01.06.2021 18:54 Uhr

Warum Löw (nicht) auf einen Bayern-Block setzen sollte

Auf wen setzt Joachim Löw bei der EM?
Auf wen setzt Joachim Löw bei der EM?

Der Kader der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ist standesgemäß mit zahlreichen Spielern des FC Bayern gespickt. Zur am 11. Juni beginnenden EM reist der DFB-Tross gar mit acht Profis des deutschen Rekordmeisters. Doch sollte Bundestrainer Joachim Löw auch auf dem Platz auf einen derart großen Bayern-Block setzen?

Bayern-Patron Uli Hoeneß hat dazu eine klare Meinung: "Wenn man die Europameisterschaft erfolgreich gestalten will, muss man mit einem Bayern-Block leben", lautete sein Urteil schon Ende März.

Und Löw setzt auf eine Vielzahl von Bayern-Profis: Manuel Neuer, Niklas Süle, Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Thomas Müller, Jamal Musiala, Serge Gnabry und Leroy Sané gehören zum aktuellen EM-Kader.

Doch wie viele von den Münchnern eine Startelfgarantie haben, ist unklar. Gerade im Mittelfeld gestaltet sich das Personal-Puzzle angesichts der starken Konkurrenz schwierig.

Sitzen etwa Weltklasse-Spieler wie Ilkay Gündogan und Toni Kroos auf der Bank, um Platz für die eingespielte Bayern-Brigade zu machen? Oder rücken die Münchner Stammspieler Thomas Müller und Leon Goretzka in den Hintergrund? Das spricht FÜR und GEGEN einen Bayern-Block in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft:

Das spricht FÜR einen Bayern-Block in der Nationalmannschaft

Die Vorteile liegen klar auf der Hand. Durch das tägliche gemeinsame Training beim FC Bayern sind Kimmich, Goretzka, Müller, Sané und Gnabry bestens eingespielt, kennen sich auf dem Platz in- und auswendig. Laufwege, Passabfolgen und Denkweisen sind untereinander bestens bekannt.

Das weiß auch Löw zu schätzen. "Die Spieler sind natürlich untereinander eingespielt. Das hilft uns im Moment tatsächlich", sagte der 61-Jährige auf einer Pressekonferenz im März, betonte aber: "Es ist sicherlich kein Kriterium, einzelne Spieler aufzustellen. Am Ende zählt die Qualität des einzelnen Spielers auf der jeweiligen Position."

Hinzu kommt, dass die bereits vorherrschenden, nahezu blinden Automatismen angesichts der kurzen Vorbereitungszeit bis zum Turnier von großer Bedeutung sind.

Das weiß auch Manuel Neuer. "Gerade in den erfolgreichen Zeiten der Nationalmannschaft gab es immer viele Spieler des FC Bayern. Das haben wir jetzt auch. Es ist wichtig, dass man die Abläufe kennt und weiß, wie die Automatismen auf dem Platz sind", sagte er in einem Interview auf der Vereinshomepage: "Da ist es immer gut, wenn man schon ein bisschen eingespielt ist."

Was sich ebenfalls als Trumpf eines Bayern-Blocks erweisen könnte, ist das Mia-san-Mia-Gen. Der unbändige Wille, die Siegermentalität und die Einstellung der Münchner würden der Nationalmannschaft sicher gut zu Gesicht stehen.

Für Rekordnationalspieler Lothar Matthäus ist ohnehin klar: "Aktuell spricht nichts gegen einen Bayern-Block." Doch es gibt auch einige Argumente, die an einer Dominanz der Münchner Stars zweifeln lassen.

Das spricht GEGEN einen Bayern-Block in der Nationalmannschaft

Größtes Argument gegen einen Bayern-Block in der Nationalmannschaft ist die bärenstarke Konkurrenz - gerade im Mittelfeld. Sollte Löw auf Kimmich und Goretzka setzen, müssten Spieler wie Ilkay Gündogan, der eine Weltklasse-Saison mit Manchester City spielte, oder Toni Kroos, der bei Real Madrid nach wie vor zu den klaren Leistungsträgern gehört, wohl auf der Bank Platz nehmen.

Sollte Kimmich allerdings wie schon in der Vergangenheit zurück auf die Rechtsverteidiger-Position rutschen, wäre ein weiterer Platz im Mittelfeld frei.

Weiterer Nachteil könnte sein, dass das DFB-Team auf eine Taktikveränderung angewiesen ist - sofern Thomas Müller seine Stärken auf seiner Paradeposition zur Geltung bringen soll.

Löw ließ zuletzt meistens im 4-3-3-System spielen, Müller spielte allerdings beim FC Bayern hinter Stürmer Robert Lewandowski im 4-2-3-1 groß auf. Dass Müller auf die Außenbahnen ausweicht, schloss der Bundestrainer bereits aus: "Thomas hat die Zeit rechts an der Seitenlinie hinter sich". Eine Änderung der Ausrichtung scheint also unausweichlich, sollte Müller tatsächlich ein Startelfkandidat sein.

Mit einem eingespielten Bayern-Block könnte DFB-Team für die Gegner zudem berechenbarer werden. Durch das Zusammenspiel von Akteuren, die nicht im Verein tagtäglich zusammen trainieren, entstehen immer wieder Überraschungsmomente und Situationen, die vorher nicht vom Gegner analysiert werden konnten. Bei einer Bayern-Brigade bliebe das wohl aus.

Lissy Beckonert