umzusetzen.
Es wird aber auch darauf ankommen, welche Spieler er gemeinsam mit Simon Rolfes nach Leverkusen lockt und welche Führungsspieler im Sommer gehen (Stichwort Florian Wirtz). Voraussetzung muss sein, dass die Neuzugänge zu seinem Spielstil passen - damit Fehlgriffe wie in Manchester nicht wiederholt werden. Sein Vertrag ist zunächst auf zwei Jahre ausgelegt.
Mit Groll blickt der neue Bundesliga-Trainer auf das Kapitel in Manchester übrigens nicht zurück, wie er nach seiner Vorstellung bei "ESPN" erklärte. Es habe ihn stattdessen reicher an Erfahrung machen lassen. Das neue in Leverkusen soll aber deutlich erfolgreicher werden.