14.10.2022 14:12 Uhr

Hat sich Schalke-Sportchef Schröder verzettelt?

Rouven Schröder holte Frank Kramer zum FC Schalke 04
Rouven Schröder holte Frank Kramer zum FC Schalke 04

Nach dem 0:4 bei Bayer Leverkusen sickerten beim FC Schalke 04 erneut Interna durch. Die Mannschaft soll laut Medienberichten nicht mehr voll hinter Trainer Frank Kramer stehen. Doch trägt der Coach die Alleinschuld an der sportlichen Misere des Bundesliga-Aufsteigers oder muss sich auch Sportdirektor Rouven Schröder hinterfragen?

Das Heimspiel des FC Schalke 04 gegen die TSG 1899 Hoffenheim am Freitagabend (ab 20:30 Uhr im LIVE-Ticker bei sport.de) wird für S04-Trainer Frank Kramer wohl zu einem persönlichen Endspiel werden. Nur ein Sieg dürfte dem 50-Jährigen den Job retten - zumindest vorerst. Denn der Rückhalt für Kramer innerhalb der Schalke-Mannschaft soll zunehmend schwinden.

Laut einem Bericht der "Sport Bild" sollen mehrere Führungsspieler große Zweifel an Kramers Spielstil hegen.

Schalke-Kapitän Danny Latza, Torjäger Simon Terodde und Marius Bülter, aber auch Alex Král, Thomas Ouwejan und der zurzeit verletzte Rodrigo Zalazar blicken angeblich kritisch auf die aktuelle Entwicklung.

Schon in der vergangenen Woche waren Stimmen durchgesickert. Demnach scheint die Ansicht, dass der Aufstiegskader besser ausgestattet gewesen sei als das aktuelle Team, in Gelsenkirchen nicht die Meinung eines Einzelnen zu sein.

Das wohl größte Problem: Der FC Schalke 04 spielt nicht mit

Die bisherige Schalke-Ausbeute ist ernüchternd - und spricht nicht für den Trainer. Mit nur einem Sieg und insgesamt sechs Punkten steht der Bundesliga-Rückkehrer nach neun Spieltagen auf Relegationsplatz 16. Der VfB Stuttgart oder der VfL Bochum, die am Samstag aufeinandertreffen, könnten die Königsblauen auf einen direkten Abstiegsplatz verdrängen, sofern die Knappen nicht gewinnen.

"Wir haben uns von Tag eins an gemeinsam auf den Abstiegskampf eingeschworen. Wir hätten gerne mehr Punkte mitgenommen, klar. Aber wir sind jetzt genau da, wo uns alle erwartet haben", hielt Kramer am Donnerstag als Zwischenbilanz fest.

Das 0:4 in Leverkusen offenbarte einmal mehr Schalkes spielerische Defizite - und zugleich Kramers Dilemma. Dass Königsblau gegen die Werkself um ihren neuen Trainer Xabi Alonso nicht das Spiel machen würde, war von vornherein klar. Nur: Auch die Hoffnung, über Langholz zum Erfolg zu kommen, verpuffte. 50 lange Bälle drosch Schalke gegen Bayer nach vorn - mehr als dreimal so viele wie beispielsweise Mitaufsteiger Werder Bremen gegen Hoffenheim.

Spätestens an dieser Stelle kann es wohl nicht mehr nur um Coach Kramer gehen, sondern auch um die Rolle von Sportdirektor Rouven Schröder.

"Das große Problem des Trainers: Weil die Mannschaft zu langsam für ein vernünftiges Umschaltspiel ist und technisch zu limitiert für einen Ballbesitz- und Kombinationsfußball à la Gladbach, sind Kramers Möglichkeiten extrem begrenzt", analysierte die "Sport Bild" in dieser Woche treffend.

