07.10.2016 08:00 Uhr

ÖFB-Team ist "erwachsen geworden"

Gegen Wales zeigte Österreich eine reife Leistung
Gegen Wales zeigte Österreich eine reife Leistung

Auf Seiten der Österreicher fiel das Resümee nach dem 2:2-Remis im WM-Qualifikationsspiel gegen Wales am Donnerstagabend durchaus positiv aus. Vom vermeintlich stärksten Gegner in Gruppe D gab es sowohl Lob für das ÖFB-Team als auch selbstkritische Töne.

"Es war ein sehr gutes Spiel gegen einen starken Gegner." ÖFB-Teamchef Marcel Koller durfte nach der Punkteteilung mit dem EM-Semifinalisten Wales eine reife Leistung seiner Spieler bilanzieren. "Übertrieben gesagt: Wir sind erwachsen geworden, wurden nie hektisch oder nervös", so der Schweizer, der dann präziser ausführte: "Es sind nicht alle nach vorne, niemand ist irgendwo herumgerannt, es war wichtig in den Positionen zu bleiben."

Kollers Fazit: "Wir haben nicht unverdient den Punkt geholt." Dass es sich um das beste Länderspiel im Kalenderjahr handelte, wurde nicht bestritten. 2016 war diesbezüglich aber auch kein großartiger Maßstab.

"Noch näher und noch intensiver decken"

Lehrwert hatte für Koller dagegen das Zweikampfverhalten des Gegners. "Noch näher, noch intensiver decken. Wie sie den Körper reinhauen, da kann man von der Insel lernen." Aufnehmen und Mitnehmen heiß daher die Anweisung an die Spieler.

Marcel Koller und die 44.2000 Zuschauer im Ernst Happel-Stadion sahen, wie sich das ÖFB-Team gleich zwei Mal nach einem Rückstand zurück kämpfte. Zunächst hatte Joe Allen die Gäste mit einem Prachtschuss in Führung gebracht (22.), kurz vor der Pause war es nach einem Einwurf die Verkettung unglücklicher Umstände und Kevin Wimmer als Eigentorschütze der nominelle Pechvogel (45.).

Für Österreich war Marko Arnautović nicht nur doppelter Torschütze (28., 48.) und somit Retter. Er steht sinnbildlich für die erlangte Reife. Koller wollte seinen Anteil an der Transformation des einstigen Enfant terrible zum Teamplayer nicht überbewerten. "Ein kleiner Teil ist von mir, das meiste kommt aber von ihm, weil er zugehört hat", erklärte Koller. Seit dem Wechsel in die Premier League zu Stoke habe Arnautović auch dort dazugelernt. "Er ist auf dem Weg ein Führungsspieler zu werden. Der Weg ist aber nicht abgeschlossen, da geht noch mehr", so der Teamchef.

Ungerechtes Remis?

Der Mann des Abends selbst war mit der gezeigten Leistung überaus zufrieden, nicht aber mit dem Resultat. "Wir waren über 90 Minuten klar - großgeschrieben - die bessere Mannschaft, hatten viele Torchancen, das eine oder andere Mal hat uns das Glück gefehlt", so Arnautović.

Auch Aleksandar Dragović empfand das 2:2-Remis als ungerecht: "Die Waliser wissen wohl selber nicht, wieso sie mit einem Punkt nach Hause fliegen. Es ist auch ein Punkt für uns, wir nehmen jeden gern."

Wales nutzte seine Torchancen effektiv, Robert Almer verhinderte mit einer laut Koller "Weltklasseparade" einen weiteren Treffer. Das war nicht Nichts. Ungerechte Unentschieden sehen anders aus. "Fußball ist ein bisschen Glück und ein bisschen Pech", rechnete dazu passend Chris Coleman vor und verwies auch auf das jeweils zweite Tor. Der walisische Teamchef hatte vor dem Spiel persönlich gute Erinnerungen an Wien, der Donnerstagabend konnte nicht ganz mithalten: "Wir waren unentschlossen und machten zu viele Fehler. Das können wir besser."

