22.02.2022 22:12 Uhr

So schlecht ist Lucas Hernández wirklich

Lucas Hernández präsentiert sich beim FC Bayern weiterhin wechselhaft
Lucas Hernández präsentiert sich beim FC Bayern weiterhin wechselhaft

Auch nach fast drei Jahren hat Rekord-Transfer Lucas Hernández beim FC Bayern die Kritiker nicht zum Schweigen gebracht. Die Leistungen des Abwehrspielers hinterlassen oftmals mehr Frage- als Ausrufezeichen. Ist der Weltmeister von 2018 tatsächlich nur ein extrem teurer Mitläufer?

Vor wenigen Tagen geriet Lucas Hernández mal wieder unfreiwillig in die Schlagzeilen. Die Leistung, die der Franzose beim schmeichelhaften Remis des FC Bayern im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League bei RB Salzburg gezeigt habe, sei "eines Abwehrchefs nicht würdig" gewesen, polterte "Bild"-Reporter Tobias Altschäffl im Podcast "Bayern Insider". 

Der Journalist blies damit ins selbe Horn wie DFB-Legende Lothar Matthäus. "Lucas Hernández hat viel Geld gekostet, aber die Leistungen stehen in keinem Verhältnis dazu. Die Innenverteidiger bringen keine Stabilität, überzeugen weder im Eins-gegen-Eins noch im Aufbauspiel", kritisierte Deutschlands Rekord-Nationalspieler den Münchner Defensivmann in der "Sport Bild".

Seither ist rund um den deutschen Branchenprimus zum wiederholten Male eine Debatte entbrannt, in deren Mittelpunkt die enorme Diskrepanz zwischen Investition und Ertrag in der Abwehr steht.

Dabei musste neben Hernández auch dessen Landsmann Dayot Upamecano eine Menge Kritik einstecken. Allerdings werden dem Sommer-Neuzugang gewisse Anpassungsprobleme noch eher zugestanden als dem mittlerweile alteingesessenen Hernández.

Unerklärliche Aussetzer beim FC Bayern

Ein Blick in die sport.de-Noten verrät, dass der 2019 für 80 Millionen Euro von Atlético Madrid losgeeiste Hernández zuletzt in der Tat selten überzeugen konnte.

Nur in der Königsklasse erhielt der Linksfuß für seine Darbietung eine Bewertung im Dreier-Bereich, in der Bundesliga pendelte er dagegen zwischen gerade so ausreichenden Leistungen gegen Leipzig und Fürth sowie einem Komplett-Blackout gegen Bochum (Note 5,5).

Auch Hernández (r.) erlebte in Bochum einen rabenschwarzen Tag
Auch Hernández (r.) erlebte in Bochum einen rabenschwarzen Tag


War Hernández das einst investierte Geld also wirklich nicht wert? Ganz so vernichtend muss das Urteil sicher nicht ausfallen. An guten Tagen ist der Defensiv-Allrounder, der sich in der Innenverteidigung am wohlsten fühlt, ein absolut solider Abräumer, der auch auf internationalem Niveau mithalten kann. Dass Trainer Julian Nagelsmann dem 26-Jährigen bereits in 24 Pflichtspielen das Vertrauen schenkte - mit einer Ausnahme stets in der Startelf - spricht für sich.

Zur Wahrheit gehört freilich auch, dass Hernández seltsam oft gegen individuell eher durchschnittliche Kontrahenten ziemlich alt aussieht. Mal kommt er den entscheidenden Schritt zu spät, ein anderes Mal lässt er sich erstaunlich einfach austricksen. Diese Aussetzer haben sich im kollektiven Gedächtnis festgefressen, wie die Kommentare von Matthäus und Co. beweisen.

FC Bayern: Die nackten Zahlen sprechen für Lucas Hernández

Coach Nagelsmann macht bisher gleichwohl keinerlei Anstalten, seinen Dauerbrenner in Frage zu stellen. Alles andere wäre selbstredend sportlicher Selbstmord, fielen Hernández' Nebenmänner in den vergangenen Monaten doch am laufenden Band aus.

Auch aus der Führungsetage erhält der Nationalspieler weiterhin Rückendeckung. Als Matthäus unlängst seine Meinung kundtat, holte Sportvorstand Hasan Salihamidzic wenig später zum Gegenschlag aus und bezeichnete die Aussagen der DFB-Legende als "vollkommen wurscht".

Würde Hernández allein auf Basis nackter Zahlen beurteilt werden, würde er in der öffentlichen Wahrnehmung wohl tatsächlich besser wegkommen. Der Verteidiger strahlt zwar überhaupt keine Torgefahr aus, ist dafür in seinen Kernaufgaben aber statistisch gesehen zuverlässig.

Seine Zweikampfquote weist 63,27% gewonnene Duelle aus, teamintern steht nur sein scheidender Abwehrpartner Niklas Süle etwas besser da (65,15%). Noch besser ist Hernández' Passquote, die bei starken 92,58% angekommener Zuspiele liegt und ligaweit nur von Gladbachs Nico Elvedi (94,16%) und BVB-Routinier Axel Witsel (95,99%) übertroffen wird.

FC Bayern "in der Hernández-Falle"?

Dass der Bayern-Profi dennoch mit viel Argwohn betrachtet wird, hängt mit anderen Faktoren zusammen. Ein pikantes Thema ist und bleibt Hernández' angeblich extrem lukrativer Fünfjahresvertrag, der ihm - je nach Quelle - pro Saison zwischen 17 und 24 (!) Millionen Euro aufs Konto spülen soll.

Einige Teamkollegen gingen deswegen mit deutlich erhöhten Forderungen in ihre Vertragsverhandlungen. "Bayern sitzt in der Hernández-Falle. Er hat das Gehaltsgefüge gesprengt", enthüllte ein namentlich nicht genannter Insider gegenüber "Spox" unlängst.

Die Folge: Speziell im Fan-Lager, aber auch in Expertenkreisen wird hinterfragt, ob Hernández all das Geld wirklich wert war, beziehungsweise ist. Ob die Diskussion immer sachlich geführt wird und die Argumente stets fair sind, sei mal dahingestellt. Den FCB-Verantwortlichen dürfte jedoch bewusst gewesen sein, dass sie sich an den Performances ihres Rekord-Einkaufs messen lassen müssen.

Und in dieser Hinsicht war bei Lucas Hernández zuletzt (wieder einmal) Luft nach oben.

Heiko Lütkehus