11.11.2014 13:56 Uhr

Ligen-Check: Die graue Maus blüht auf

Eine graue Maus wird zum Überflieger, die Neuankömmlinge zum Rohrkrepierer und England hat mal wieder einen neuen Hoffnungsträger: In der Länderspielpause geht weltfussball auf einen Streifzug durch Europas Topligen und wirft einen Blick auf die größten Überraschungen und herbsten Enttäuschungen. Heute an der Reihe: die englische Premier League.

Während Chelsea an der Tabellenspitze beinahe einsam seine Kreise zieht, spielen sich im Windschatten der Blues kuriose Dinge ab. Die renommierten Klubs aus Liverpool und Manchester kriseln, millionenschwere Neueinkäufe floppen und die Überraschungsteams aus Southampton (Zweiter) und West Ham (Vierter) mischen die Liga auf.

Das Überraschungsteam der Saison: West Ham United

Verwöhnt wurden die Fans der Hammers von ihrem Team in den letzten Jahren nicht. Nur zweimal belegten die Ost-Londoner in der abgelaufenen Dekade einen einstelligen Tabellenplatz (jeweils Neunter), zweimal ging es gar runter in Liga zwei. Den Rest der Zeit verbrachte West Ham im sportlichen Niemandsland zwischen Platz zehn und 17. Umso überraschender ist der aktuelle Höhenflug der "grauen Maus".

Dank einer außerordentlich erfolgreichen Transferpolitik stehen nach elf Spielen 18 Punkte und Platz vier in der Tabelle zu Buche. Der mehrmals kurz vor dem Rauswurf stehende Trainer Sam Allardyce hat nach dem besten Vereinsstart in der Premier-League-Geschichte ein Dauergrinsen im Gesicht und wird nicht müde, sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Das ist an sich kein Novum, nur hat "Big Sam" diesmal allen Grund dazu.

Maßgeblichen Anteil an der positiven Entwicklung hat das im Sommer verpflichtete Sturmduo Enner Valencia und Diafra Sakho. Besonders beeindruckend ist die Leistung des Senegalesen Sakho, der zuvor fünf Jahre durch Frankreichs zweite Liga dümpelte und im englischen Oberhaus direkt liefert. Mit sechs Toren in seinen ersten sechs Startelfeinsätzen egalisierte er den 22 Jahre alten Rekord von Micky Quinn. Gemeinsam mit Ecuadors WM-Held Valencia war Sakho an zwölf von 19 United-Toren direkt beteiligt. Ein Ende der Erfolgsstory ist im Moment nicht in Sicht.

Die Enttäuschungen der Saison: Die Aufsteiger

Deutschland hat Paderborn, Frankreich den FC Metz, Spanien den SD Eibar – allesamt Aufsteiger, die für Furore sorgen und die Erwartungen übertreffen. Das genaue Gegenteil ist auf der Insel der Fall: Leicester, Queens Park und Burnley sind immer noch nicht in der Premier League angekommen und belegen nach einem knappen Drittel der Saison die Plätze 18, 19 und 20.

Bis zum 11. Spieltag mutmaßten viele, Burnley könne die erste Mannschaft werden, die ohne einen einzigen Sieg wieder absteigen würde. Dann kam das umjubelte 1:0 gegen Hull City und das vorübergehende Ende der Durststrecke. Die Rangers stellen ihrerseits mit 22 Gegentoren die Schießbude der Liga und stehen trotz namhafter Neuverpflichtungen (Vargas, Isla, Fer, Ferdinand, Sandro) bei mickrigen acht Pünktchen.

Leicesters Bilanz nach dem denkwürdigen 5:3-Spektakel gegen Manchester United ist mit einem Zähler aus fünf Spielen bei einem Torverhältnis von 2:10 ebenfalls desaströs. Auch wenn es Aufsteiger grundsätzlich nie leicht haben, so durfte man von dem Trio aus der Championship doch etwas mehr erwarten.

Der Aufsteiger der Saison: Saido Berahino

Der englische Fußball hat (mal wieder) einen neuen Hoffnungsträger: Saido Berahino. Sein famoser Saisonstart mit sieben Toren in den ersten elf Spielen haben dem 21-jährigen Stürmer sogar eine Einladung zur Nationalelf beschert. Zu Recht, denn West Broms Top-Torjäger bringt mit, was viele Kicker der Three Lions nicht haben: Tempo, Technik, Ballgefühl und Durchsetzungsvermögen.

Der Sprung in die A-Mannschaft ist der bisherige Höhepunkt einer beeindruckenden Entwicklung. Mit zehn Jahren kam der in Burundi geborene Knipser auf die Insel. Er begann seine Karriere 2004 bei den Baggies, durchlief sämtliche Jugendnationalmannschaften und steigerte sich von Jahr zu Jahr. In der ewigen Torjägerliste der englischen U 21 hat er sich mit zehn Toren bereits bis auf Platz drei geschossen. Ein rasanter Aufstieg, der längst noch nicht beendet ist.

Die Absteiger der Saison: Die Millionen-Flops

Große Investitionen sind noch lange keine Garantie für großen Erfolg. In Liverpool, London und Manchester können sie ein Lied davon singen. 150 Millionen Euro haben die Reds vor der Saison in neue Spieler investiert. Eingeschlagen hat kaum einer. Angefangen bei Adam Lallana über Dejan Lovren und Lazar Markovic bis hin zu Mario Balotelli. Stadtrivale Everton ließ stolze 35 Millionen für Lukaku springen – und bekommt im Gegenzug zu oft Leistungen, die nicht der Rede wert sind.

Ähnlich sieht es bei Arsenal und Manchester City aus, die ihre Defensive mit Calum Chambers (20 Mio.), Mathieu Debuchy (20 Mio.) und Eliaquim Mangala (40 Mio.) stärken wollten, dabei aber nicht das bekamen, was der Preis versprach.

Der weltfussball-Ligen-Check:
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Christian Schenzel