Es wird ein knappes Rennen zur WM

Österreich ist für Coleman ein gutes Team, mit einer fantastischen Heimbilanz (zehn Pflichtspiele im Prater ungeschlagen). "Sie haben den Ball sehr gut in ihren Reihen bewegt, erstens weil sie dazu fähig sind und zweitens weil wir ihnen den Raum geboten haben", erklärte Coleman. "Dass wir Favorit gewesen wären, das ist Bla-Bla. So funktioniert Fußball nicht."

"Zur WM nach Russland werde jenes Team fahren, das vor Österreich landet", glaubte Chris Coleman, "wenn sie es nicht selbst sind." Bei allem Lob für das ÖFB-Team stellte er aber klar: "Sie sind nicht unschlagbar. Niemand ist das." Jedenfalls werde es für alle in der Gruppe D "tough". Mit Blick auf das nach zwei Spieltagen punktegleiche Quartett Wales, Serbien, Irland und Österreich hat Coleman wohl nicht unrecht.

Bale nur in Rolle der Einwurfmaschine

Der Superstar der Waliser Gareth Bale erinnerte in Wien weniger an den kongenialen Partner und Rivalen von Cristiano Ronaldo bei Real Madrid als vielmehr an den früheren irischen Internationalen und Stoke-Spieler Rory Delap, der wegen seiner scharfen Einwürfflanken sogar "menschliches Katapult" genannt wurde. "Du musst auf verschiedenste Art kämpfen", so Coleman, "es hat funktioniert."

"Wir wussten, dass er weit einwerfen kann, aber dass er jeden Einwurf macht, hat uns schon überrascht", gab auch Marcel Koller zu. Einer dieser wuchtigen und mit einem gewissen Drall versehenen Einwürfe führte tatsächlich auch zum "Zirkus", wie Marko Arnautović die Szene rund um das Eigentor von Wimmer nannte. Erinnerungen an das letzte EM-Spiel gegen Island wurden geweckt. 

"Bale haben wir ganz gut im Griff gehabt. Aber man kann niemanden 90 Minuten aus dem Spiel nehmen", war Aleksandar Dragović mit der Defensivarbeit gegen den Superstar zufrieden. Nach Schwedens Zlatan Ibrahimović und dem späteren Europameister mit Portugal Cristiano Rolando kam auch Gareth Bale gegen Österreich nur eingeschränkt zur Geltung.

Sonderlob gab es dazu von Koller auch für David Alaba. Im Verbund mit Julian Baumgartlinger hätte er dies ganz gut gelöst. Der Teamchef verteidigte auch den einen oder anderen Fehlpass des ÖFB-Stars: "Wir wollen nicht nur Querspiele und Rückpässe, sondern auch das Risiko nehmen."

Koller überrascht mit Wimmer

Ein gewisses Risiko nahm Marcel Koller auch selbst, in dem er den Tottenham-Bankerldrücker Kevin Wimmer in seinem erst fünften Länderspiel überraschend auf die linke Abwehrseite beorderte. Tatsächlich hatte Wimmer beim LASK als Außenverteidiger begonnen, diese Position anfänglich auch noch beim 1. FC Köln in der zweiten deutschen Bundesliga ein paar Mal gespielt.

Koller ging diese Variante bereits nach dem Spiel gegen Georgien durch den Kopf. Linksfuß, mit der Position vertraut und dann auch noch Erfahrung mit der Premier League passten perfekt ins Anforderungsprofil. "Er hatte Ruhe in sich und das gut gemacht", urteilte Koller über Wimmer, der nun auch künftig als Linksverteidiger in Frage kommen dürfte. Dazu benötige es aber "mehr Zug nach vorne."

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Sebastian Kelterer