Hoeneß will aus dem Schatten der Verwandtschaft treten

Der Trainer mit dem großen Namen steht vor seinem Pflichtspiel-Debüt. Für Sebastian Hoeneß wird es an der Seitenlinie der TSG Hoffenheim zum ersten Mal ernst.
Der Wohlfühlfaktor hat sich zuletzt deutlich erhöht. Das Hotelleben ist vorbei, Frau und Kind sind da, die Bleibe am Neckar bezogen. "Das ging jetzt doch trotz des überschaubaren Wohnungsmarktes in Heidelberg sehr schnell", berichtet Sebastian Hoeneß: "Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir jetzt hier zusammen leben dürfen. Ich glaube, wir haben das perfekte Domizil gefunden."
Ob der Trainer-Neuling in der Fußball-Bundesliga perfekt zur TSG Hoffenheim passt, wird allerdings erst die Zukunft zeigen. Schon in der ersten Hauptrunde des DFB-Pokals am Sonntag (15:30 Uhr) beim Drittliga-Absteiger Chemnitzer FC zählt nur ein klarer Sieg für den Europa-League-Starter, der allerdings ohne seinen verletzten Kapitän Benjamin Hübner antreten muss.
Beim aktuellen Hochglanz-Interview mit dem "SWR" ist bei Hoeneß aber keine Nervosität zu erkennen. Der 38-Jährige macht eine gute Figur - obwohl es zunächst natürlich um seine Familien-Geschichte geht.
Geduldig erzählt Hoeneß zum wiederholten Mal von seinem Vater Dieter und seinem Onkel Uli. "Die familiäre Prägung war immer da, und da bin ich auch froh drüber", gibt der Coach zu Protokoll, der nun aus dem Schatten der berühmten Verwandtschaft treten möchte. Über Nationalspieler, Torjäger, Bundesliga-Manager, Europameister, Weltmeister und Bayern-Bosse soll zukünftig nur noch am Rande geredet werden. Was jetzt zählt, ist die TSG.
Hoeneß hospitierte bei Guardiola, Tuchel und Stevens
"Wir haben festgestellt, dass wir sehr ähnlich ticken und denken über Fußball. Deshalb gehe ich das nun an", berichtet Hoeneß von seinen Gesprächen mit dem Hoffenheimer Sportchef Alexander Rosen, der den Ex-Coach von Bayern München II mit einem Dreijahresvertrag ausgestattet hat.
"Basti", wie er von Rosen genannt wird, hat einen klaren Auftrag. Er soll dort anknüpfen, wo der Vorgänger seines Vorgängers aufgehört. Im rasanten Stil von Julian Nagelsmann soll es beim Klub des Mehrheitseigners Dietmar Hopp weitergehen - der im Juni entlassene Alfred Schreuder scheiterte an dieser Anforderung.
Immerhin kennt sich Hoeneß bei den Kraichgauern, die auf den eingespielten Kader der vergangenen Saison setzen, bestens aus. In der Saison 2006/07 spielte er für die zweite Mannschaft der Hoffenheimer. Seine Sporen als Trainer verdiente sich Hoeneß, der seine Spielerkarriere schon im Alter von 28 Jahren beendet hatte, aber woanders. Er hospitierte bei Pep Guardiola, Thomas Tuchel und Huub Stevens, arbeitete in der Jugend von RB Leipzig und coachte die U19 der Bayern.
Zur Saison 2019/20 übernahm Hoeneß die zweite Mannschaft der Münchner in der 3. Liga. Der Trainer führte das Team zur Meisterschaft, was zuvor noch keiner Reservemannschaft eines Bundesligisten gelungen war. Nun sieht sich Hoeneß, der von Heidelberg in die 25 Kilometer entfernte TSG-Zentrale nach Zuzenhausen pendeln wird, bereit für die Eliteklasse: "Das Gefühl ist da, dass ich diese Entwicklung durchlaufen habe - und diesen Schritt auch gehen kann."
Die Nagelprobe steht schon bald bevor. Denn kurz nach dem Gastspiel bei den Chemnitzern, gegen die Hoeneß in der vergangenen Saison mit Bayern II in zwei Partien nur einen Punkt holte, wartet die ganz große Aufgabe: Bereits am zweiten Liga-Spieltag kommen die großen Bayern nach Sinsheim. Der Triple-Gewinner hat sicher den Onkel dabei. Und spätestens dann muss Hoeneß wieder Familien-Anekdoten zum Besten geben.