08.11.2019 07:54 Uhr

Vor dem BVB-Kracher: Thiago beim FC Bayern im Dauertief

Thiago läuft beim FC Bayern seiner Form hinterher
Thiago läuft beim FC Bayern seiner Form hinterher

Jahrelang war Thiago Alcántara unangefochtener Taktgeber im Mittelfeld des FC Bayern München. Doch von der Genialität des Spaniers ist derzeit kaum etwas zu sehen. Ausgerechnet vor dem Bundesliga-Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund am Samstag (ab 18:30 im Liveticker) steckt Thiago seit Wochen im Dauertief.

"Was soll ich zu Thiago sagen? Top! Das, was er letztes Jahr gespielt hat, war sensationell gut. Das ist das, was sich jeder Trainer wünscht", schwärmte der mittlerweile entlassene Niko Kovac noch vor der Saison von seinem Musterschüler Thiago.

Der Zauberfuß war in den vergangenen Jahren nicht selten Bayerns Schüssel zum Erfolg. Als kreativer Ideenentwickler und Antreiber bestimmte er das Tempo und die Dominanz der Bayern, sorgte für zahlreiche geniale Momente und glänzte mit zentimetergenauen Traumpässen. In den letzten Jahren entdeckte Thiago zudem sein Arbeiter-Gen, machte auf der Sechs regelmäßig starke Spiele.

War Thiago nicht verletzt, so war er seit seinem Wechsel im Jahr 2013 vom FC Barcelona an die Säbener Straße fast immer gesetzt, ein echter Dauerbrenner eben.

Doch die Rolle des Unverzichtbaren bekleidet Thiago in dieser Saison nicht mehr. Einen ersten heftigen Rückschlag musste der 36-fache Nationalspieler beim knappen 3:2-Sieg gegen den SC Paderborn Ende September hinnehmen.

Thiago als Unsicherheitsfaktor des FC Bayern

Nach einer erschreckend schwachen Leistung nahm Kovac Thiago bereits in der Halbzeitpause vom Platz. Dass der Mittelfeldspieler im Bayern-Dress letztmals nach 45 Minuten ausgewechselt wurde, lag zu dem Zeitpunkt 1467 Tage zurück. "Dass er schon bessere Tage hatte, ist klar", kommentierte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge Thiagos Auftritt gegenüber "Sport 1".

Doch diese "besseren Tage" sind bei Thiago in dieser Saison Mangelware. Der 28-Jährige, den Ex-Coach Pep Guardiola damals mit den legendären Worten "Thiago oder nix!" beim FC Bayern anpries, verbuchte in 14 Pflichtspielen erst zwei Vorlagen. In der Bundesliga war er an keinem einzigen Treffer beteiligt.

Im Spiel der Bayern fällt Thiago aktuell eher als Unsicherheitsfaktor auf. Der Champions-League-Sieger von 2011 spielt zu risikoreich, unkonzentriert, teils schlampig und leistet sich trotz seiner insgesamt soliden Passquote (91 Prozent) immer wieder Fehlpässe in gefährlichen Zonen.

Zu großer Druck für Thiago?

Thiago schafft es zudem nicht, einer ohnehin verunsicherten Münchner Mannschaft Ruhe und Rhythmus einzuimpfen.

Dabei sollte er nach den Abgängen der Routiniers Arjen Robben und Franck Ribéry mehr Verantwortung in der jungen Münchner Mannschaft übernehmen. Schließlich gehört der Rechtsfuß zu den erfahrensten Profis im Kader des Rekordmeisters.

Angesichts des durchwachsenen Saisonstarts des FC Bayern ist die Verunsicherung augenscheinlich auch bis zum eigentlich so selbstsicheren Thiago durchgedrungen.

"Du darfst keine Angst haben. Keine Angst, Fehler zu machen, keine Angst, etwas zu probieren. Du brauchst Leidenschaft", hatte er noch vor wenigen Wochen zum Vereinsmagazin "51" gesagt. Womöglich macht genau diese Angst Thiago aktuell einen Strich durch die Rechnung.

Sportdirektor Hasan Salihamidzic macht sich dennoch keine Sorgen um Thiago. "Wir wissen alle, was er für Qualitäten hat. Wir wissen was Thiago kann. Wir führen viele Gespräche mit ihm. Er weiß genau, wo er ist" und arbeite daran, "wieder in Topform zu kommen", sagte der 42-Jährige zu "Sky".

Flick setzt auf Kimmich und Goretzka

Auch Thiago selbst sieht die Kritik an seiner Person gelassen: "Ich bin seit sechs Jahren hier, wir wurden jedes Mal Meister und drei Mal Pokalsieger, standen dazu vier Mal im Halbfinale der Champions League. Ich respektiere, was die Leute denken und behaupten. Ich sage dazu gar nichts. Ich spiele."

Doch ob Thiago in naher Zukunft eine Chance dazu bekommen wird, ist fraglich. Bayerns Interimscoach Hansi Flick ließ den 28-Jährigen zuletzt in der Champions League gegen Olympiakos Piräus (2:0) 90 Minuten auf der Bank schmoren. Stattdessen spielten Joshua Kimmich und Leon Goretzka im zentralen Mittelfeld.

Diese Maßnahme war wohl ein Fingerzeig für die Zukunft. "Heute ist es wichtig, dass sich die Mannschaft einspielt", betonte Flick nach der Partie im Hinblick auf den Kracher beim BVB.

Thiago muss sich also wohl noch gedulden, bis er die Chance bekommt, es seinen Kritikern auf dem Platz zu zeigen - sein Dauertief hält vorerst an.

Lissy Beckonert