Vergrault der FC Bayern auch Kimmich und Goretzka?

Die Posse um den nahenden Abgang von Hansi Flick zeigt, dass sich das Betriebsklima beim FC Bayern in den letzten Jahren verschlechtert hat. Diese Entwicklung könnte auch negative Auswirkungen auf die Zukunftsplanung von Stars wie Joshua Kimmich und Leon Goretzka haben.
Wie so häufig hatten die Fans die empfindlichsten Antennen für tiefgreifende Veränderungen in ihrem Klub. "Familie", hieß es bereits im Frühjahr 2019 auf einem Spruchband der Anhänger des FC Bayern, werde beim Rekordmeister "gepredigt, doch selbst nicht mehr gelebt". Kritik übten die Bayern-Fans damals am Umgang der Vereinsführung mit Trainer Niko Kovac, der intern trotz der bis dato besten Rückrunde der Vereinsgeschichte zur Disposition stand.
Knapp zwei Jahre später ist Kovac in München längst Geschichte. Anfang November 2019, rund sechs Monate nach der Unterstützungsgeste der Fans für ihn, wurde dem Kroaten eine Serie sportlicher Erfolglosigkeit endgültig zum Verhängnis.
Sein Nachfolger wurde sein vormaliger Assistent Hansi Flick. Auch er wird trotz einer beispiellosen Erfolgsbilanz mit sieben Titeln in lediglich anderthalb Jahren im Sommer wohl vorzeitig seinen Hut nehmen. Freiwillig zwar, aber unter größtmöglichem Getöse.
Familie, das war einmal beim FC Bayern
Erst machte Flick den bei den Klub-Chefs hinterlegten Wunsch nach einer vorzeitigen Auflösung seines bis 2023 laufenden Vertrags in einem "Sky"-Interview nach dem 3:2-Sieg beim VfL Wolfsburg selbst öffentlich. Dann meldete sich der Vorstand des FC Bayern zu Wort und "missbilligte" das Verhalten des Erfolgscoaches.
Die seit Monaten hinter den Kulissen schwelenden, und teils auch in die Öffentlichkeit getragenen, Streitigkeiten zwischen Flick und Sportvorstand Hasan Salihamidzic sowie die mehr als unwürdige Verabschiedung von Jérôme Boateng runden das schlechte Bild ab, das der erfolgreichste deutsche Fußball-Verein dieser Tage abgibt.
Familie, um noch einmal den Duktus der Bayern-Fans aus dem Jahr 2019 aufzugreifen, das war einmal in München.
FC Bayern: Causa Flick eine "emotionale Geschichte"
Dabei war es genau dieser familiäre Zusammenhalt, durch den sich der FC Bayern jahrelang von anderen internationalen Großklubs abhob - und mit dem er auch den ein oder anderen Star überzeugte, nicht den finanziell häufig lukrativeren Avancen der Konkurrenz zu erliegen. Man denke nur an die später von ihm selbst öffentlich gemachte Rekord-Offerte von Real Madrid für Franck Ribéry im Jahr 2009.
Die aktuellen Protagonisten halten sich angesichts der undurchsichtigen Gemengelage rund um den Flick-Abgang noch weitgehend zurück.
Thomas Müller und David Alaba würdigten den scheidenden Trainer via Instagram, Kapitän Manuel Neuer sprach am "Sky"-Mikrofon von einer "emotionalen Geschichte für uns alle", die man "erstmal verarbeiten" müsse.
FC Bayern: Was machen Leon Goretzka und Joshua Kimmich?
Spannend wird es zu beobachten sein, wie diese von Neuer postulierte Verarbeitung bei den Spielern abläuft, die aktuell über den Fortgang ihrer Karriere beim FC Bayern nachdenken, wie Joshua Kimmich und Leon Goretzka.
Insbesondere beim früheren Schalker drängt langsam die Zeit. Goretzkas Vertrag in München läuft im Sommer 2022 aus. Dass sich wohl jeder Top-Klub Europas mit dem 26-Jährigen beschäftigt, liegt auf der Hand, so lange seine Zukunft in München ungeklärt ist.
Kimmich ist zwar noch ein Jahr länger als Goretzka an den FC Bayern gebunden. Die Weichen für seine weitere Laufbahn stellt der gebürtige Baden-Württemberger dennoch bereits. Zuletzt trennte sich Kimmich nach einer, laut eigener Aussage, "bewussten Entscheidung" von seiner Berateragentur, um seine Verträge zukünftig selbst auszuhandeln - in München, oder bei einem anderen Klub?
FC Bayern: Sauberer Schnitt oder Schlammschlacht?
Sowohl Goretzka als auch Kimmich werden in den kommenden Wochen sehr genau hinschauen, wie die Vereinsführung um den zumindest in der Chefetage keineswegs unumstrittenen Salihamidzic die Causa Flick weiter moderiert.
Artet die anstehende Trennung noch in eine echte Schlammschlacht aus oder gelingt letztlich ein einigermaßen sauberer Schnitt? Wer übernimmt als Nachfolger für Flick, den "perfekten Trainer" für den FC Bayern, wie "Bild" zuletzt titelte? Unternimmt der Klub geeignete Schritte, um das Binnenklima zukünftig wieder auf stabilere Füße zu stellen?
Klar ist: Über allem steht auch für Goretzka und Kimmich der sportliche Erfolg. Sehen die beiden Nationalspieler diesen als gefährdet an, wird ein Abgang aus München wahrscheinlicher.
Und völlig entkoppelt von der Stimmung hinter den Kulissen sind die Leistungen auf dem Platz nicht. Das zeigt die Tatsache, dass die Bayern nach ihrer fulminanten Vorsaison und dem zweiten Triple der Vereinsgeschichte in dieser Spielzeit wohl "nur" den Meistertitel in der Bundesliga holen werden. Für Kimmich, Goretzka und den ganzen Klub ist das schon fast eine Enttäuschung.
Tobias Knoop