07.07.2018 10:35 Uhr

"Halb-Uru" Griezmann bringt Frankreich auf Titelkurs

Hugo Lloris und Antoine Griezmann umarmen sich nach Spielschluss
Hugo Lloris und Antoine Griezmann umarmen sich nach Spielschluss

Die stahlblauen Augen nach unten gerichtet, die Schultern hängend, die Stimme gedämpft - nein, Antoine Griezmann wirkte wahrlich nicht wie einer, der sein Land gerade ins WM-Halbfinale geschossen hatte.

Während seine französischen Teamkollegen um ihn herum feixten und lachten, war dem Stürmer sein innerer Zwiespalt deutlich anzusehen. Zwar befeuerte Griezmann den Traum der Equipe Tricolore vom zweiten Titel nach 1998 maßgeblich. Doch gleichzeitig musste der "Halb-Uruguayer" auch jenen seines Sehnsuchtslandes zerplatzen lassen.

"Ich liebe die Kultur und die Menschen Uruguays, ich habe viel Respekt vor dem Land", sagte der 27-Jährige, der mit einem Tor und einer Vorlage zum Matchwinner beim 2:0 (1:0) über die Südamerikaner avancierte. Als sein Schuss durch die Hände von Uruguays Keeper Fernando Muslera ins Tor flutschte (61.), setzte Griezmann gar eine Trauermiene auf. "Es war normal für mich, aus Respekt vor meinen uruguayischen Freunden nicht zu jubeln", sagte der Superstar.

Doch nach und nach kam dann doch die Freude über den Einzug ins Halbfinale am Dienstag gegen Belgien durch, schließlich kehrte auch das spitzbübische Lächeln auf Griezmanns Gesicht zurück. "Wir gewinnen immer mehr Vertrauen in unser Spiel. Wir haben gezeigt, dass wir jedem weh tun können", sagte der Stürmer, der die Führung durch Raphael Varane (40.) mit einem herrlichen Freistoß vorbereitet hatte.

Es war der nächste Schritt eines beeindruckenden Reifeprozesses, den die jungen Franzosen angeführt von "Grizou" machten. Zwar versprühten Les Bleus nicht den Glanz und das Tempo wie beim furiosen 4:3 im Achtelfinale gegen Argentinien, doch gegen den Abwehrriegel der bissigen Uruguayer zeigten sie sich geduldig und abgezockt.

"Uns fehlt Erfahrung, aber wir haben den Willen"

Frankreich gelingt, woran viele andere Favoriten scheiterten: Sie wachsen während des Turniers. So fiel es nicht einmal ins Gewicht, dass der im Achtelfinale überragende Teenager Kylian Mbappé von Uruguays Defensive brillant in Schach gehalten wurde. Sprangen eben andere in die Bresche, wie Griezmann, der die Devise ausgab: "Nun ist es an uns zu träumen."

Die Euphorie der Grande Nation ist riesig. Durch den sechsten Halbfinal-Einzug der Geschichte öffneten die Franzosen "die Tür zum Paradies", wie die Zeitung "Le Parisien" schrieb. "L'Equipe" betitelte die Leistung schon in Anspielung auf Halbfinal-Gegner Belgien als "diabolisch". Und der sonst so besonnene Vater des Erfolges platzte beinahe vor Stolz. "Mir fehlen fast die Worte", sagte Trainer Didier Deschamps: "Wir haben gegen Argentinien Großes geleistet und das Niveau noch einmal gesteigert. Uns fehlt Erfahrung, aber wir haben den Willen."

20 Jahre ist es her, dass Kapitän Deschamps Frankreich zusammen mit Zinédine Zidane zum Triumph im eigenen Land führte. Zwei Siege fehlen noch, um diesen zu wiederholen. Und es klang schon fast wie eine Kampfansage an Belgiens Rote Teufel, als der Coach meinte: "Es war kein perfektes Spiel, wir hatten einige technische Schwierigkeiten. Wir können immer noch besser spielen." Der Reifeprozess ist noch nicht abgeschlossen.