Viele Leistungsträger sind beim FC Schalke 04 verletzt - oder kein Faktor unter Kramer

Vor allem in der Abwehr besteht Nachholbedarf. Die Abgänge von Ko Itakura und Malick Thiaw wurden nicht adäquat kompensiert. Dem erfahrenen Maya Yoshida geht das Tempo ab, Cédric Brunner von Absteiger Arminia Bielefeld ist nach einer Zwangspause aufgrund von muskulären Problemen noch nicht in Top-Form.

Mit Marcin Kaminski, Ibrahima Cissé und Sepp van den Berg fehlen außerdem drei Verteidiger verletzt. "Wir haben da einen Engpass", sagte Kramer am Donnerstag. Gastspieler Timothée Kolodziejczak könnte nun fest verpflichtet werden. 

In der Offensive zeigt die Verletzung von Rodrigo Zalazar auf, dass Schalke qualitativ zu dünn aufgestellt ist. Der torgefährliche Spielmacher fehlt zurzeit an allen Ecken und Enden.


Mehr dazu: Schalke-Neuzugänge: Sechs Flops, nur ein echter Lichtblick


Der hochgelobte Neuzugang Alex Král von Dinamo Moskau ist derweil kein Faktor unter Kramer. Gleiches gilt für Sturmhoffnung Jordan Larsson oder auch für Sebastian Polter, der ein starkes Jahr beim VfL Bochum hinter sich hat - und erst einen Treffer erzielte.

Spieler wie Tobias Mohr, der von Zweitligist 1. FC Heidenheim wechselte, oder Nachwuchstalent Florian Flick, der seine erste komplette Erstliga-Saison absolviert, gehören unter Kramer indes zum Stammpersonal. Ob sie in der Lage sind, schon in dieser Spielzeit in Führungsrollen zu schlüpfen, darf jedoch bezweifelt werden.

FC Schalke 04: Die Ideen hinter den Transfers leuchten ein. Aber ...

Zu Schröders Verteidigung ist zu sagen: Schalke arbeitet nach wie vor an seiner wirtschaftlichen Konsolidierung und wird dies noch länger tun. Knapp 183 Millionen Euro betragen die Verbindlichkeiten des Klubs. Das Budget, das der Sportdirektor zur Verfügung hatte, war extrem überschaubar. Gemessen daran hat Schröder seine Arbeit auf dem Transfermarkt gut gemacht. Die Ideen hinter seinen Transfers leuchten ein.

Dass Schröders Wahl bei der Suche nach einem Nachfolger für Mike Büskens auf Frank Kramer fiel, wirft indes nach wie vor Fragen auf. Dass Kramer nicht für Offensivspektakel steht, ist gemeinhin bekannt. Nun erwartet man von einem Aufsteiger nicht, dass er das Spiel an sich reißt. Sich aber gänzlich auf Destruktion zu konzentrieren, hilft Schalke allerdings auch nicht weiter. Mitaufsteiger Werder Bremen ist wohl das beste Gegenbeispiel.

So befindet sich Schalke schon zu einem frühen Zeitpunkt in der Saison in einem sportlichen Teufelskreis. Bestehend aus einem Trainer, der nicht das Beste aus den Möglichkeiten seiner potentiellen Leistungsträger herausholt. Aus einer Mannschaft, die an der Spielweise des Trainers zweifelt. Und einem Kader, der zu dünn besetzt ist, um langfristige Ausfälle kompensieren zu können.

Schröder selbst betonte am Donnerstag, dass die Leistung gegen Leverkusen "alle enttäuscht" habe: "Das Ergebnis ist das eine, die Haltung die andere. Unsere Ausstrahlung passte nicht zu Schalke 04." Er sei aber "zuversichtlich", dass es im Spiel gegen Hoffenheim "anders sein wird". 

Doch was wird darüber hinaus sein? Ein klares Bekenntnis zu einer längerfristigen Zusammenarbeit liest sich anders. Wohl auch nicht ohne Grund.

Claudio Palmieri