14.06.2016 20:48 Uhr

0:2-Pleite! Österreich verpatzt EM-Start

Adam Szalai bezwingt Robert Almer. Das Unglück nahm seinen Lauf.
Adam Szalai bezwingt Robert Almer. Das Unglück nahm seinen Lauf.

Österreich hat den Auftakt in die Europameisterschaft 2016 leider völlig verpatzt. Gegen Ungarn gab es am Dienstag vor 34.424 Zuschauern im Stade de Bordeaux eine ganz bittere 0:2-Pleite, dazu die Verletzung von Zlatko Junuzović und Gelb-Rot für Abwehrchef Aleksandar Dragović. Treffer von Ádám Szalai in der 62. Minute und Zoltán Stieber in der 87. Minute besiegelten die Niederlage in einem Spiel, welches das ÖFB-Team nie verlieren hätte dürfen.

Nun steht man in den weiteren EM-Partien der Gruppe F gegen Portugal und Island gehörig unter Zugzwang, wenn noch der angepeilte Aufstieg in das Achtelfinale geschafft werden soll. Durch das 1:1-Remis im Abendspiel zwischen den Portugiesen und den Isländern ist man vorerst Tabellenletzter.

Der erhoffte erste rot-weiß-rote Sieg bei einem Großereignis seit 26 Jahren blieb aus. Damals hatte sich Österreich am 19. Juni 1990 bei der Weltmeisterschaft in Italien gegen die USA in Florenz mit 2:1 durchgesetzt. Danach gab es weder bei der WM 1998 in Frankreich noch bei der Heim-EM 2008 einen vollen ÖFB-Erfolg. Diese traurige Serie setzte sich leider fort.

Invasion der rot-weiß-roten Fans in Bordeaux

Dabei hatten schon lange vor dem Anpfiff die tausenden angereisten heimischen Fans im Südwesten von Frankreich für Party-Stimmung gesorgt. Auch im Stadion präsentierten sie sich im Vorfeld der Partie bei "I am from Austria" und anschließend bei der Bundeshymne wie gewohnt lautstark. Echte Gänsehaut-Stimmung.

Sie bekamen die "Einser-Garnitur" von Teamchef Marcel Koller aus der imposanten EM-Qualifikation zu sehen. Auch Torjäger Marc Janko war nach überstandener Adduktorenverletzung mit dabei. Doch bereits in der ersten Minute stand Österreichs Superstar im Mittelpunkt: David Alaba nahm mit dem Ball am Fuß Fahrt auf und zog mit links herrlich ab, doch der sehenswerte Distanzschuss prallte von der Stange wieder ins Feld zurück.

Ungarns Torhüter Gábor Király, der mit 40 Jahren den Rekord von Lothar Matthäus als ältester EM-Spieler überbot, wäre chancenlos gewesen. So blieb der mögliche ÖFB-Traumstart aus und die Magyaren zogen wie befürchtet ihre Abwehrmauer auf. Gegen das 4-5-1-System war es ganz schwer Räume zu finden. Es gelang dennoch bereits in der Anfangsphase erneut: Nach idealer Vorarbeit von Marko Arnautović scheiterte Alaba jedoch an Király.

Die Ungarn zeigten vorerst nur durch zwei Distanzschüsse von László Kleinheisler (4. und 11.) sowie von Mittelfeld-Routinier Zoltán Gera auf (23.).

ÖFB-Team lässt seine Torchancen ungenutzt

Nach einem Faller von Zlatko Junuzović im Strafraum gab es einen - falschen - Elfmeter-Aufschrei der österreichischen Fans (28.) und ein Alaba-Freistoß landete in der Mauer (32.). In der 35. Minute hatte dann die rot-weiß-rote Hälfte des Stadions bereits erneut den Torschrei auf den Lippen: Ein weiter Ball von Aleksandar Dragović landete via Zwischenstation Janko bei Junuzović, doch EM-Senior Király konnte dessen Aufsetzer gerade noch zur Ecke lenken (35.).

