Obwohl der Ligenbetrieb bereits wieder läuft, wirken die beiden völlig verkorksten November-Länderspiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft noch nach. Eine Vereinslegende des FC Bayern nimmt sich Bundestrainer Julian Nagelsmann zur Brust.

Als belgischer Nationaltorwart schlug Jean-Marie Pfaff viele Schlachten gegen Deutschland, zahlreiche Gegenspieler kannte der Schlussmann aus dem Verein: Zwischen 1982 und 1988 erlangte er beim FC Bayern Kultstatus.

Bis heute hat der 69-Jährige sowohl seinen Ex-Klub als auch die DFB-Auswahl im Blick. Sein Urteil nach den Länderspielen gegen die Türkei (2:3) und Österreich (0:2): vernichtend.

"Das Länderspiel in Wien sollten Bundestrainer Julian Nagelsmann und seine Mannschaft ganz schnell abhaken - aber natürlich nicht, ohne die richtigen Lehren aus diesem blutleeren und enttäuschenden Auftritt ziehen", schrieb Pfaff in seiner "AZ"-Kolumne.

Beim EM-Gastgeber vermisst der Belgier Führungsspieler: "Mir fällt auf, dass, wenn es darauf ankommt, niemand in der Mannschaft da ist, der die Ärmel hochkrempelt und den anderen zeigt: So nicht, das lassen wir nicht mit uns machen. Bis hierhin und nicht weiter!"

In Wien seien alle Akteure "untergegangen", monierte Pfaff: "Da war kein Leader, kein Gerüst, keine Hierarchie zu sehen. Elf Einzelspieler, die sich alle in diesem Prestigeduell wegduckten."

Nationalmannschaft: Nagelsmann "wirft Fragen auf"

Pfaff glaubt nicht, dass es beim DFB einen schnellen Turnaround geben wird. "Die Gründe für die Probleme im deutschen Team liegen tiefer, als man denkt", gab der dreimalige Bundesliga-Meister zu bedenken.

Und: "Weder Hansi Flick noch Nagelsmann haben es bisher geschafft, diese Probleme auch nur annähernd in den Griff zu bekommen." Speziell Letzterer habe mit seinen jüngsten Personalentscheidungen "Fragen aufgeworfen", so Pfaff.

Die da lauten: "Muss man Kai Havertz wirklich als Aushilfsverteidiger aufstellen, wenn man etwa den gelernten Linksverteidiger David Raum im Kader hat? Macht es Sinn, einen Joshua Kimmich auf die Bank zu setzen? Ist überhaupt noch Zeit, um personelle Alternativen zu testen?"

Die Antworten darauf muss Nagelsmann besser heute als morgen liefern, doch die Zeit rennt ...