18.03.2019 09:50 Uhr

Hamann-Attacke: FC Bayern "fehlt Tempo", BVB "zu sicher"

Didi Hamann kritisiert FC Bayern und BVB
Didi Hamann kritisiert FC Bayern und BVB

Nach dem deutschen Total-K.o. in der Champions League hat Didi Hamann eine "gewisse Selbstzufriedenheit" im deutschen Profifußball ausgemacht. In seinem Rundumschlag kommen auch der FC Bayern und Borussia Dortmund nicht gut weg.

"Den Bayern wurden im Rückspiel die Grenzen aufgezeigt. Zu Hause mussten sie Lösungen mit Ball anbieten, da wurden ihre Schwierigkeiten deutlich. In allen Mannschaftsteilen fehlt ihnen Tempo", sagte Hamann dem "kicker".

Der Rekordmeister müsse im Sommer groß investieren: "Wenn sie neben Ribéry und Robben noch Boateng und Hummels verlieren, wird ihre größte Aufgabe, diese vormaligen Topleute zu ersetzen. Diese Spieler haben vorgelebt, was es heißt, beim deutschen Rekordmeister Profi zu sein."

Niko Kovac übernahm beim FC Bayern "einen zu alten Kader"

Trainer Niko Kovac wird von Hamann in Schutz genommen: "Kovac fand einen Weg, mit Eintracht Frankfurt den FC Bayern im Pokalfinale 2018 zu schlagen, da kann man ihm nicht vorwerfen, er habe keine Spielidee. Mir gefällt, dass er sagt, dass Erfolg letztlich von der Qualität der Spieler abhängt. So ist es. Zudem übernahm Kovac einen zu alten Kader. Das Aus der Bayern hat mehr mit der Qualität der Mannschaft als mit dem Trainer zu tun."

Um in der Offensive effizienter zu weden, fehlen Kovac die passenden Spieler, glaubt der TV-Experte: "Ribery und Robben sind im Spätherbst, Gnabry hat sich sensationell entwickelt. Coman, der wichtigste Angreifer, ist viel verletzt." Lewandowski habe es schwierig, "wenn die Bayern in 180 Minuten nur fünfmal im Strafraum auftauchen". Thiago sei "brillant, macht kaum Tore. James bleibt den Beweis der Spitzenklasse mehr als schuldig. 42 Millionen Euro Ablöse würde ich für ihn nicht zahlen."

Man habe es, so Hamann, "versäumt, auf Schlüsselpositionen Spieler zu holen, die den FCB in den nächsten Jahren weiterbringen". Ein Leroy Sané wäre von Schalke "allenfalls nach München gewechselt. Die Bayern werden wissen, warum es nicht klappte. Liverpools Mané spielte in Salzburg, er wäre sicher lieber nach München als zu Southampton; Salah stürmte in Basel. Da muss die Bundesliga das jeweilige Potenzial erkennen."

Hamann über den BVB: "In Selbstverliebtheit darf es nicht ausarten"

Während Hamann beim FC Bayern die Kaderpolitik kritisiert, sieht er beim BVB vor allem ein übersteigertes Selbstbewusstsein als Grund für die aktuelle Formkrise: "Ein Hauch von Arroganz machte große Mannschaften immer aus; aber in Selbstverliebtheit darf es nicht ausarten. Ich glaube, die Borussen waren sich zu sicher. Sie hätten ihr Selbstbewusstsein zügeln müssen."

Auch BVB-Coach Lucien Favre müsse sich noch beweisen: "Die großen Titel fehlen ihm, also sind die Fragezeichen berechtigt und vorhanden. Allerdings hat er noch kein Spitzenteam wie Dortmund trainiert. Favre genießt einen exzellenten Ruf; doch es ist etwas anderes, mit einem durchschnittlichen Team Dritter zu werden als mit der zweitbesten Erster."

Dortmund, so Hamann, "gibt durchaus Geld aus, siehe Witsel oder Diallo. Akanji und Zagadou sind sehr interessant, aber ein erfahrener Mann Ende 20 wäre für sie in der Abwehr hilfreich. Die jungen Spieler würden da schneller reifen."

Die Lage bei den Top-Klubs bestätigt aus Hamanns Sicht den deutschen Negativtrend seit der WM 2018: "Parallelen zwischen DFB und Vereinen sind immer schwierig herzustellen, aber die Grundstimmung ist überall gleich und wird von Aktionen wie jener mit den drei höchst verdienten Weltmeistern Boateng, Hummels und Müller noch mehr belastet."

Ein Trainerproblem habe der deutsche Fußball nicht, jedoch empfiehlt Hamann weniger Laptop, dafür mehr Menschlichkeit: "Der reale Fußball findet nicht auf der Xbox oder dem Schachbrett statt. Der Spieler ist das Wichtigste. Es wird zu viel über Vierer-, Fünfer-, Sechserkette geredet, die Spieler werden zu Schachfiguren. Diese übertriebene Verwissenschaftlichung des Fußballs macht mich wahnsinnig. Der Spieler ist hundertmal wichtiger als jedes System."