Beim folgenden Junuzović-Eckball setzte der aufgerückte Martin Hinteregger den Ball am Tor vorbei (36.) und wenig später flog nach einem Einwurf beim anschließenden Abpraller der Ball wie eine Flipperkugel durch die ungarische Gefahrenzone. In der 41. Minute brachte eine ideal herausgespielte Aktion nach einem Doppelpass von Arnautović und Junuzović die ganz große Chance zur Führung, aber Janko war bei der Arnautović-Hereingabe schlecht postiert und Martin Harnik traf den Ball nicht richtig.

Die beste ungarische Möglichkeit kam kurz vor der Pause als Balázs Dzsudzsák den Ball am langen Eck vorbeisetzte (43.).

Folgenschwere Phase nach der Pause besiegelt Österreichs Niederlage

Auch nach dem Wechsel war zunächst Österreich weiter tonangebend. Doch nach einem Arnautović-Stanglpass und schlechter Klärung von Richard Guzmics war kein ÖFB-Offensivspieler zur Stelle. Österreichs Keeper Robert Almer musste sich zum ersten Mal in der 55. Minute bei einem Distanzschuss von Balázs Dzsudzsák auszeichnen.

Es folgte eine folgenschwere Phase für das Nationalteam: Zunächst musste Junuzović mit einer Knöchelverletzung vom Platz und wurde durch Marcel Sabitzer ersetzt (59.). Wenig später lag man dann entgegen dem Spielverlauf sogar zurück: Die Abseitsfalle schnappte nicht zu und Ungarns Sturmtank Szalai traf vorbei am herausstürzenden Almer zur überraschenden 1:0-Führung der Magyaren (62.).

ÖFB-Teamchef Koller reagierte sofort und brachte Rubin Okotie für Janko, der den Beweis der völligen Fitness schuldig blieb. In der 66. Minute bejubelten die österreichischen Fans bei einem Hinteregger-Kracher bereits den Ausgleich zum 1:1. Die Maschen bauschten sich, doch der Treffer zählte nicht. Es kam noch viel schlimmer: Dragović, der schon vor der Pause Gelb gesehen hatte, musste wegen einer viel zu ungestümen Attacke gegen Tamás Kádár kurz vor dem Hinteregger-Schuss mit Gelb-Rot vom Platz (66.).

Mit einem Mann weniger spielte Österreich nun in Unterzahl mit einer Dreierkette. Diese notgedrungene Umstellung funktionierte jedoch überhaupt nicht und kurz darauf wurde Julian Baumgartlinger deshalb in die Abwehr zurückbeordert. Doch die Löcher waren zu groß. Der zweite Gegentreffer zeichnete sich mehr ab als das 1:1 (die beste Gelegenheit dazu hatte Sabitzer in der 73. Minute vergeben) und nach 87. Minuten war es so weit: Ein ÖFB-Ballverlust nach einem Freistoß wurde im Konter vom eingewechselten Zoltán Stieber mit dem 2:0 für Ungarn bestraft.

Die endgültige Entscheidung und der Schlusspunkt unter Österreichs völlig verhauten EM-Start. Dazu die erste Niederlage nach elf ungeschlagenen Bewerbsspielen in Folge. Gegen Portugal mit Superstar Cristiano Ronaldo muss man jetzt ohne den gesperrten Abwehrboss Dragović auskommen. Bei Junuzović gilt es abzuwarten. Viel schlechter konnte es kaum kommen, es schien als ob sich der Fußballgott gegen das ÖFB-Team verschworen hätte. Nun gilt es Charakter zu beweisen!

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Christian Tragschitz, weltfussball.at aus Bordeaux

"Ich kann nicht viel damit anfangen, ob wir Favorit oder Außenseiter sind", erklärte der Schweizer am Montagabend in seiner Abschluss-Pressekonferenz am Spielort in Bordeaux.

Das Spiel werde auf dem Platz entschieden, betonte Koller. Sein Team sieht der 55-Jährige sehr gut vorbereitet. "Die Konzentration und die Fokussierung, das hat sich zum Spiel hin alles gesteigert", sagte Koller nach drei Wochen gemeinsamer Vorbereitung vor dem Abschlusstraining. "Wir sind bereit."